Grundlagen
Einleitungen in Goethes Naturwissenschaftliche Schriften, 1884-1897
Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung, mit besonderer Rücksicht auf Schiller, 1886
Wahrheit und Wissenschaft. Vorspiel einer Philosophie der Freiheit, 1892
Die Philosophie der Freiheit. Grundzüge einer modernen Weltanschauung, 1894
Friedrich Nietzsche - ein Kämpfer gegen seine Zeit, 1895
Goethes Weltanschauung, 1897
Die Mystik im Aufgang des neuzeitlichen Geisteslebens und ihr Verhältnis zur modernen Weltanschauung, 1901
Das Christentum als mystische Tatsache und die Mysterien des Altertums, 1902
Theosophie, 1904
Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? 1904/06
Die Stufen der höheren Erkenntnis, 1905-1908
Die Geheimwissenschaft im Umriß, 1910
Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit, 1911
Ein Weg zur Selbsterkenntnis des Menschen, 1912
Die Schwelle der geistigen Welt, 1913
Die Rätsel der Philosophie in ihrer Geschichte als Umriß dargestellt, 1914
Vom Menschenrätsel. Ausgesprochenes und Unausgesprochenes im Denken, Schauen, Sinnen einer Reihe deutscher und österreichischer Persönlichkeiten, 1918
Von Seelenrätseln, 1917
Goethes Geistesart in ihrer Offenbarung durch seinen »Faust« und durch das Märchen von der Schlange und der Lilie, 1918
Die Kernpunkte der sozialen Frage, 1919
Philosophie, Kosmologie und Religion, 1922
Anthroposophische Leitsätze, 1924/25
Grundlegendes zu einer Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlicher Erkenntnis, 1925
Mein Lebensgang, 1923-1925
Aus der Akasha-Chronik, 1904-05/1939
Goethes Geistesart
»Goethes Geistesart in ihrer Offenbarung durch seinen Faust und durch das Märchen ›von der Schlange und der Lilie‹« ist ein 1918 veröffentlichtes Buch, das drei Aufsätze enthält. Der erste, über Goethes Faust als Bild seiner esoterischen Weltanschauung, erschien erstmals 1902, der zweite, ebenfalls zum Faust, wurde 1918 für diese Publikation verfasst und der dritte, über Goethes Märchen, ist die Neubearbeitung eines Aufsatzes aus dem Jahr 1899. Goethe als Esoteriker ist in Steiners Werk ein zentrales Thema: in die akademische Forschung wurde diese Seite Goethes erst durch die Arbeit Rolf Christian Zimmermanns, »Das Weltbild des jungen Goethe« eingeführt.
Der hier veröffentlichte Text orientiert sich an einer copyrightfreien Ausgabe und ist nicht wissenschaftlich zitierfähig. Für solche Zwecke mögen die Leser sich an die Ausgaben des Rudolf Steiners Verlags halten.
Inhalt
I. Goethes Faust als Bild seiner esoterischen Weltanschauung
II. Goethes Geistesart in ihrer Offenbarung durch seinen Faust
III. Goethes Geistesart in ihrer Offenbarung durch sein »Märchen von der grünen Schlange und der Lilie«
Das Reich des Ewigen ist Mephistopheles fremd. Das könnte leicht unerklärlich scheinen, wenn man bedenkt, dass er dem Reiche des Bösen, also selbst einer ewigen Region angehört. Erklärlich wird es aber, wenn man Goethes Eigenart bedenkt. Er hat die ewige Notwendigkeit für sich nicht im Bereich des Christentums erlebt, zu dem für ihn Hölle und Teufel gehören. Ihm ist dieses Ewige persönlich da aufgegangen, wohin die christliche Vorstellungswelt nicht dringt. Es ist durchaus zuzugeben, dass eine Gestalt wie Mephistopheles ihrem letzten Ursprunge nach auch in heidnischen Religionsvorstellungen zu finden ist. Für Goethe gehörte sie aber der nordisch-christlichen Welt an. Dorther hat er sie geschöpft.
Es war seine persönliche Erfahrung, dass er sein Reich des Ewigen mit dieser Vorstellungswelt nicht finden konnte. ...
Nur ein rein geistiges, ein auf geistige Weise geborenes Wesen könnte sich unmittelbar mit dem Geistigen vereinigen. Der Menschengeist ist kein solches Wesen. Er muss durch das Materielle vollständig hindurchwandeln. Ohne diese Lebenswanderung wäre dieser Menschengeist ein wesenloses Wesen. Wenn er so vorhanden wäre, könnte er nicht leben. Entstünde er auf irgendeine Weise, so müsste er die materielle Wanderung von vorn anfangen. Denn der Mensch ist das, was er ist, nur dadurch, dass er durch eine Reihe vorheriger Verkörperungen durchgegangen ist. Auch diese Vorstellung musste Goethe im Faust darstellen. Über den Homunkulus hat sich Goethe am 16. Dezember 1829 zu Eckermann ausgesprochen: «Denn solche geistige Wesen wie der Homunkulus, die durch eine vollkommene Menschwerdung noch nicht verdüstert und beschränkt werden, zählte man zu den Dämonen.»
Homunkulus ist also ein Mensch, doch ohne die dem Menschen notwendige Materialität. Er wird im Laboratorium auf künstliche Weise erzeugt ...
Im Umfange des menschlichen Seelenlebens gibt es eine Kraft, von welcher die Entwicklung der Seele getragen wird zu dem Zustande der freien Persönlichkeit. Diese Kraft hat ihre Aufgabe auf dem Wege zu diesem Zustand. Wäre dieser erreicht, so verlöre sie ihre Bedeutung. Sie bringt die Menschenseele mit den Lebenserfahrungen in Zusammenhang.
Sie verwandelt, was Wissenschaft und Leben offenbaren, in innere Lebensweisheit. Sie macht die Seele immer reifer für das ersehnte Geistesziel. An diesem verliert sie ihre Bedeutung, denn sie stellt das Verhältnis des Menschen zur Außenwelt her. Am Ziele aber sind alle äußeren Impulse in innere Seelenantriebe verwandelt. Da muss diese Kraft sich aufopfern; sie muss ihre Wirksamkeit einstellen; sie muss als das übrige Seelenleben durchsetzendes Ferment ohne Eigenleben im verwandelten Menschen weiter bestehen. Goethes Geiste sauge war insbesondere auf diese Kraft im Menschenleben hingerichtet.
Er sah sie wirksam in den Erfahrungen des Lebens und in denjenigen der Wissenschaft. Er wollte sie da angewendet wissen, ohne dass man sich durch vorgefasste Meinungen oder Theorien ein abstraktes Ziel setzt. Dieses Ziel muss sich erst aus den Erfahrungen heraus ergeben. Wenn diese ausgereift sein werden, sollen sie das Ziel aus sich gebären. Sie sollen nicht durch ein voraus bestimmtes Ende verstümmelt werden. Diese Seelenkraft ist in der grünen Schlange verkörpert ...