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Confessio Fraternitatis

1615


Bekenntnis der löblichen Bruderschaft des hochgeehrten Rosenkreuzes, an die Gelehrten Europas geschrieben

Vorrede

An den weisheitsbegierigen Leser des Bekenntnisses!

Hier findest Du, günstiger Leser, siebenunddreißig Gründe unseres Vorhabens und unserer Absichten, dem Bekenntnis einverleibt, damit du sie nach Belieben heraussuchen und miteinander vergleichen kannst. Du magst auch überlegen, ob sie wichtig genug sind, dich zu bewegen und auf unsere Seite zu bringen. Zwar bedarf es nicht geringer Mühe, zu bestätigen, was man nicht sieht. Wenn es aber dereinst an den Tag tritt, zweifeln wir gar nicht daran, dass man sich solcher Vermutungen und Annahmen zu Recht schämen wird.

Ebenso wie wir jetzt ganz sicher, frei und ohne Gefahr den Papst zu Rom den Antichrist nennen (was früher als  Todsünde betrachtet wurde und an allen Orten als Kapitalverbrechen mit dem Leben verbüßt werden musste), ebenso gewiss wissen wir, dass die Zeit einmal kommen wird, in der das, was jetzt noch geheim ist, frei, öffentlich und mit heller Stimme ausgerufen und vor jedermann bekannt wird. Dass dies so bald als möglich geschehe, möge der günstige Leser mit uns von Herzen wünschen.


1. Was uns von unserer Bruderschaft aus der früher angefertigten Fama zu Ohren gekommen und offenbar gemacht worden ist, das soll niemand als leichtfertig oder erdichtet betrachten, viel weniger noch annehmen, es sei aus unserem eigenen Gutdünken hergeflossen und entstanden.

Vielmehr ist es der Herr Jehovah selbst, der den Lauf der Natur umwendet, denn er sieht, dass die Welt nunmehr fast den Feierabend erreicht hat und nach vollendetem Umlauf wieder zum Anfang eilt. Und der Herr ist es, der das, was zuvor mit großer Mühe und unablässiger Arbeit gesucht wurde, jetzt denen, die es nicht beachten oder nicht einmal daran denken, eröffnet, andern aber, die es begehren, freiwillig anbietet und denen, die es nicht begehren, gleichsam aufzwingt, auf dass den Frommen all die Mühseligkeit des Lebens gelindert, und des unbeständigen Glückes Ungestüm aufgehoben wird, den Bösen aber ihre Bosheit und die ihr gebührenden Strafen vermehrt und gehäuft werden.

Wir aber, die wir keiner Ketzerei oder eines bösen Beginnens und Vorhabens gegen das weltliche Regime bei jemand verdächtig sein können, da wir sowohl des Orients als des Okzidents – nämlich des Mohammeds und des Papstes – Lästerung wider unseren Herrn Jesus Christus verdammen, und dem obersten Haupt des römischen Reiches unser Gebet, unser Geheimnis und unsere großen Goldschätze gutwillig präsentieren und anbieten: Wir halten es für ratsam und angemessen, um der Gelehrten willen noch etwas weiteres hinzu zu tun und besser auszuführen, was vielleicht in der Fama zu tief verborgen und zu dunkel ausgedrückt oder aus gewissen Ursachen ausgelassen worden ist, in der Hoffnung, damit die Gelehrten uns desto geneigter und unserem Vorhaben noch freundlicher und williger zu machen.

2. Zur Veränderung nun und Verbesserung der Philosophie haben wir, soviel als nötig gesagt, dass dieselbe nämlich ganz krank und mangelhaft sei. Ja, es besteht gar kein Zweifel bei uns, dass sie – obwohl die Mehrzahl fälschlicherweise vorgibt, dass sie, ich weiß nicht wie, gesund und stark sei –, dennoch fast in den letzten Zügen liegt und dabei ist, hinzuscheiden.

Wie aber für gewöhnlich am selben Ort, wo eine neue, ungewöhnliche Krankheit entsteht, die Natur auch eine Arznei für dieselbe entdeckt, so zeigen sich auch bei so mancherlei Krankheiten der Philosophie die rechten und unserem Verstand hinreichend verträglichen Mittel, durch die sie wiederum gesund werden und der Welt, die jetzt erneuert werden soll, gleichsam ganz neu vorkomme und erscheine.

Wir haben aber keine andere Philosophie als die, welche das Haupt und die Summe, das Fundament und den Inhalt aller Fakultäten, Wissenschaften und Künste darstellt. Diese versteht zwar, so wie sie heute beschaffen ist, viel von der Theologie und Medizin, wenig aber von juristischer Weisheit, aber sie durchsucht fleißig Himmel und Erde oder – kurz gesagt – den Menschen (Mikrokosmos). Diesen erkundet sie und bildet ihn ab, und über ihn werden alle Gelehrten, die sich auf unsere brüderliche Einladung berufen und sich bei uns melden und einstellen werden, mehr wunderbare Geheimnisse bei uns finden, als sie bisher erfahren haben, erkundigen, glauben und aussprechen können.

3. Deshalb müssen wir uns mit allem Fleiß darum bemühen (um dies kurz zu begründen), dass man sich nicht nur über unsere Einladung und unsere Ermahnung verwundert, sondern dass ein jeder auch wisse, dass wir zwar solche Arkana und Geheimnisse nicht gering achten, es aber doch nicht für ein Unrecht halten, dass die Kunde und Wissenschaft von ihnen vielen zugänglich gemacht werde.

Es ist ja durchaus nachzuvollziehen und naheliegend, dass dieses unser unverhofftes, gutwilliges Anerbieten viele unterschiedliche Gedanken bei den Leuten erweckt, denen die Wunder der sechsten Zeit noch nicht bekannt geworden sind. Andere achten wegen des Laufes der Welt die künftigen Dinge den gegenwärtigen gleich und werden durch allerhand Ungelegenheiten dieser Zeit verhindert, sodass sie nicht anders in der Welt leben und wandeln, als Blinde, die mitten am hellen Tag nichts zu unterscheiden und zu erkennen vermögen, außer durch Fühlen und Anfassen.

4. Was nun das erste Stück, die Fama, anbelangt, so glauben wir, dass die Meditationen, Erkundigungen und Forschungen unseres geliebten christlichen Vaters alles, was der menschliche Verstand von Anfang der Welt an erfunden, hervorgebracht, verbessert und bis heute propagiert oder fortgepflanzt hat (möge es nun durch göttliche Erweckung und Offenbarung oder durch den Dienst der Engel und Geister, durch die Scharfsinnigkeit des Verstandes selbst oder durch langwierige Beobachtung, Übung und Erfahrung gefunden worden sein), auf so vortreffliche, herrliche und großartige Weise enthalten, dass, wenn auch alle Bücher verschwinden und – durch des allmächtigen Gottes Verhängnis – alle Schriften und Literaturen zum Untergang bestimmt sein sollten, die Nachwelt dennoch aus diesen Meditationen allein ein neues Fundament legen und ein neues Schloss, eine neue Feste der Wahrheit würde aufbauen können. Deswegen sollte es vielleicht auch nicht so schwer sein, das alte, unförmige Gebäude zu zerstören und zu verlassen, und bald den Vorhof zu erweitern, bald den Tag in die Gemächer zu bringen, sowie die Türen, Treppen und anderes zu verändern, wie es unsere Absicht ist.

Wem sollte nun aber dies nicht angenehm sein? Wenn es doch nur reichlich kund werden möchte und nicht nur als eine besondere Zierde für eine bestimmte künftige Zeit betrachtet und aufgespart würde!

Warum wollen wir nicht in der einigen Wahrheit, welche die Menschen durch so viele Irrwege und auf krummen Straßen suchen, herzlich gerne ruhen und bleiben, wenn es Gott gefallen hätte, den sechsten Leuchter nur für uns alleine anzuzünden?

Wäre es nicht gut, dass man sich weder um Hunger noch Armut, weder um Krankheiten noch Alter zu sorgen und zu kümmern hätte?

Wäre es nicht ein köstlich Ding, dass du jederzeit so leben könntest, als wenn du von Anfang der Welt an bis hierher gelebt hättest und noch ferner bis ans Ende derselben leben würdest?

Wäre es nicht herrlich, wenn du an einem Ort so wohnen könntest, dass weder die Völker, die über dem Fluss Ganges in Indien wohnen, ihre Sachen vor dir verbergen, noch die, die in Peru wohnen, ihre Ratschläge dir vorenthalten könnten?

Wäre es nicht ein köstlich Ding, wenn du in einem einzigen Buch lesen könntest, was in allen Büchern, die jemals gewesen, immer noch sind oder noch kommen werden, zu finden war, noch gefunden wird und jemals mag gefunden werden: wenn du all das in einem einzigen Buch lesen, es aus ihm verstehen und in dir behalten könntest?

Wie lieblich wäre es, wenn du so singen könntest, dass du, statt Steinfelsen, eitle Perlen und Edelsteine an dich zu bringen, statt wilde Tiere zu besänftigen, die Geister zu dir locktest und anstatt des höllischen Pluto, die Fürsten der Welt beeindrucktest und erregtest?

Oh, ihr Menschen! Gottes Rat ist ganz anders. Er hat beschlossen, die Zahl unserer Bruderschaft in dieser Zeit zu vermehren und größer zu machen, was wir denn auch mit der gleichen Freude auf uns genommen haben, mit der wir zu diesen großen Schätzen ohne unser Verdienst, ja, ohne dass wir darauf gehofft oder daran gedacht hätten, gekommen sind.

Und mit solcher Treue gedenken wir dies ins Werk zu setzen, dass uns auch das Mitleid und Erbarmen für unsere eigenen Kinder, die etliche von uns in der Bruderschaft haben, davon nicht abwenden soll, weil wir wissen, dass diese unverhofften Güter weder ererbt, noch zufällig erlangt werden.

5. Sollte nun aber jemand über unsere mangelnde Diskretion klagen, dass wir unsere Schätze so freigiebig und ohne Unterschied jedermann anbieten, und nicht vielmehr nur den Frommen, Gelehrten, Weisen oder gar hohen fürstlichen Personen, sondern auch dem gemeinen Mann, so wollen wir dem nicht widersprechen, zumal solches nicht eine schlechte und geringe Sache ist.

Wir sagen dazu nur soviel, dass unsere Arcana und Geheimnisse keineswegs allgemein bekannt gemacht werden, obwohl die Fama in fünf Sprachen herausgegangen ist und jedermann kundgetan wurde, denn wir wissen, dass die groben, unverständigen und stupiden Naturen sich ihrer nicht annehmen oder sehr davon bekümmert werden, und dass wir die Würdigkeit derer, die in unsere Bruderschaft aufgenommen werden, nicht aus menschlicher Erwägung, sondern nach der Regel unserer Erweckungen und Offenbarungen schätzen und erkennen.

Obschon also die Unwürdigen tausendmal schreien und rufen und sich uns tausendmal anbieten, hat Gott unseren Ohren geboten, dass sie keinen derselben hören sollen, ja, er hat uns mit seinen Wolken umgeben, dass uns, seinen Knechten, keine Gewalt angetan und zugefügt werden kann, weshalb wir auch von niemand, gesehen und erkannt werden können, er habe denn die Augen eines Adlers.

Zwar musste die Fama in eines jeden Muttersprache angefertigt werden, damit diejenigen nicht ausgeschlossen und dieser Wissenschaft beraubt würden, die – obwohl sie nicht gelehrt sind –, Gott dennoch nicht ausgeschlossen hat von der Glückseligkeit dieser Bruderschaft. Aber es sollen doch gewisse Grade unterschieden und abgeteilt werden, geradeso wie in der Stadt Damcar in Arabien, wo eine ganz andere politische Ordnung herrscht, als unter den anderen Arabern, weil nur weise und verständige Leute darin regieren, denen der König erlaubt hat, besondere Gesetze zu erlassen.

Nach diesem Beispiel – das uns unser christlicher Vater beschrieben hat –, soll auch das Regiment in Europa aufgestellt werden, wenn verrichtet und geschehen sein wird, das vorhergehen soll. Dann wird unsere Posaune mit hellem Schall und großem Geschrei öffentlich erschallen, wenn dasjenige, was jetzt von wenigen angedeutet und als Zukünftiges in Figuren und Bildern geheim vorgetragen wird, den ganzen Erdboden erfüllen und frei ausgerufen werden wird.

Einst hat die Tyrannei des Papstes viele gottselige Leute heimlich und ganz verzagt geärgert, aber er ist in Deutschland mit großem Ernst und besonderem Eifer vom Stuhl gestoßen und mit Füßen getreten worden. Sein endgültiger Untergang wird bis auf unsere Zeit aufgespart, auf dass er dann gleichsam mit den Nägeln zerkratzt und seinem Eselgeschrei durch eine neue Stimme ein Ende gemacht werden wird. Wir wissen, dass es vielen Gelehrten in Deutschland schon ziemlich offenbar und bekannt wurde, in dem Maße nämlich, wie ihre Schriften und heimlichen Gratulationen und Glückwünsche solches genugsam bezeugen.

6. Wir könnten hier leicht die ganze Zeit betrachten, die seit 1378, dem Jahr, in dem unser christlicher Vater geboren wurde, verflossen ist, und erzählen, was er die hundert und sechs Jahre seines Lebens über für Veränderungen in der Welt gesehen hat und unsern Brüdern, wie auch uns selbst nach seinem glückseligen Abschied zu erfahren überlassen hat.

Aber die Kürze, derer wir uns hier befleißigen müssen, erlaubt es diesmal nicht, es kann vielleicht ein andermal besser geschehen und ausgeführt werden. Für jetzt ist es genug für die, die unsere Erinnerung nicht verachten, dass wir in Kürze berührt haben, wodurch ihnen zu naher Verwandtschaft mit uns der Weg bereitet werden kann.

Doch wem es erlaubt ist, die großen Buchstaben und Zeichen, die Gott der Herr dem Gebäude des Himmels und der Erde eingeschrieben und durch die Veränderung der Regimente durch und durch erneuert hat, anzuschauen und zu seinem Unterricht zu gebrauchen, der ist schon für uns bereit, auch wenn es ihm selbst noch nicht bewusst sein mag. Und wir wissen, dass er unsere Berufung nicht verachten wird. Darum soll er keinen Betrug fürchten, denn wir verheißen und sagen öffentlich, dass keinen seine Aufrichtigkeit und Hoffnung betrügen soll, der unter dem Siegel der Verschwiegenheit sich bei uns melden und unsere Gemeinschaft begehren wird.

Den falschen Heuchlern aber und denen, die etwas anderes als Weisheit suchen, denen sagen und bezeugen wir hiermit öffentlich, dass wir ohne den Willen Gottes nicht offenbar gemacht und verraten werden können, viel weniger noch können wir ins Verderben gebracht werden. Sie aber werden der Strafe, die unsere Fama vermeldet, gewiss teilhaftig werden, sodass ihre gottlosen Anschläge nur sie selbst treffen. Unsere Schätze aber bleiben unberührt, bis dass der Löwe kommt (der Löwe von Juda), der dieselben für sich fordern, einnehmen, empfangen und zu seines Reiches Bestätigung anwenden wird.

7. Wir müssen demnach hier anmerken und jedermann zu verstehen geben, dass Gott beschlossen hat, der Welt vor ihrem Untergang, welcher bald erfolgen wird, noch rechtzeitig die Wahrheit, das Licht, das Leben und die Herrlichkeit zu offenbaren, da doch der erste Mensch, Adam, das Paradies verloren und verscherzt hat, wodurch seine Nachkommen mit ihm ins Elend verstoßen und vertrieben wurden.

Und mit dieser Offenbarung wird alle Knechtschaft, Falschheit, Lüge und Finsternis weichen und aufhören, die sich seither mit den Umwälzungen der Weltkugel in allen Künsten, Werken und Regierungen der Menschen eingeschlichen und dies Leben zum größten Teil verdunkelt hat.

Denn durch Adams Fall ist eine so unzählige Menge falscher Meinungen und Ketzereien entstanden, die auch den allerweisesten Leuten die Entscheidung und Wahl schwer gemacht haben. Denn sie wurden auf der einen Seite durch das Ansehen der Philosophen und gelehrter Leute, auf der anderen aber durch die Wahrheiten des Experimentes und der Erfahrung aufgehalten und irre gemacht. All diese Irrtümer aber werden dereinst aufgehoben, und wir werden erkennen, dass statt dessen eine richtige und sichere Regel eingeführt wurde. So wird zwar denen, die sich darum bemühten, der Dank gebühren, das ganze Werk aber wird allein der Glückseligkeit unseres Jahrhunderts zugeschrieben werden dürfen.

Wir bekennen gerne, dass viele vortreffliche Leute der zukünftigen Reformation mit Schriften nicht geringen Vorschub leisten und dass wir diese Ehre nicht uns selbst zuschreiben wollen, als wenn ein solches Werk uns alleine anbefohlen und auferlegt worden wäre. Vielmehr bekennen und bezeugen wir öffentlich mit dem Herrn Christus, dass sich eher die Steine aufwerfen und ihren Dienst anbieten, als dass es an Vollstreckern des göttlichen Rats mangeln wird.

8. Zwar hat Gott schon etliche Botschaften vorausgesandt, die seinen Willen bezeugten, wie z.B. einige neue Sterne, die am Himmel im Sternbild der Schlange und des Schwans erschienen sind. Sie geben als kräftige Zeichen zu erkennen und bezeugen, dass allen Dingen, die von Menschen erfunden werden, die heimlich-verborgenen Schriften und Strukturen dienlich sind. Sie bezeugen aber auch, dass, obwohl das große Buch der Natur allen Menschen offen steht, dennoch nur sehr wenige vorhanden sind, die dasselbe lesen und verstehen können.

Denn ebenso, wie dem Menschen zum Hören, Sehen und Riechen zwei Organe, zum Reden aber nur eines gegeben worden ist und man die Sprache von den Ohren, die Unterscheidung der Stimmen und Töne aber vergeblich von den Augen erwartet, ebenso sind Epochen oder Zeiten gewesen, die gesehen haben. Es gab auch Zeiten, die gehört, gerochen und geschmeckt haben. Nun bleibt noch übrig, dass in der verbleibenden kurzen Zeit auch der Zunge ihre Ehre gegeben werde, damit durch sie das, was man vor Zeiten gesehen, gehört und gerochen hat, nun endlich einmal ausgesprochen werde, – dann nämlich, wenn die Welt von ihrem schweren Schlaf aufwachen und der neu aufgehenden Sonne mit geöffnetem Herzen, entblößtem Haupt und nackten Füßen fröhlich und freudig entgegen gehen wird.

9. Solche Zeichen und Buchstaben, wie Gott sie da und dort der heiligen Bibel einverleibte, hat er auch dem wunderbaren Geschöpf des Himmels und der Erde, ja allen Tieren eingeprägt, sodass auf die gleiche Art wie ein Mathematiker und Sternseher die zukünftigen Finsternisse vorhersehen kann, wir die Merkwürdigkeiten und Verdunkelungen der Kirchenhändel und wie lange sie währen sollen und wann sie endlich abnehmen, erkennen können. Daraus erkennt man auch, welchen Buchstaben wir unsere magischen Schriften entlehnt und eine neue Sprache erfunden und zuwege gebracht haben, sodass es kein Wunder ist, dass wir in anderen Sprachen nicht so zierlich sind, von denen wir wissen, dass sie sich nicht mit unseres Vaters Adam und Henochs Sprache vergleichen lassen, vielmehr durch die babylonische Verwirrung ganz verschleiert wurden.

10. Da noch etliche Adlerfedern unserem Vorhaben im Wege stehen und hinderlich sind, ermahnen wir eindringlich zu fleißiger und immerwährender Lesung der heiligen Bibel, denn wer an ihr all sein Gefallen hat, soll wissen, dass er sich einen stattlichen Weg bereitet hat, um zu unserer Bruderschaft zu kommen.

Denn die ganze Summe und der Inhalt unserer Regel ist, dass kein Buchstabe in der Welt sei, der nicht wohl verstanden und beachtet werde. Daher sind diejenigen Menschen uns fast gleich und nahe verwandt, die das einzige Buch, die heilige Bibel, zur Regel ihres Lebens und zum Ziel und Zweck allen Studierens, ja zum Kompendium und Inhalt der ganzen Welt werden lassen, sodass sie ihren Sinn auf alle Zeiten und Alter der Welt anzuwenden und auszurichten wissen.

Denn unser Brauch ist es nicht, die heilige Schrift zu prostituieren und gemein zu machen, im Gegensatz zu unzähligen Auslegern, die sie nach ihrer eigenen Meinung deuten oder sie verspotten und boshafterweise einer wächsernen Nase vergleichen, die sowohl den Theologen, als auch den Philosophen, Medizinern und Mathematikern dienen könne. Im Gegensatz zu all diesen bezeugen und bekennen wir öffentlich, dass von Anfang der Welt an kein vortrefflicheres, besseres, wunderbareres und heilsameres Buch den Menschen gegeben wurde, als eben die heilige Bibel. Selig ist, wer sie hat, noch seliger, wer sie fleißig liest, am allerseligsten aber, wer sie studiert und recht versteht – der ist Gott am allerähnlichsten.

11. Was aber in der Fama von den Betrügern gegen die Verwandlung der Metalle und die höchste Medizin in der Welt gesagt wurde, das wollen wir so verstanden haben, dass diese so vortreffliche Gabe Gottes keineswegs von uns vernichtet oder verkleinert werde. Da sie jedoch nicht jederzeit die Erkenntnis der Natur mit sich bringt, wohl aber die Medizin und auch sonst unzählig viele andere Geheimnisse und Wunder eröffnet, ist es nur recht und billig, dass man sich am allermeisten befleißigt, den Verstand und die Wissenschaft der Philosophie zu erlangen.

Daher sollen vortreffliche Geister nicht eher zur Tinktur der Metalle angeleitet werden, als sie sich zuvor in der Erkenntnis der Natur wohl geübt haben. Der muss ja wohl ein unersättlicher Geizhals sein, der so weit gekommen ist, dass ihn keine Armut, kein Ungemach oder keine Krankheit treffen kann, ja, welcher höher als alle Menschen, erhaben über dasjenige herrscht, von dem andere Leute gequält, geängstigt und gepeinigt werden und der sich doch wieder nichtigen Dingen zuwendet, Häuser baut, Krieg führt oder sonst stolzieren will, weil ja von Gold und Silber eine unerschöpfliche Quelle vorhanden ist.

Gott hat es anders gefallen, denn er erhöht die Niedrigen, die Hoffartigen aber kränkt er mit Verachtung. Und den Stillen, die wenig Worte machen, schickt er die heiligen Engel, dass sie mit ihnen Zwiesprache halten, die unnützen Schwätzer aber verstößt er in die Wüste und Einöde. Und das ist der rechte Lohn für den römischen Verführer, der seine Gotteslästerung aus vollem Hals gegen Christus ausgespieen hat und das auch noch bei hellem Licht, dessen Greuel und abscheuliche Höllen in Deutschland alle entdeckt worden sind, und der dennoch von seinen Lügen nicht absteht, damit er das Maß seiner Sünden erfülle und rechtzeitig zur Strafe komme.

Deshalb wird einmal die Zeit kommen, da diese Otter schweigt und das dreifache Horn (die päpstliche Tiara) zunichte gemacht werden wird, worüber bei unserer Zusammenkunft eingehender und genauer verhandelt werden soll.

12. Zum Ende unseres Bekenntnisses müssen wir noch daran erinnern, dass man die meisten Bücher der falschen Alchimisten wegwerfen kann, die es für einen Scherz und eine Kurzweil halten, wenn sie entweder die heilige, hochgelobte Dreifaltigkeit zu unnützen Dingen missbrauchen oder mit wunderseltsamen Figuren und dunklen, verborgenen Reden die Leute betrügen und die Einfältigen um ihr Geld bringen. Viele solche Bücher sind jetzt herausgekommen und an den Tag gelangt, die der Feind menschlicher Wohlfahrt zu dem Zweck unter die guten Sachen mischt, dass man desto weniger der Wahrheit glaube, weil dieselbe schlicht, einfältig und bloß, die Lüge aber prächtig, stattlich, ansehnlich und mit einem besonderen Schein göttlicher und menschlicher Weisheit geschmückt ist.

Meidet und flieht solche Bücher, die ihr gewitzt seid, und wendet euch zu uns, die wir nicht euer Geld suchen, sondern unsere großen Schätze euch bereitwillig anbieten! Wir stellen euren Gütern nicht nach mit erdichteten, lügenhaften Tinkturen, sondern wir begehren, euch unserer Güter teilhaftig werden zu lassen. Wir reden nicht mit euch durch Sprichwörter, sondern wollen euch gerne zur schlichten und ganz verständlichen Auslegung, Erklärung und Wissenschaft aller Geheimnisse führen.

Wir begehren nicht von euch, auf- und angenommen zu werden, sondern wir laden euch zu unseren mehr als königlichen Häusern und Palästen, und das alles nicht aus eigenem Gutdünken, sondern – dass ihr es eben wisst – weil wir vom Geist Gottes bewegt, von Gott ermahnt und durch die Beschaffenheit der gegenwärtigen Zeit gezwungen werden.

13. Was meint ihr nun, liebe Leute, wie ist euch zumute, nachdem ihr nun versteht und wisst, dass wir uns zu Christus rein und lauter bekennen, den Papst verdammen, der wahren Philosophie zugetan sind, ein christliches Leben führen und zu unserer Gesellschaft noch viele andere, denen eben dieses Licht von Gott auch erschienen, täglich berufen, einladen und anbieten?

Glaubt ihr nicht – in Erwägung der Gaben, die in euch sind, und der Erfahrung, die ihr von Gottes Wort habt, und bei fleißiger Betrachtung der Unvollkommenheit aller Künste und vieler ungereimter Sachen in denselben –, dass ihr endlich mit uns anfangen solltet, nach der Verbesserung zu trachten, sich Gottes Werken zu ergeben und euch in die Zeit, in der ihr lebt, auf rechte Art zu schicken?

Fürwahr, wenn ihr das tut, wird euch euer Nutzen daraus erwachsen, sodass alle Güter, die die Natur an allen Orten der Welt wunderbar ausgestreut hat, euch zugleich miteinander verliehen und mitgeteilt werden. Und alles, was den menschlichen Verstand verdunkelt und dessen Wirkung verhindert, werdet ihr gar leicht ablegen und zusammen mit allen »Eccentricos und Epicyclos« [Exzentren und Epizyklen, die vor Kopernikus verwendet wurden, um die Planetenbewegungen aus geozentrischer Sicht zu erklären] aus der Welt schaffen können.

14. Die aber vorwitzig sind und entweder von dem Glanz des Goldes verblendet, oder – um es deutlicher zu sagen – jetzt zwar fromm, aber durch den unverhofften Zuwachs so vieler Güter leicht verderbt und dazu bewegt werden, sich in Müßiggang zu begeben und ein üppiges, übermütiges Leben zu führen, die bitten wir, uns mit ihrem unzeitigen Geschrei nicht unruhig zu machen. Sie sollen vielmehr Folgendes bedenken: Obschon eine Arznei vorhanden sein mag, die alle Krankheiten heilt, werden diejenigen, die Gott mit Krankheit plagen und hier unter den Ruten halten will, zu dieser Arznei nimmermehr kommen und gelangen.

So auch wir: Obwohl wir die ganze Welt reich und gelehrt machen und von unzähligem Jammer befreien können, werden wir doch nimmermehr einem Menschen ohne Gottes besondere Schickung offenbar und bekannt. Ja, mehr noch: Niemand kann uns ohne oder gegen den Willen Gottes finden und unserer Guttaten teilhaftig werden, und er wird eher das Leben im Suchen und Nachforschen verlieren, als dass er uns finde und zur gewünschten Glückseligkeit der Bruderschaft des Rosenkreuzes gelange.

Ins Neuhochdeutsche übertragen durch Lorenzo Ravagli

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