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Die himmlische Hierarchie


Dionysius Areopagita (geschrieben vor 476).

Übersetzung Joseph Stiglmayr, Bibliothek der Kirchenväter 1911

1. Kapitel

Widmung der Schrift an Timotheus.

Jede göttliche Erleuchtung strahlt in Güte in buntgebrochenem Lichte in die Gegenstände der Vorsehung und bleibt doch einfach. Aber noch mehr, sie bildet auch in den Wesen, in welche sie einstrahlt, das Eine heraus.

§ 1.

Der Presbyter Dionysius an den Mitpresbyter Timotheus. [1]

Jede göttliche Eingebung tritt aus Güte in buntgebrochenem Lichte in die der Vorsehung unterstellte Welt hervor und bleibt doch einfach. Aber noch mehr, sie bildet auch die Wesen, in welche sie einstrahlt, ins Eine um.

§ 1.

Gleich allen Gaben Gottes steigt auch der Strahl göttlicher Erleuchtung vom Vater hernieder; er fährt aber auch hinwieder zu der einen Quelle empor und bewirkt Einheit und Ähnlichkeit mit Gott.

Jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk kommt von oben, indem es vom Vater der Lichter herabsteigt [2]. Aber jedes Hervortreten der vom Vater erregten Lichtaustrahlung, welche gütig verliehen zu uns  dringt, führt uns auch hinwieder als eine in Eins gestaltende Kraft aufwärts und vereinfacht uns und wendet uns wieder zur Einheit des Vaters, der vereinigt, und zu seiner vergottenden Einfachheit zurück. Denn aus ihm und zu ihm hin ist alles, wie das heilige Wort sagt [3].

§ 2.

1) Unter Anrufung Jesu möge man an das Studium der heiligen Schriften herantreten, um aus ihnen Erkenntnisse über die himmlischen Geister zu schöpfen.

2) Das geistige Schauen auf die Lichtergießung des Vaters soll uns dann von dem Anblick der sinnfälligen Abbilder hinweg zu dem einfachen Strahl (der Offenbarung) emporheben.

3) Wenn dieser Strahl auch, um die der Vorsehung unterstehenden Wesen in Eins zu gestalten und mit sich zu vereinigen, in eine Vielheit austritt, so verharrt er doch in seiner Einheit und gliedert sich seine Adepten einheitlich ein.

4) Nur auf diese Weise, wenn der göttliche Strahl, durch mannigfache Hüllen verdeckt, für unsere (geistig-sinnliche) Natur moderiert ist, kann er uns aufleuchten.

Laßt uns also Jesus anrufen, das Licht des Vaters, das wirkliche, wahrhafte Licht, welches einen jeden Menschen erleuchtet, der in die Welt kommt [4], durch welchen wir den Zutritt zum Vater, dem Urquell des Lichtes, erlangt haben, und so dann zu den von den Vätern überlieferten, in den heiligsten Schriften enthaltenen Erleuchtungen nach Möglichkeit emporblicken. Die von ihnen auf sinnbildlichem und anagogischem Wege uns geoffenbarten Hierarchien der himmlischen Geister wollen wir, soweit es in unserer Macht liegt, zu schauen suchen, die ursprüngliche und überursprüngliche Lichtergießung des urgöttlichen Vaters (welche uns die seligsten Hierarchien der Engel in bildlich geformten Zeichen offenbart), mit immateriellen und zuckungsfreien Augen des Geistes aufnehmen und dann hinwieder von ihr aus zu ihrem einfachen Strahl uns erheben [5]. Denn dieser selbst verliert ja auch nie etwas von der ihm eigenen einheitlichen Einfachheit [6], während er sich zum Zwecke der anagogischen und einigenden Anpassung an die von der Vorsehung geleiteten Wesen vervielfältigt und (zu ihnen) austritt. Er bleibt vielmehr innerhalb seiner selbst in unbeweglicher Selbstgleichheit unerschütterlich und dauernd fest und zieht diejenigen, welche geziemend zu ihm emporblicken, ihrer Natur entsprechend (zu sich) empor und gestaltet vermöge seiner (eigenen) Wesenseinheit, die eine vereinfachende Kraft besitzt, auch in ihnen das Eine. Denn es ist gar nicht möglich, daß der urgöttliche Strahl in uns hereinleuchte, es sei denn, daß er durch die bunte Fülle der heiligen Umhüllungen, welche einen höhern Sinn enthalten, verdeckt und in väterlicher Fürsorge unseren Verhältnissen naturgemäß und entsprechend angepaßt sei.

§ 3.

1) Die Rücksichtnahme auf unsere geistig-sinnliche Natur hat Gott bestimmt, unsere „kirchliche Hierarchie“ nach demselben Grundgesetze zu gestalten wie die „himmlische Hierarchie“, daß wir nämlich im Sinnfälligen das Unsichtbare erfassen.

2) Unser Erkenntnisvermögen ist zunächst auf die wahrnehmbaren Erscheinungen der Sinnenwelt, auf sichtbare Kultformen angewiesen, um sich ihrer als einer handgreiflichen Leitung zu bedienen und so die Engelwelt nachzuahmen.

3) Weil wir der himmlischen Hierarchie im heiligen (liturgischen) Dienst zugesellt sein sollen, sofern wir eine Nachbildung ihres himmlischen Priestertums darstellen, deshalb hat Gott in der Bildersprache der heiligen Schriften die Engel unserem Vorstellungsvermögen nahe gebracht, damit wir vom Sinnlichen zum Geistigen aufsteigen können.

Deshalb hat auch die heilige Satzung, welche dem Urquell aller Weihen entstammt, unsere heiligste (kirchliche) Hierarchie in der Form gewährt, daß sie dieselbe einer überweltlichen Nachahmung der himmlischen Hierarchie würdigte und diese eben erwähnten immateriellen Hierarchien in materiellen Gestalten und zusammengesetzten Gebilden auf mannigfach verschiedene Weise darstellte [7]. Wir sollen nämlich unserer eigenen Natur entsprechend von den heiligsten Gebilden aus zu den einfachen und bildlosen Aufschwüngen und Verähnlichungen erhoben werden. Denn es ist unserm Geiste gar nicht möglich, zu jener immateriellen Nachahmung und Beschauung der himmlischen Hierarchien sich zu erheben, wofern er sich nicht der ihm entsprechenden handgreiflichen Führung bedienen wollte. Und diese findet er darin, daß er die in die äußere Sichtbarkeit tretenden Schönheiten als Abbilder der unsichtbaren Herrlichkeit studiert, darin daß er die sinnlich wahrnehmbaren Wohlgerüche als Typen der geistigen Ausstrahlung und die materiellen Lichter als ein Sinnbild der immateriellen Lichtergießung betrachtet; darin daß er die ausführlichen heiligen Lehrvorträge als einen Widerhall der geistigen, in Beschauung gewonnenen Befriedigung, die Rangstufen der irdischen (kirchlichen) Ordnungen als einen Abglanz des harmonischen und wohlgeordneten Verhältnisses zum Göttlichen, die Teilnahme an der göttlichen Eucharistie als eine Darstellung der Gemeinschaft mit Jesus erkennt [8]. Und das Gleiche gilt von allen übrigen Dingen, welche den himmlischen Naturen auf eine überweltliche, uns aber auf eine symbolische Weise gewährt sind.

Um dieses uns entsprechenden Weges der Vergöttlichung willen offenbart uns die menschenfreundliche Urquelle aller Weihe die himmlischen Hierarchien und vollendet unsere Hierarchie durch die möglichst treue Verähnlichung mit dem gottähnlichen Priestertum jener zur Mitgenossin im heiligen Dienste [9]. Das also ist der Grund, weshalb sie uns die überhimmlischen Geister in sinnlisch wahrnehmbaren Bildern durch die mit heiligem Griffel in den heiligen Schriften gezeichneten Umrisse dargestellt hat, um uns so vermittels des Sinnlichen zum Geistigen und von den heilig umrissenen Sinnbildern aus zu den einfachen Höhenspitzen der himmlischen Hierarchien emporzuführen.

2. Kapitel

Das Göttliche und Himmlische wird geziemend auch durch die nicht ähnelnden Sinnbilder veranschaulicht.

§ 1.

Das Göttliche und Himmlische wird geziemend auch durch die nicht ähnelnden Sinnbilder veranschaulicht.

§ 1.

1) Angabe der Disposition: Zweck der Hierarchie, ihre Vorteile, die himmlischen Chöre selbst, die plastischen Darstellungsmittel für dieselben, Abwehr von körperlichen, groben Vorstellungen, zu welchen die bildlichen Ausdrücke der heiligen Schrift, welche von Füßen, Angesichtern der Engel spricht und sie unter dem Bilde von Stieren, Löwen, Adlern, Vögeln u. s. w. darstellt, Anlaß geben könnten.

2) Nur mit Rücksicht auf uns hat uns Gott diese in Sinnbildern verhüllten Aufschlüsse über die Engelwelt gegeben.

Nun denn müssen wir, denke ich, zunächst darlegen, was wir als Ziel jeder Hierarchie erachten und welchen Nutzen jegliche ihren Mitgliedern bringt; darnach haben wir die himmlischen Hierarchien nach ihrer Offenbarung in den heiligen Schriften zu schildern. Im Anschluß daran müssen wir dann zeigen, in welche heilige Gestalten die heiligen Beschreibungen der Schrift die himmlischen Ordnungen einkleiden und zu welcher Einfachheit man durch die (körperhaften) Gebilde erhoben werden soll, damit wir nicht auch gleich der (ungebildeten) Menge die unheilige Auffassung teilen, als wären die himmlischen und gottähnlichen Geister Wesen mit vielen Füßen und vielen Gesichtern und sie seien nach der tierischen Figur von Stieren oder nach der Raubtiergestalt von Löwen gebildet, oder sie seien nach dem Bilde der Adler mit einem Krummschnabel oder wie die (kleineren) Vögel mit einem struppigen Gefieder ausgestattet; damit wir nicht (sage ich), uns einbilden, es liefen da gewisse feurige Räder über den Himmel und es seien da Throne aus irdischem Stoff, welche der Urgottheit zum Zurücklehnen dienen, und es gäbe gewisse buntscheckige Pferde und speertragende Kriegsoberste und was sonst alles von der Schrift in heiliger Plastik durch die bunte Fülle der bedeutungsreichen Sinnbilder uns überliefert ist [10]. Denn ganz natürlich hat sich die Offenbarung bei den gestaltlosen Geistern der dichterischen heiligen Gebilde bedient, weil sie, wie gesagt, auf unser Erkenntnisvermögen Rücksicht nahm und für die ihm entsprechende und naturgemäße Emporführung Fürsorge trug und in Anpassung an dasselbe die anagogischen heiligen Darstellungen aufbildete [11].

§ 2.

1) Einwand: Bildliche Bezeichnungen für geistige Dinge sind zwar nicht zu verwerfen, aber der Bilderapparat der heiligen Schrift ist ungeziemend; sie sollte wenigstens geistig entsprechendere und naturgemäß edlere Anschauungsmittel gebrauchen. Nicht zu billigen ist es, wenn die Schrift zu den niedrigen Vergleichungen herabsteigt, wodurch die himmlischen Geister beleidigt, wir selbst in Irrtum geführt und mit unwürdigen Vorstellungen erfüllt werden.

2) Antwort: Es offenbart sich gerade in dieser Redeweise der Schrift eine heilige Umsicht; weder wird ein Frevel an den Himmlischen begangen noch eine niedrige Auffassung befördert. Dadurch wird vielmehr unserem sinnlich-geistigen Erkenntnisvermögen Rechnung getragen und die schützende Verhüllung der ehrwürdigen Geheimnisse entzieht sie unheiligen Blicken.

3) Zweiter Einwand: Aber es sind doch häßliche Dinge, deren man sich schämt, unter diese Bilder gemischt.

4) Antwort: Es ist eine zweifache Art dieser geheimnisvollen Offenbarung zu unterscheiden.

Aber wie, wenn nun jemand damit einverstanden ist, die heiligen figürlichen Darstellungen zwar gelten zu lassen, weil das an sich Einfache unerkennbar und unsichtbar ist, aber doch der Meinung ist, die bildlichen Beschreibungen der heiligen Geister, welche in den heiligen Schriften enthalten sind, seien unpassend und überhaupt sei, so zu sagen, dieser ganze Apparat der Engelnamen absonderlich, und wenn er sagt, die Verfasser der inspirierten Schriften müßten, wenn sie an die körperhafte Darstellung ganz körperloser Dinge herantreten, sie in entsprechenden und nach Möglichkeit naturverwandten Formen aufbilden und offenbaren, indem sie diese Formen von den bei uns geehrtesten und sozusagen stofflosen und höherstehenden Wesen entnehmen, nicht aber die Wesen von himmlischer und gottähnlicher Einfachheit mit dem gemeinsten Gestaltenreichtum, wie er auf Erden zu treffen ist, umkleiden? Das eine Verfahren müßte einerseits nämlich eine stärkere erhebende Kraft für uns besitzen und würde die überweltlichen Offenbarungen nicht zu den unpassenden Unähnlichkeiten herabziehen. Das andere Verfahren aber versündige sich sowohl frevelhaft an den göttlichen Mächten und führe auch gleichermaßen unsern Geist in die Irre, da dasselbe sich auf die unheiligen Bildungen stütze. Und leicht wird er auch glauben, die überhimmlischen Regionen seien mit Löwen- und Pferdeherden und mit einem Hymnengesang von Rindergebrüll und mit einem Reich der Vogelwelt und anderen Tieren und noch unansehnlicheren Dingen erfüllt, welche in den ganz und gar unähnlichen Vergleichen der heiligen Schriften, die doch zur Aufklärung dienen sollen, geschildert werden, indem sie zum Unpassenden, Falschen und Sinnlichen herabgleiten.

Aber die Erforschung der Wahrheit zeigt, wie ich denke, die heiligste Weisheit der Schriften, welche bei der bildlichen Darstellung der himmlischen Geister nach beiden Seiten gute Fürsorge trifft, daß wir weder gegen die göttlichen Mächte, wie einer sagen möchte, freveln, noch daß wir uns sinnlich an den Erdenstaub und die Gemeinheit der Bilder heften. Denn für die Behauptung, daß mit Fug und Recht die Bilder vor das Bildlose und die Gestalten vor das Gestaltlose gewoben sind, möchte einer nicht bloß die uns eigentümliche analoge erkenntnisweise als Grund anführen, welche nicht im Stande ist, zu den geistigen Betrachtungen sich unmittelbar zu erheben und vielmehr geeigneter, naturgemäßer Emporführungsmittel bedarf, welche in den uns fassbaren Gebilden die gestaltlosen und das Natürliche übersteigenden Erkenntnisse verschleiert bieten, sondern auch diesen weiteren Grund, daß dieses Verfahren den geheimnisvollen (heiligen) Schriften am besten ziemt, daß sie nämlich in geheimen und heiligen Rätselworten verborgen werden und daß für die große Menge die geheime und heilige Wahrheit über die überweltlichen Geister unzugänglich gemacht wird. Denn nicht jeder ist heilig und nicht aller ist, wie die Schrift sagt, die Erkenntnis [12]. Wenn aber jemand die unpassenden Bildzeichnungen anschuldigen wollte, indem er sagte, man müsse sich schämen, so häßliche Gestaltungen unter die gottähnlichen und heiligsten Ordnungen (des Himmels) zu mischen, so genügt für ihn die Antwort, daß die Art und Weise der (bildlichen) Offenbarungen eine doppelte ist.

§ 3.

1) Die eine Art der Offenbarung bedient sich der homogenen Bilder, wie „Logos“, „Verstand“ u. s. w., die andere aber der ganz unähnlichen und unpassenden Typen.

2) Wieder andere Bezeichnungen sind „Licht“ und „Leben“, welche allerdings mehr immaterielle Dinge besagen, aber gleichwohl nicht eine genügende Vorstellung von der über alles erhabenen Gottheit vermitteln.

3) An andern Stellen wird die Gottheit vermittels Negationen der betreffenden Ähnlichkeiten geschildert, z. B. „unsichtbar“, „unendlich“ u. s. w. Und diese Form der Prädizierung ist bei Gott passender, weil wir wahrheitsgemäß sagen, daß Gott nicht etwas nach Art der Dinge sei.

4) Sind demnach die verneinenden Aussagen (ἀποφάσεις) über Gott den bejahenden (καταφάσεις) vorzuziehen, so ist auch die Offenbarung durch die unähnlichen Darstellungsformen die angemessenere. Gerade die krasseren Einkleidungen erinnern an die Erhabenheit der himmlischen Geister und fügen ihnen keine Unehre zu. Desgleichen wohnt den stofflicheren Bildern eine stärkere Kraft inne, uns zum Geistigen zu erheben, denn an den edleren Gestalten würde man leichter hängen bleiben und für buchstäblich nehmen, was nur metaphorisch gemeint ist.

4) Um solchen Irrtum zu verhüten, läßt sich die Schrift zu den niedrigeren Vergleichungen herab und scheucht uns von einem Verbleiben bei denselben hinweg.

5) Übrigens ist kein Ding gänzlich von der Anteilnahme am Schönen ausgeschlossen.

Die eine Art (der Offenbarung) nun nimmt, wie es sich geziemt, ihren Weg durch die ähnlichen, heilig geformten Bilder, die andere durch die unähnlichen Gestaltungen und formt diese in einer Weise, daß sie ganz ungeziemend und unpassend erscheinen. Bekanntlich bezeichnen die mystischen Überlieferungen der Offenbarungsschriften die verehrungswürdige Seligkeit der überwesentlichen Urgottheit an den einen Stellen als Logos und Nus und Usie (Wort, Geist und Wesen), um die göttliche Vernunft und Weisheit, sowie die wahrhaft seiende Existenz Gottes und die wahre Ursache der Existenz von allem, was ist, zu offenbaren. Und auch als Licht stellen sie die Urgottheit dar und benennen sie als Leben, figürliche, heilige Bezeichnungen, welche zwar ehrwürdiger sind und über die stofflichen Gestaltungen in gewisser Weise erhaben zu sein scheinen, aber auch so hinter einer wirklichen Ähnlichkeit mit der Urgottheit zurückbleiben. Denn sie ist über jegliche Wesenheit und jegliches Leben entrückt, kein Licht gibt es, das sie kennzeichnen mag, gar kein Gedanke (λόγος) und gar kein Verstand (νοῦς) ist mit ihr zu vergleichen und reicht an eine Ähnlichkeit mit ihr heran.

Andern Orts wird sie aber auch von ebendenselben Schriften mit Prädikaten negativer Art überweltlich gefeiert, wenn sie dieselbe nämlich als Unsichtbares, Unermeßliches, Unbegrenztes bezeichnen und das hervorheben, woraus nicht abzunehmen ist, was sie ist, sondern, was sie nicht ist. Denn das ist meines Erachtens ihr gegenüber auch mehr berechtigt, weil wir, wie die geheime und priesterliche Überlieferung nahe legte, in Wahrheit sagen, daß die Gottheit nicht nach Art eines der bestehenden Dinge existiere, daß wir aber ihre überwesentliche, unerkennbare und unaussprechliche Unbegrenztheit nicht kennen. Wenn also die verneinenden Aussagen in Bezug auf das Göttliche wahr, die bejahenden dagegen unzutreffend sind, so ist dem Dunkel der unaussprechlichen Dinge die Offenbarung vermittels der unähnlichen Gebilde in dem Gebiet des Unsichtbaren mehr angemessen [13]. Mithin erweisen auch die heiligen bildlichen Züge der Schriften den himmlischen Ordnungen nur Ehre und fügen ihnen keine Schmach zu, wenn sie dieselben vermittels unähnlicher Gestaltungen offenbaren und eben dadurch sie über alles Stoffliche überweltlich erhaben darstellen.

Daß aber auch die unpassenden Vergleichungen unsern Geist besser emporheben, das, denke ich, wird kein Verständiger in Abrede stellen. Denn es ist natürlich, daß man bei den ehrenvolleren heiligen Bildern auch abirre und auf die Meinung kommt, es seien die himmlischen Wesen sozusagen goldartige Männer, lichtgestaltet, funkelnd, von herrlicher Schönheit, in schimmerndes Gewand gekleidet und ohne zu schaden feurig blitzend, oder irgendwelche ähnlich gebildete Figuren, in welchen sonst noch die Offenbarung die himmlischen Geister äußerlich dargestellt hat. Um nun diejenigen, welche keine höhere Schönheit kennen als die äußerlich erscheinende, vor diesem Fehler zu bewahren, läßt sich die anagogische Weisheit der heiligen Verfasser der Offenbarungsschriften auch zu den unpassenden Unähnlichkeiten heilig herab und duldet nicht, daß der sinnliche Teil in uns an den unedlen Bildern haften bleibe und in ihnen ruhe. Sie regt vielmehr das Höhere der Seele an und stachelt sie durch die Mißgestalt der entworfenen Bilder auf, da es ja selbst den ganz fleischlichen Menschen nicht zulässig und wahr zu sein scheint, daß diesen so häßlichen Dingen die überhimmlischen und göttlichen Erkenntnisobjekte in Wirklichkeit ähnlich sind. Übrigens muß man auch den Umstand in Betracht ziehen, daß nicht einmal ein einziges der bestehenden Dinge der Teilnahme am Guten ganz und gar beraubt ist; da ja, wie die Wahrheit der Schrift sagt, „alles überaus gut ist“ [14].

§ 4.

1) Man kann aus allen materiellen Dingen geistige Anschauungen gewinnen und ihnen die „unähnlichen Ähnlichkeiten“ (scheinbar widersprechende Vergleichungen) entnehmen.

2) Auf andere Weise kommen die betreffenden Prädikate den geistigen, auf andere den körperlichen Dingen zu. Erläuterung durch vier Beispiele: Zorn, Begierde, Unbändigkeit, Vernunft- und Empfindungslosigkeit.

3) Selbst aus den niedrigsten Teilen der Materie kann man passende Bilder für die himmlischen Geister formen, denn auch sie hat ihr Dasein von dem wahrhaft Guten und ein Echo der geistigen Harmonie und Schönheit klingt aus allen ihren Bereichen wider.

4) Solche Bilder können uns zu den immateriellen Urtypen erheben, vorausgesetzt, daß die betreffenden Ähnlichkeiten anders für das Geistige, anders für das Sinnfällige aufgefaßt werden.

Man kann also aus allem schöne (geistige) Anschauungen ersinnen und sowohl für die hohen wie für die höchsten Geister (νοητοῖς τε καὶ νοεροῖς) aus dem Gebiet der Materie die erwähnten sogenannten „unähnlichen Ähnlichkeiten“ entnehmen. Natürlich besitzen die geistigen (erkennenden) Wesen das in anderer Weise, was den sinnlich wahrnehmbaren verschieden von jenen zugeschrieben ist. Der Zornesmut z. B. liegt in der Natur der vernunftlosen Tiere infolge eines leidenschaftlichen Antriebes und ihre Zorneserregung ist jeglicher Unvernunft voll. Bei den geistbegabten Naturen aber muß man die Eigenschaft des Zornes (τὸ θυμικόν) auf andere Weise verstehen, denn sie bezeichnet meines Erachtens ihre männlich entschiedene Verständigkeit und ihre unerschütterliche Haltung in den gottentsprechenden und unveränderlichen Bestimmungen [15]. Desgleichen sagen wir von der Begierde, sie sei bei den vernunftlosen Tieren eine aller Umsicht bare, materielle Affektion, welche aus einem angebornen Triebe oder aus Gewöhnung im Wechsel der veränderlichen Dinge ungebändigt auftritt; die Begierde sei die vernunftlose Übermacht des körperlichen Verlangens, welches das ganze Lebewesen zu dem sinnlich begehrenswerten Gut hinstößt. Wenn wir dagegen die „unähnlichen Ähnlichkeiten“ den geistig erkennenden Wesen beilegen und ihnen Begierde zuschreiben, so müssen wir dabei an die göttliche Liebe zum Geistigen, welche über Gedanke und Verstand erhaben ist, und an die unbeugsame, nie erschlaffende Sehnsucht denken, welche nach der überwesentlich lauteren und leidenschaftslosen Beschauung und nach der wahrhaft ewigen und geistigen Gemeinschaft mit jener reinen und höchsten Klarheit und mit jener untrügerischen, verklärenden Schönheit gerichtet ist. Die Unbändigkeit dürften wir verstehen als das Straffe und Unentwegte (der Engelnaturen), das durch nichts gebrochen werden kann, weil ihre Liebe zur göttlichen Schönheit ungetrübt und unveränderlich ist und weil sie ganz und gar dem wahrhaft Begehrenswerten zugewandt ist. Aber auch selbst die Vernunftlosigkeit und Empfindungslosigkeit nennen wir zutreffend bei den unvernünftigen Tieren oder den leblosen Körpern Mangel der Vernunft und der Empfindung, bei den immateriellen und intellektuellen Wesen dagegen anerkennen wir ehrfürchtig (mit solchem Ausdruck) die ihnen als überweltlichen Geistern zukommende Erhabenheit über unser diskursives und von der Materie abhängiges Denkvermögen und über das körperliche, den körperlosen Geistern fremde Empfindungsvermögen. Man kann also für die himmlischen Wesen auch aus den niedrigsten Elementen der Materie Gestalten formen, welche nicht unpassend sind. Denn auch die Materie hat ihr Dasein von dem wahrhaft Schönen und besitzt durch alle Reiche ihrer Stoffwelt hindurch gewisse Nachklänge der geistigen Schönheit [16]. Vermittels derselben vermag man sich zu den immateriellen Urbildern zu erheben, vorausgesetzt, daß man, wie gesagt, die Ähnlichkeiten nicht als ähnlich nehme und dieselben nicht auf ein und dieselbe Weise, sondern in entsprechendem Einklang mit den geistigen und sinnfälligen Eigenschaften bestimmt.

§ 5.

1) Eine solche Bildersprache gebrauchten die inspirierten Schriftsteller nicht bloß, um die Engelordnungen zu schildern, sondern auch um Offenbarungen über Gott zu vermitteln.

2) Dreierlei Arten dieser Bilder kann man unterscheiden; sie sind entnommen erstens von glänzenden Dingen, wie der Sonne u. s. w., zweitens von Gegenständen mittleren Ranges, wie dem Feuer, drittens von den untersten Gebieten, wie Salben und Steinen, selbst vom Tierreich, wie Löwen u. s. w., ja sogar von Würmern.

3) Auf diese Weise erreichen die heiligen Schriften einen dreifachen Zweck: erstens entrücken sie das Allerheiligste den Uneingeweihten; zweitens verwehren sie uns an den Bildern als vermeintlich wahren hängen zu bleiben; drittens lehren sie, daß die verneinenden Prädikate über Gott und die disparaten Nachbildungen mit ihrem schwächsten Nachhall des Göttlichen ehrenvoller für Gott sind. Mithin sind die Bilder auch für die Engel zulässig.

4) Der Verfasser bekennt von sich selbst, daß ihn gerade die Dissonanz in diesen Vergleichen zu eindringenderem Studium angespornt, von den abstoßenden Gestalten hinweggescheucht und an geistige Auffassung gewöhnt habe.

5) Nach der Rechtfertigung der „hylischen“ Vergleiche will er sich anschicken, das Wesen der Hierarchie und ihren Nutzen zu erklären.

6) Daran schließt sich die Bitte an „seinen Jesus“, ihm als Wegweiser voraufzugehen, und die ernste Mahnung an den Empfänger der Schrift, den Bischof Timotheus, die nachfolgenden Lehren einerseits zur eigenen Heiligung ehrerbietig zu vernehmen, andrerseits sie vor den Unheiligen geheim zu halten.

Die mystischen Verfasser der inspirierten Schriften kleiden nicht bloß, wie wir finden werden, die Offenbarungen über die himmlischen Ordnungen (Chöre) heilig in diese Bilder ein, sondern bisweilen sogar auch die Mitteilungen über die Urgottheit. Bald gehen sie bei deren Schilderung von den glänzenden äußeren Erscheinungen aus, wenn sie dieselbe z. B. Sonne der Gerechtigkeit [17], den Morgenstern, der heilig im Geiste aufsteigt [18], das Licht, welches unverhüllt und geistig herniederstrahlt [19], nennen. Bald bedienen sie sich der mittleren Gattung (der sinnlich wahrnehmbaren Gegenstände) und reden von der Gottheit als dem Feuer, das leuchtet ohne zu schaden [20], als von dem Wasser, das die Fülle des Lebens spendet und, um sinnbildlich zu sprechen, in den Leib eintritt und unerschöpflich fortquellende Ströme (des Lebens) ergießt [21]. Dann hinwieder nehmen sie die niedrigsten Dinge zum Ausgangspunkt, wie z. B. die wohlriechende Salbe [22] oder den Eckstein [23]. Ja sogar Tiergestaltung wenden sie auf sie an, legen ihr die Eigenart des Löwen [24] und Panthers [25] bei und sagen, sie werde ein Pardel [26] und eine der Jungen beraubte Bärin [27] sein. Ich will auch noch hinzufügen, was niedriger und ungeziemender als alles andere zu sein scheint, daß nämlich die in göttlichen Dingen bewanderten Männer uns von der Gottheit überliefert haben, daß sie sich selbst die Gestalt eines Wurmes beilegt [28].

Auf diese Weise entrücken alle Gotteskundigen und Ausleger der geheimen Inspiration „das Heilige des Heiligen“ (Sancta sanctorum) unberührbar den Uneingeweihten und Unheiligen und halten jene abweichende heilige Gestaltenbildung hoch, damit weder das Göttliche den Profanen leicht in die Hände falle, noch die eifrigen Beschauer der heiligen Bilder an den Typen hängen bleiben, als ob diese in sich wahr wären. Der weitere Zweck ist, daß das Göttliche durch die negativen Aussagen und durch die disparaten Anähnelungen, welche sogar bis an die äußerste Grenze des entsprechenden Nachhalls gehen, geehrt werde. Und so ist es also gar nicht ungereimt, wenn die heiligen Schriften auch für die himmlischen Wesen aus den widersprechenden unähnlichen Ähnlichkeiten wegen der erwähnten Gründe bildliche Züge entnehmen.

Auch wir selbst ja würden vielleicht nicht aus dem Zweifel heraus zur Erforschung, nicht durch genaue Untersuchung der heiligen Probleme zum höheren Sinn vorgedrungen sein, wenn uns nicht das Abstoßende der bildlichen Offenbarung über die Engel aufgeschreckt hätte. Es ließ unseren Geist nicht bei den disharmonischen Bildungen verweilen, sondern reizte uns, die materiellen Affektionen in Abrede zu stellen und gewöhnte uns heilig daran, vermittels der äußeren Erscheinungen zu den überweltlichen Erhebungen uns zu erschwingen [29]. Soviel also soll von uns wegen der materiellen und unpassenden bildlichen Darstellungen, welche die heilige Schrift als Engelgestalten bietet, vorausgeschickt sein.

Nunmehr aber müssen wir bestimmen, was wir als das Wesen der Hierarchie selbst betrachten und welchen Nutzen von eben dieser Hierarchie diejenigen gewinnen, welche Anteil an ihr erlangt haben. Den Gang der Abhandlung möge Christus leiten, mein Christus wenn ich so reden darf, dessen Inspiration alle Offenbarung über die Hierarchie zu verdanken ist. Du aber, mein Sohn, höre gemäß der heiligen Satzung, welche hinsichtlich unserer hierarchischen Überlieferung besteht, für deine Person ehrfurchtsvoll den heiligen Vortrag und werde über der Einweihung in die gotterfüllten Geheimnisse selber gotterfüllt, vor der unheiligen Menge aber bewahre das Heilige, das ja eingestaltig ist, in der Verborgenheit des Geistes. Denn es ist nicht erlaubt, wie die Schrift sagt, die ungetrübte, lichtglänzende und verschönernde Zier der geistigen Perlen vor die Schweine zu werfen [30].

3. Kapitel

Das Wesen der Hierarchie und ihr Nutzen.

§ 1.

Das Wesen der Hierarchie und ihr Nutzen.

§ 1.

1) Hierarchie ist ihrem Wesen nach eine heilige Stufenordnung, Wissenschaft und Wirksamkeit, welche Verähnlichung mit Gott auf dem Wege der Erleuchtung bezweckt.

2) Die göttliche Urschöne, an sich allerdings durchaus einfach und unnahbar, teilt von dem eigenen Lichte nach Gebühr jedem mit, um ihn nach sich umzugestalten und zu vollenden.

Die Hierarchie ist nach meiner Ansicht eine heilige Stufenordnung, Erkenntnis und Wirksamkeit [31]. Sie will nach Möglichkeit zur Ähnlichkeit mit der Gottheit führen und gemäß den ihr von Gott verliehenen Erleuchtungen in entsprechendem Verhältnis zum Nachbilde Gottes erheben. Die Gott eigene Schönheit ist, soferne sie einfach, gut, Urquell aller Vollendung ist, allerdings durchaus jeder Unähnlichkeit (jedem ihr fremdartigen Zuge) unnahbar entrückt, sie will aber von ihrem eigenen Lichte jedem nach dessen Würdigkeit mitteilen und ihn durch göttlichste Weihevollendung vollkommen machen, indem sie die Jünger der Vollkommenheit harmonisch nach ihrer Unveränderlichkeit gestaltet.

§ 2.

1) Zweck der Hierarchie ist Verähnlichung und Vereinigung mit Gott, welche dadurch erreicht wird, daß die Glieder der Hierarchie unverwandt auf Gottes Schönheit schauen und zu Gottesbildern, zu Spiegeln werden, welche aus dem Urquell des Lichtes den göttlichen Strahl aufnehmen und neidlos auf die tieferstehenden Ordnungen weiterstrahlen.

2) Hiebei herrscht ein strenges Gesetz: die Träger der Weihegewalten (τελεσταί) und die Empfänger der Weihen (τελούμενοι) dürfen nie gegen die Bestimmungen Gottes handeln und in gar keinem Widerspruch mit ihnen stehen, wenn sie, anders nach dem Glanze Gottes begehren und darnach sich umbilden wollen.

3) Das Wort „Hierarchie“ bezeichnet also eine heilige Institution, ein Abbild der göttlichen Schönheit, welches in abgestuften Ordnungen und Erkenntnissen die Geheimnisse der ihm gewordenen Einstrahlung auswirkt.

4) Die Vollendung besteht in der entsprechenden Erhebung zum Nachbilde Gottes und — was das Allergöttlichste ist — in der Teilnahme an der Wirksamkeit Gottes.

5) Weil die hierarchische Ordnung die aktive und passive Seite der Reinigung, Erleuchtung und Vollendung umfaßt, so wird auch jedem Mitglied der himmlischen Hierarchie nach beiden Beziehungen das Bild Gottes zuteil werden

6) Das Wesen der Gottheit duldet keine Vermischung mit etwas Fremdartigem, wirkt aber doch in den Geschöpfen Reinigung, Erleuchtung und Vollendung, ist selbst alles dieses oder vielmehr über alles dieses erhaben und der subsistierende Urquell aller Weihe und Vollendung [32].

Zweck der Hierarchie ist also die möglichste Verähnlichung und Einswerdung mit Gott. Hiebei hat sie ihn selbst zum Lehrmeister in jeglicher hierarchischen Erkenntnis und Wirksamkeit blickt zu seiner göttlichen Schönheit unverwandt empor, gibt dieselbe soweit als möglich im Nachbild wieder und vervollkommnet ihre Mitglieder [33] zu göttlichen Bildern, zu lautersten, fleckenlosen Spiegeln, welche im Stande sind, den urgöttlichen Strahl aus der Urquelle des Lichtes in sich aufzunehmen, zu Spiegeln, welche dann, von dem einstrahlenden Glanze heilig erfüllt, diesen hinwieder neidlos über die nächstfolgenden Ordnungen leuchten lassen, sowie es den urgöttlichen Satzungen entspricht. Denn es ist den Trägern der heiligen Weihegewalten oder den Empfängern der heiligen Weihen nicht erlaubt, überhaupt etwas zu wirken, was gegen die heiligen Anordnungen des Urhebers ihrer eigenen Weihe verstößt. Nicht in irgend einem Widerspruch dürfen sie zu ihm stehen, wenn sie seines vergöttlichenden Glanzes begehren und mit geziemender Heiligkeit auf ihn blicken und gemäß dem entsprechenden Grade, den jeder der heiligen Geister einnimmt, nach ihr sich umbilden.

Demnach besagt der Ausdruck „Hierarchie“ eine gewisse ganz heilige Institution, ein Abbild der urgöttlichen Schönheit, welches in hierarchischen Abstufungen und Erkenntnissen die Mysterien der entsprechenden Erleuchtung heilig auswirkt und Verähnlichung mit dem eigenen Urbild, soweit es nur immer geschehen kann, hervorbringt. Denn für jedes Mitglied der Hierarchie besteht die Vollendung darin, daß es seinem zuständigen Grade entsprechend zum Nachbild Gottes erhoben werde, ja daß es wahrhaftig, was noch göttlicher als alles andere ist, wie die Schrift sagt, zu einem Mitwirkenden mit Gott werde [34] und in sich selbst die göttliche Wirksamkeit nach Möglichkeit zeige und hervortreten lasse. Durch die Stufenordnung der Hierarchie ist es bedingt, daß die einen gereinigt werden, die andern reinigen, daß die einen erleuchtet werden, die andern erleuchten, daß die einen vollendet werden, die andern vollenden [35]. Und wie nach diesem Gesetze einem jeden das Nachbild Gottes angemessen sein wird, so wird er zur Teilnahme an Gottes Wirken erhoben werden. Die göttliche Glückseligkeit aber ist, nach Menschenart zu reden, jeglicher Vermischung mit irgend einem fremdartigen Element unzugänglich, erfüllt von ewigem Lichte, vollkommen und, gar keiner Vollkommenheit ermangelnd, reinigend, erleuchtend und vollendend, besser gesagt, heilige Reinigung, Erleuchtung und Vollendung, die über Reinigung und über Licht erhaben ist, die vor Anbeginn vollkommene subsistierende Urquelle aller Vollkommenheit, die über alles Heilige im Übermaß hinausgerückte Ursache jeglicher Hierarchie.

§ 3.

1) Die Reinigung, Erleuchtung und Vollendung im passiven Sinne besteht darin, daß die Glieder der Hierarchie von jeder Vermischung mit fremdartigen Elementen befreit, mit göttlichem Licht zur Kontemplation befähigt und der Kenntnis der geschauten Mysterien teilhaftig werden.

2) Die aktive Reinigung, Erleuchtung und Vollendung umfaßt die dreifache Wirksamkeit innerhalb der Hierarchie gemäß welcher die einen von der Überfülle der eigenen Reinheit den minder Reinen mitteilen, die andern den im eigenen Geiste überströmenden Lichtglanz auf die empfänglichen Geister der tiefern Ordnung ergießen, die dritten vermöge ihrer vollkommenem Erkenntnis auch andere in die Wissenschaft der geschauten Geheimnisse einweihen.

3) So wird jede hierarchische Stufe ihrem Grade entsprechend zum Mitwirken mit Gott erhoben; sie wirkt aus Gnade, was der Gottheit von Natur zukommt und von ihr in der Hierarchie geoffenbart wird.

Es müssen nämlich, wie ich denke, diejenigen, welche gereinigt werden, zu einer ganz vollkommenen Lauterkeit geführt und von jeglicher fremdartigen Beimischung befreit werden. Diejenigen, welche erleuchtet werden, müssen mit dem göttlichen Lichte erfüllt und mit ganz heiligen Augen des Geistes zur beschaulichen Verfassung und Befähigung erhoben werden. Die endlich, welche vollendet werden, müssen aus dem Zustand der Unvollkommenheit enthoben und der vollendenden Wissenschaft der geschauten heiligen Geheimnisse teilhaftig gemacht werden. Andrerseits müssen diejenigen, welche Reinigung zu wirken vermögen, bei ihrer Überfülle der Reinheit andern von der eigenen Makellosigkeit mitteilen. Diejenigen, welche zu erleuchten vermögen, müssen als heller durchleuchtete Geister, die zur Aufnahme und Mitteilung des Lichtes ihrer Natur nach geeignet und mit heiligem Glanze ganz glückselig erfüllt sind, das ihr ganzes Wesen überströmende Licht auf die des Lichtes Würdigen überleiten. Diejenigen endlich, welche Vollendung erzeugen, müssen, weil mit der Wissenschaft der vollendenden Mitteilung ausgestattet, die Glieder, welche vollendet werden, durch die ganz heilige Einweisung in die Erkenntnis der geschauten heiligen Geheimnisse zur Vollkommenheit fördern. So wird also jede Stufe der hierarchischen Ordnung gemäß ihrem entsprechenden Range [36] zur Mitwirksamkeit mit Gott erhoben, indem sie das, was der Urgottheit ihrem Wesen nach in einer unsere Natur überragenden Weise innewohnt und von ihr überwesentlich gewirkt und zum Zwecke möglichst getreuer Nachahmung der gottliebenden Geister in der Einrichtung der Hierarchie äußerlich kund getan wird, durch Gnade und gottverliehene Kraft vollendet.

4. Kapitel

Die Bedeutung des Namens „Engel“.

§ 1.

Die Bedeutung des Namens „Engel“.

§ 1.

1) Nachdem das Wesen der Hierarchie überhaupt bestimmt ist, soll die Hierarchie der Engel beschrieben werden. Die bildlichen Darstellungen derselben in der heiligen Schrift erfordern geistige Auffassung, damit man sich zu ihrem einfachen, gottähnlichen Wesen erhebe und Gott preise.

2) Erste Grundwahrheit ist, daß Gott aus Güte alle Dinge ins Dasein gerufen hat. Denn es ist ihm eigen, die Geschöpfe zur Teilnahme am Sein zu rufen, soweit es mit deren Natur übereinstimmt.

3) Alle Dinge unterstehen also auch der göttlichen Vorsehung, welche von der allerzeugenden Ursache, der sie das Dasein verdanken, ausgeht.

4) Die leblosen Dinge haben von Gott das Sein, die belebten (vernunftlosen) Geschöpfe nehmen teil an seiner belebenden Kraft, die vernünftigen und intelligiblen Geister partizipieren an seiner unendlichen Weisheit.

5) Selbstverständlich umstehen ihn zunächst diejenigen, welche in mehrfacher Weise an ihm Anteil haben.

Nachdem wir die Hierarchie an und für sich richtig, wie ich denke, nach ihrem Wesen bestimmt haben, müssen wir weiterhin die Hierarchie der Engel beschreiben und die heiligen bildlichen Darstellungen, welche sich von ihr in der heiligen Schrift finden, mit überweltlichen Augen betrachten, damit wir durch die mystischen Gebilde zu ihrer gottähnlichsten Einfachheit erhoben werden und den Urquell aller hierarchischen Erkenntnis in gottgeziemender Ehrfurcht und Danksagung gegen den Urheber aller Weihevollendung feiern. Zuvörderst vor allem ist nun die Wahrheit aufzustellen, daß die überwesentliche Urgottheit allen Wesen des Universums aus Güte Bestand gegeben und sie ins Dasein gerufen hat [37]. Denn es ist dies der Allursache und der über alles erhabenen Güte eigen, die Dinge zur Gemeinschaft mit sich selbst zu rufen, sowie es einem jeden existierenden Wesen seitens des ihm eigenen entsprechenden Verhältnisses bestimmt ist. Alles in der Welt nun erfreut sich der Vorsehung, welche aus der überwesentlichen und allursächlichen Gottheit ausgeht. Denn es wäre überhaupt kein Ding, wenn es nicht an dem Wesen und dem Urprinzip von allem Anteil erlangt hätte. Die leblosen Dinge haben durch ihr Sein an ihm Anteil, denn die über alles Sein erhabene Gottheit ist das Sein aller Dinge. Die belebten (vernunftlosen) Wesen haben an seiner über das Leben erhabenen, Leben schaffenden Macht Anteil. Die vernünftigen und intellektuellen Wesen haben an seiner über alle Vernunft und Intelligenz erhabenen, in sich vollkommenen (absoluten) und urvollkommenen Weisheit Anteil [38]. Es ist klar, daß jene von den Wesen um die Gottheit (zunächst) sind, welche in mehrfacher Weise an ihr Anteil erlangt haben.

§ 2.

1) Die Engelchöre haben in höherem Grade als die übrigen Wesen Anteil an dem göttlichen Sein.

2) Sie bilden sich in rein geistiger Weise nach dem Bilde Gottes um; ihrem intensiven Verlangen nach Gottähnlichkeit entspricht eine reiche Anteilnahme an Gott and göttlichem Leben.

3) Wie sie zuerst und mehrfach am Göttlichen Anteil nehmen, so sind sie auch die ersten und mehrfach verwendeten Organe der göttlichen Offenbarung. Daher ihr Name „Engel“ (ἄγγελοι = Melder), denn sie erfahren zuerst die göttliche Erleuchtung und vermitteln dann uns die Offenbarungen.

4) So wurde das Gesetz durch Engel gegeben und von Engeln wurden die großen Männer mannigfach zu Gott geführt.

Die heiligen Chöre der himmlischen Wesen haben in einem höhern Maße als die Wesen, welche bloß das Sein besitzen, als die unvernünftigen Lebewesen und die vernünftigen Glieder unseres Geschlechtes Anteil an der urgöttlichen Mitteilung. Sie bilden sich in rein geistiger Weise zu Nachbildern Gottes um, schauen überweltlich auf das urgöttliche Vorbild und begehren ihre intellektuelle Gestalt darnach zu formen. Die natürliche Folge davon ist, daß sie stärkere Gemeinschaft mit der Gottheit genießen, da sie beharrlich und immerdar nach dem Höheren, soweit es möglich ist, in der Spannkraft der göttlichen und unwandelbaren Liebe sich nach oben erheben und die Erleuchtungen der Urquelle auf immaterielle und ungetrübte Weise in sich aufnehmen, nach ihnen sich richten und das ganze Leben geistig besitzen. Diese Wesen sind es, die an erster Stelle und vielfältig zur Anteilnahme am Göttlichen gelangen und hinwieder zuerst und in mehrfacher Art das Verborgene der Urgottheit offenbaren. Deshalb sind sie auch vor allen besonders mit dem Namen „Engel“ [39] ausgezeichnet, weil die urgöttliche Erleuchtung in sie zuerst einstrahlt und dann durch sie die unsere Erkenntnis überragenden Offenbarungen uns vermittelt werden [40]. So wurde, wie die Gottesoffenbarung sagt, das Gesetz uns durch Engel gegeben. Und Engel waren es, welche unsere großen Väter vor und nach dem Gesetze zum Göttlichen emporführten, sei es daß sie praktische Pflichten lehrten und aus Irrtum und unheiligem Leben auf den geraden Weg der Wahrheit führten, sei es, daß sie heilige Ordnungen oder geheime Gesichte überweltlicher Mysterien oder irgendwelche göttliche Vorhersagungen andeuteten und offenbarten.

§ 3.

1) Gott selbst ist nach seinem verborgenen Wesen nie einem Menschen erschienen, er hat sich aber manchen Heiligen in Visionen geoffenbart. Die heilige Schrift nennt solche Gesichte „Theophanien“.

2) Unsere heiligen Väter wurden durch die Engel solcher Erscheinungen Gottes gewürdigt, so z. B. wurde Moses das Gesetz geoffenbart.

3) Derselbe Umstand, daß durch Engel das Gesetz vermittelt wurde, belehrt uns auch über die allgemeine Grundregel, daß die Mitglieder der tiefern Ordnung vermittels der höhern zu Gott emporgeführt werden, ja daß auch innerhalb ein und derselben Ordnung sich wieder erste, mittlere und letzte Kategorien nach derselben Funktion unterscheiden.

Wenn aber jemand meinen sollte, es seien manchen heiligen Männern auch unmittelbar Erscheinungen Gottes an sich geworden, so möge er deutlich aus den heiligen Schriften erkennen, daß niemand das verborgene eigentliche Wesen Gottes gesehen hat [41], noch je sehen wird. Aber in den Gottes würdigen Offenbarungen sind vermittels heiliger, den Schauenden entsprechender Visionen den Heiligen Theophanien gewährt worden [42]. Die ganz weise Gotteswissenschaft („θεολογία“) nennt die so beschaffene Vision, welche die Züge des göttlichen Bildes, insofern Gestaltloses durch Gestaltetes wiederzugeben ist, in sich aufzeigte, auf Grund anagogischen Aufschwunges des Schauenden zum Göttlichen mit Recht „Gotteserscheinung“ (θεοφάνεια) [43]. Wird ja durch sie den Schauenden eine göttliche Erleuchtung eingestrahlt und die heilige Einführung in irgend ein Geheimnis des Göttlichen vermittelt. Unsere großen Vorväter wurden durch das Dazwischentreten der himmlischen Mächte in diese göttlichen Visionen eingeweiht. Oder sagt nicht die Überlieferung der heiligen Schrift, daß die heilige Gesetzgebung von Gott auf eben diesem Wege dem Moses verliehen worden ist [44], um uns wahrheitsgetreu darüber geheimnisvoll zu unterrichten, daß jenes Gesetz (vom Sinai) ein Ausdruck des göttlichen und heiligen Gesetzes sei. Aber weise lehrt die Offenbarung Gottes, nach welcher jenes Gesetz durch Engel zu uns gekommen ist, auch dies, daß infolge der durch die göttliche Gesetzgebung festbestimmten Ordnung die Glieder der zweiten Ordnung durch die der ersten Ordnung zum Göttlichen emporgeführt werden [45]. Denn nicht bloß bei den höherstehenden und tieferstehenden Geistern, sondern auch unter den gleichstufigen ist von dem überwesentlichen Prinzip aller Rangordnungen diese Satzung bestimmt, daß es in jeder Hierarchie erste, mittlere und letzte Ordnungen und Mächte gebe und daß die göttlicheren den geringeren als Mystagogen und Führer zur Nähe, zur Erleuchtung und Gemeinschaft Gottes dienen.

§ 4.

Weitere Beispiele: 1) Engel haben die Menschwerdung Christi zuerst erfahren und sie dann uns mitgeteilt. So hat Gabriel dem Zacharias die Geburt eines Sohnes verkündet und derselbe Engel belehrte Maria über ihre Mutterschaft. Ein anderer Engel klärte die Zweifel Josephs auf. Wieder ein anderer brachte den Hirten die frohe Botschaft und ein ganzes Heer von Engeln ließ den Lobgesang erschallen.

2) Selbst Jesus hat den durch Engel vermittelten Befehlen des Vaters sich unterworfen, wie bei der Flucht Josephs nach Ägypten und bei der Rückkehr nach Judäa. Auch unmittelbar ward Jesu der Wille des Vaters durch Engel kundgetan und er fügte sich ihnen, wie z. B. am Ölberg. Ja er selbst wird „Engel des großen Ratschlusses“ genannt, da er uns meldete, was er vom Vater gehört.

Ich sehe, daß Engel auch zuerst in das göttliche Geheimnis der Menschenliebe Jesu eingeweiht wurden und durch sie dann die Gnade der Erkenntnis zu uns gelangte. So nun machte der göttlichste (Engel) Gabriel den Hohenpriester (ἱεράρχης) Zacharias [46] mit dem Geheimnis vertraut, daß der Sohn, welcher wider Erwarten durch Gottes Gnade ihm geboren würde, ein Prophet der menschlichen Gottestätigkeit Jesu sein werde, welche der Welt zum Segen und Heil erscheinen sollte. Maria aber belehrte derselbe Gabriel, daß in ihr das urgöttliche Geheimnis der unaussprechlichen Gottgestaltung (Fleischwerdung Gottes) sich vollziehen werde [47]. Ein anderer Engel unerrichtete Joseph, daß die Versprechungen, welche auf göttlichem Wege seinem Ahnherrn David gemacht worden, in Wahrheit erfüllt seien [48]. Wieder ein anderer brachte den Hirten, da sie durch Absonderung von der großen Menge und Ruhe eines reinen Herzens waren, die frohe Botschaft und mit ihm ließ eine himmlische Heerschar die Menschen auf Erden jenen vielgepriesenen Lobgesang vernehmen [49].

Laßt uns aber auch zu den höchsten Lichtstrahlungen der Schrift emporblicken. Denn ich sehe, daß Jesus selbst, die überwesentliche Ursache der überhimmlischen Wesen, als er ohne irgend eine Veränderung zu erleiden zu unserer Natur gekommen war, von der schönen, seiner Menschheit geziemenden Ordnung, die von ihm selbst bestimmt und erwählt worden, nicht abging, sondern gehorsam den durch Engel vermittelten Weisungen seines Vaters und Gottes sich unterwarf. Durch ihre Vermittlung wird Joseph die vom Vater verordnete Flucht des Sohnes nach Ägypten und ebenso die Rückkehr aus Ägypten nach Judäa angekündigt [50]. Und durch Engel sehe ich Jesus selbst unter die Befehle seines Vaters sich unterordnen, denn ich unterlasse es, dir, der die in unsern priesterlichen Überlieferungen enthaltenen Offenbarungen kennt, auch über den Engel zu sprechen, der Jesus stärkte [51], oder davon zu reden, daß Jesus sogar selbst gemäß seiner rettenden Heilstätigkeit an uns, nachdem er einen Offenbarungsberuf angetreten hatte, „Engel (= Bote) des großen Ratschlusses“ [52] genannt worden ist. Denn wie er selbst mit Worten, die auf einen Engel (Boten) passen, sagt, hat er uns von allem Botschaft gebracht, was er von seinem Vater gehört hatte [53].

5. Kapitel

Warum alle himmlischen Wesen mit dem gemeinsamen Namen „Engel“ bezeichnet werden.

1) Wenn die heilige Schrift den Namen „Engel“ insgemein für alle himmlischen Geister gebraucht und doch für die unterste Stufe der Engelchöre im besondern verwendet, so liegt der Grund darin, daß die höheren Ordnungen aller Erleuchtungen der tieferen teilhaftig sind, nicht aber umgekehrt.

2) Die obersten Stufen können mit Recht „Engel“ genannt werden, denn auch sie offenbaren die göttlichen Einstrahlungen. Dagegen dürfen die Engel der untersten Chöre nicht den Namen eines höheren Chores führen, weil sie nicht dessen Vorzüge besitzen, sondern von ihm abhängen.

3) Höchstens könnte man sämtliche Engelnamen insoferne allen Engeln gemeinsam zuerteilen, als sie alle an der Gottähnlichkeit mehr oder weniger teilnehmen. Aber im Interesse der Klarheit sollen die Eigentümlichkeiten, welche die Schrift von den einzelnen Engelordnungen angibt, ins Auge gefaßt werden.

Das also ist nach unserm Dafürhalten der Grund, warum die heilige Schrift den Namen „Engel“ gebraucht. Wir müssen aber auch, denke ich, untersuchen, warum die inspirierten Schriftsteller einerseits die himmlischen Wesen gemeinsam „Engel“ heißen, andrerseits aber, wenn sie an die Darstellung ihrer überweltlichen Ordnungen herantreten, den besondern Namen „Engel“ nur derjenigen Abteilung geben, welche die göttlichen und himmlischen Stufen zu unterst abschließt und vollendet, dagegen den Erzengeln, Fürstentümern, Gewalten, Mächten und allen Ordnungen, welche die Offenbarungsüberlieferung der Schrift als diesen überlegene Wesen erkennt, einen höhern Platz über ihnen anweisen. Wir behaupten nun, daß in jeder heiligen Ordnung die höhern Abteilungen auch die Erleuchtungen und Kräfte der tieferstehenden besitzen, daß dagegen die letzten Stufen der Vorzüge der höhern nicht teilhaftig sind [54]! So nennen also die Verfasser der Offenbarungsschriften die heiligsten Rangstufen der höchsten Wesen auch Engel, denn auch sie offenbaren die urgöttliche Einstrahlung. Die letzte Ordnung der himmlischen Geister aber kann man nur widersinnig Fürstentümer, Throne oder Seraphim nennen, denn sie hat keine Gleichstellung mit den höchsten Mächten. Wie dieselbe vielmehr unsere gotterfüllten Hierarchien zu den von ihr erfaßten Strahlen der Urgottheit emporführt, so haben die ganz heiligen Mächte der ihr übergeordneten Wesen die Fähigkeit, diese die himmlischen Hierarchien abschließende Ordnung zu Gott zu erheben. Es müßte denn etwa einer auch dieses sagen, daß alle Namen der Engel gemeinsam seien, weil alle himmlischen Mächte in Hinsicht auf die Gottähnlichkeit und die aus Gott strömende Lichtfülle einen schwächeren oder intensiveren Anteil besitzen. Damit aber unsere Abhandlung in besser geschiedener Einteilung verlaufe, laßt uns mit heiliger Ehrfurcht die heiligen Eigentümlichkeiten jeder einzelnen himmlischen Ordnung sehen, wie sie in den heiligen Schriften vor Augen gestellt sind.

6. Kapitel

Die erste, zweite und dritte Ordnung (Trias) der himmlischen Wesen.

§ 1.

Die erste, zweite und dritte Ordnung der himmlischen Wesen.

§ 1.

1) Zahl, Beschaffenheit und Vollendung der himmlischen Ordnungen kennt nur Gott. Die Engel selbst wissen um ihre eigenen Kräfte, Erleuchtungen und ihren Staat.

2) Die Menschen sind nur insoweit im Stande, die Mysterien der Engelwelt zu erfassen, als Gott durch die Engel selbst sie belehrt hat. Daher kann nur im Anschluß an die göttliche Offenbarung von der Frage gehandelt werden.

Wie viele Ordnungen der überhimmlischen Wesen es gibt, wie beschaffen sie sind und wie ihre Hierarchien vollendet werden, das weiß nur, wie ich denke, das göttliche Urprinzip derselben. Auch sie selbst erkennen ferner meines Erachtens ihre eigenen Kräfte und Erleuchtungen und ihre heilige und überweltliche, schön abgestufte Ordnung. Denn für uns ist es unmöglich, die Geheimnisse der überhimmlischen Geister und ihre heiligsten Vollkommenheiten zu erkennen, außer insoweit als uns die Urgottheit durch die Engel selbst, die ja mit den eigenen Eigentümlichkeiten wohl vertraut sind, in diese eingeweiht hat. Sonach wollen wir nichts aus eigenem Antriebe vorbringen; was aber die Verfasser der heiligen Schriften von den Engeln in Bildern gesehen haben, das wollen wir, nachdem wir darüber geheimnisvolle Lehren empfangen haben [55], nach besten Kräften auseinandersetzen.

§ 2.

1) Die heilige Schrift hat neun Namen für die Engel; der „Lehrer“ des D. ordnet je drei Chöre in eine Gruppe und stellt also drei Triaden auf.

2) Die erste Triade ist die nächste um Gott und umfaßt die Throne, Cherubim und Seraphim. Sie ist Gott am ähnlichsten und empfängt die göttlichen Strahlen unmittelbar. Die zweite Triade besteht Gewalten, Herrschaften und Mächten. Die letzte Triade bilden die Engel, Erzengel und Fürstentümer.

Die Offenbarung hat den sämtlichen himmlische Wesen neun Namen gegeben, die über sie Aufschluß bieten [56]. Der göttliche Lehrer, der uns in die heilige Wissenschaft einweihte [57], gruppiert sie in drei dreiteilige Ordnungen. Die erste, sagt er, ist diejenige, welche immerdar um Gott steht und, wie die Überlieferung sagt, ununterbrochen und, den andern voraus, unmittelbar mit ihm vereinigt ist. Denn die Offenbarung der heiligen Schriften, sagt er, habe überliefert daß die heiligsten Throne, die mit vielen Augen und vielen Flügeln versehenen Rangstufen, Cherubim und Seraphim nach dem hebräischen Worte genannt, gemäß ihrer alle übertreffenden Nähe unmittelbar um Gott gestellt sind. Diese triadische Ordnung bezeichnete unser großer Meister gleichsam als eine und eine gleichstufige und eigentlich erste Hierarchie. Keine andere ist Gott ähnlicher und den unmittelbaren Ausstrahlungen der Urgottheit direkt näher unterstellt als diese. Die zweite Triade, sagt er, sei diejenige, welche von den Gewalten, Herrschaften und Mächten gebildet wird. Die dritte Triade unter den letzten der himmlischen Hierarchien bestehe aus den Engeln, Erzengeln und Fürstentümern [58].

7. Kapitel

Die Seraphim, Cherubim und Throne und die erste von ihnen gebildete Hierarchie.

§ 1.

Die Seraphim, Cherubim und Throne und die erste von ihnen gebildete Hierarchie.

§ 1.

1) Die Namen der Engelchöre bezeichnen die Eigentümlichkeit derselben.

2) „Seraphim“ bedeutet die „Entflammer“ oder „Erglüher“, „Cherubim“ besagt „Fülle der Erkenntnis“ oder „Ergießung der Weisheit“.

3) Mit Recht wird der Dienst der obersten Hierarchie von den höchsten Engeln versehen, welche zunächst die Strahlen der Gottheit aufnehmen.

4) Die „Throne“ sind der gleichen beiden Namen teilhaftig.

5) Die Benennung „Seraphim“ deutet auf das Bewegliche, Glühende dieser Engelnaturen, welche nach Art des Feuers die tief erstehenden Wesen ebenfalls erglühen machen, reinigen und jegliches Dunkel verscheuchen. Der Name „Cherubim“ bezeichnet die Fülle der Erkenntnis Gottes, die höchste Aufnahmsfähigkeit hiefür und das Vermögen, von diesem Lichte mitzuteilen. Der Name „Throne“ gibt zu verstehen, daß die also genannten Engel über alles Niedrige erhöht und dem Höchsten unentwegt zugesellt sind, daß sie der Einkehr Gottes gewürdigt und „Gottesträger“ (θεόφοροι) sind, die für die göttlichen Einsprechungen die ehrfurchtsvollste Empfänglichkeit zeigen.

Indem wir die geschilderte Stufenfolge der heiligen Hierarchien gelten lassen, behaupten wir, daß jegliche Benennung der himmlischen Geister eine Offenbarung über die gottähnliche Eigentümlichkeit eines jeden enthält. Der heilige Name der Seraphim bedeutet nach den Kennern des Hebräischen [59] entweder „Entflammer“ oder „Erglüher“; der Name „Cherubim“ dagegen „Fülle der Erkenntnis“ oder „Ergießung der Weisheit“. Mit Recht wird nun der heilige (liturgische) Dienst in der ersten himmlischen Hierarchie von den allerhöchsten Wesen versehen; denn diese hat eine höhere Rangstufe als alle übrigen und die unmittelbar gewirkten Gottesoffenbarungen und Einweihungen (in das Göttliche) werden ursprünglicher auf sie übergeleitet, weil sie (Gott) am nächsten steht. „Erglüher“ und „Ergießung der Weisheit“ werden nun auch die Throne genannt, ein Name, der ihre gottähnliche Beschaffenheit offenbart. Denn der Name der Seraphim lehrt und offenbart ihre immerwährende und unaufhörliche Beweglichkeit um das Göttliche, ihre Glut, ihre Schärfe, das Übereifrige ihrer beständigen, unablässigen, nie wankenden Immerbewegung, ihre Eigenschaft, die tieferstehenden Ordnungen, sofern sie dieselben zu einer ähnlichen Glut entfachen und entzünden, emporführend wirksam sich anzugleichen, ihre Kraft, in brennenden und alles verzehrenden Flammen zu reinigen, ihren Charakter, der kein Verhüllen und kein Erlöschen zuläßt, der immer sich gleichmäßig verhält, lichtartig und lichtspendend, Verscheucher und Vernichter jeder lichtlosen Verdunkelung ist.

Der Name der Cherubim offenbart ihre Gabe des Erkennens und Gottschauens, ihre Fähigkeit, die höchste Lichtmitteilung aufzunehmen und die urgöttliche Schönheit in ihrer direkt und unmittelbar wirkenden Macht zu schauen, ihr Geschaffensein für die weisemachende Mitteilung und ihren Drang, durch Ergießung der von Gott geschenkten Weisheit neidlos mit den Wesen zweiter Ordnung in Gemeinschaft zu treten. Der Name der höchsten und erhabenen Throne bezeichnet, daß sie jeder erdhaften Niedrigkeit ungetrübt enthoben sind, daß sie überweltlich nach oben streben und von jedem untersten Gliede unerschütterlich weggerückt sind, daß sie um das wahrhaft Höchste mit ganzer Vollkraft ohne Wanken und sicherstehend gestellt sind, daß sie der Einkehr Gottes in aller Freiheit von sinnlichen, materiellen Störungen genießen, daß sie Gottesträger und für den Empfang der göttlichen Erleuchtungen ehrfurchtsvoll erschlossen sind [60].

§ 2.

1) Nach Erklärung der Namen ist das besondere Wesen der obersten Hierarchie (Triade) zu erklären, denn daß Reinigung, Erleuchtung und Vollendung, sowohl im aktiven wie im passiven Sinne, jeder Hierarchie eigen ist, wurde schon früher gezeigt.

2) Jene höchsten Geister, welche unmittelbar um Gott stehen, bilden eine eigene Hierarchie.

3) Rein sind sie zu nennen, nicht bloß weil sie keiner Verunreinigung ausgesetzt sind, sondern weil sie die höchste Heiligkeit besitzen und unwandelbar die Höhe ihrer Vollkommenheit behaupten.

4) Beschauend sind sie, nicht in dem Sinne, als ob sie sinnlich wahrnehmbare Bilder nötig hätten, sondern insofern als sie in immateriellem Lichte die Trinität schauen und mit Jesus in nächster Gemeinschaft stehen. Sie prägen das Nachbild Gottes am treuesten in sich aus und stehen der Einwirkung von Christi Tugenden am nächsten.

5) Vollendet werden sie genannt, weil sie nicht eine diskursive Erkenntnis besitzen, sondern von der Gottheit in der höchsten Form unmittelbar erleuchtet und vollendet werden.

Dieses also ist nach unserer Auffassung die Erläuterung ihrer Namen. Es ist nun zu zeigen, was wir als das (besondere) Wesen ihrer Hierarchie betrachten. Denn daß das Ziel jeder Hierarchie unwandelbar auf die Nachbildung Gottes und Ähnlichkeit mit ihm gerichtet ist und daß die Funktion jeder Hierarchie in das heilige Empfangen und Mitteilen ungetrübter Reinheit, göttlichen Lichtes und vollendender Erkenntnis zerfalle, das glaube ich genügend schon besprochen zu haben. Jetzt aber wünsche ich in einer der höchsten Geister würdigen Weise zu sagen, wie ihre Hierarchie durch die heilige Schrift geoffenbart wird. Für die ersten Wesen, welche gleich nach der Urgottheit, der sie ihr Sein verdanken, ihre Stellung haben und sozusagen in der Vorhalle [61] derselben ihren Platz einnehmen und so jeglicher sichtbaren und unsichtbaren geschöpflichen Macht übergeordnet sind, muß man eine eigene und in jeder Beziehung gleichgeartete Hierarchie annehmen.

Für rein muß man diese Geister erachten, nicht nur insofern, als ob sie von unheiligen Flecken und Makeln befreit und materiell-sinnlichen Phantasievorstellungen unzugänglich wären, sondern in dem Sinne, daß sie ungetrübt über jede Schwächung und über alles minder Heilige hinaus entrückt sind; daß sie gemäß ihrer höchsten Heiligkeit vor allen gottähnlichsten Mächten einen höheren Rang besitzen und entsprechend ihrer unveränderlichen Gottesliebe den ihnen eigenen, von ständiger und gleichmäßiger Bewegung (der Liebesglut) erfüllten Stand unerschütterlich behaupten; (in dem Sinne, sage ich,) daß sie das Sinken zum Geringeren in irgend welcher Richtung ganz und gar nicht kennen, sondern die ungetrübteste Festigkeit ihrer entsprechenden, gottähnlichen Eigenart ohne Wanken und Wechseln immerdar bewahren.

Als beschauend muß man sie anerkennen, nicht als ob sie Beschauer von sinnlich wahrnehmbaren und geistig zu deutenden Symbolen wären und durch die bunte Fülle der auf heilige Bilder gestützten Betrachtung zum Göttlichen erhoben würden, sondern insofern, als sie mit einem Lichte erfüllt sind, das jegliche immaterielle Erkenntnis übertrifft, und mit der Beschauung jener Urschönheit, welche Schönes schafft, überwesentlich ist und in dreifachem Strahle leuchtet, soweit als möglich ersättigt werden. Man muß ferner annehmen, daß sie auf dieselbe Weise der Gemeinschaft mit Jesus gewürdigt sind, nicht vermittels heilig gestalteter Bilder, welche in äußeren Formen die Verähnlichung mit der Wirksamkeit Gottes ausprägen, sondern auf Grund des wahrhaften Nahetretens zu ihm, welches sich in der (unmittelbaren) ersten Anteilnahme an der Erkenntnis des Lichtes seiner Gottestaten vollzieht. Desgleichen ist zu glauben, daß ihnen das Nachahmen Gottes in der sublimsten Weise verliehen ist und daß sie, soweit es immer geschehen kann, in unmittelbarer Kraftwirkung an seinen in Gotteswerken und Menschenliebe betätigten Tugenden teilhaben.

Vollendet müssen wir desgleichen diese Engel erachten, nicht etwa, weil sie mit einer diskursiven, aus einer heiligen Mannigfaltigkeit (von Symbolen) gewonnenen Erkenntnis erleuchtet würden, sondern weil sie mit der ersten und vorzüglichsten Gnade der Vergottung erfüllt werden, sowie es der höchsten den Engeln möglichen Erkenntnis des göttlichen Waltens entspricht. Denn nicht durch andere heilige Wesen sondern unmittelbar von der Urgottheit werden sie hierarchisch vollendet, weil sie durch die ihnen eigene, alles übertreffende Kraft und Rangstellung unmittelbar zu ihr sich aufschwingen. Und demnach sind sie in der vollkommenen Heiligkeit und im höchsten Grade der Unerschütterlichkeit fest begründet, sie werden zur immateriellen und geistigen Schönheit, soweit es möglich ist, zum Zwecke beschaulicher Erkenntnis erhoben und, als der erste um Gott gebildete Kreis, in die ihrer Einsicht zugänglichen Pläne der Gottestaten unmittelbar von der Urquelle aller Weihevollendung [62] eingeweiht und auf die erhabenste Weise hierarchisch vollendet.

§ 3.

1) Beweis aus der heiligen Schrift, daß die tieferstehenden Engel von den höhern über die Werke Gottes unterrichtet, diese letztern aber unmittelbar von Gott selbst aufgeklärt werden: An der einen Stelle der Schrift erscheinen Engel, welche über Christus von andern Engeln belehrt werden; ferner führt die Schrift eine Gruppe von Engeln ein, welche über Jesus im Ungewissen sind und direkt von ihm eine Antwort erhalten.

2) Wunderbar ist die Zurückhaltung, mit welcher selbst die höchsten Engel nach Aufschluß der göttlichen Geheimnisse verlangen.

3) So wird also die oberste Triade der Engel von Gott selbst gereinigt, erleuchtet und vollendet.

4) Es beruht sowohl die Reinigung wie die Erleuchtung und Vollendung auf der Mitteilung der göttlichen Erkenntnis, sofern diese die Unwissenheit vertreibt, positive Erleuchtung gewährt und im Genusse des Lichtes vollendet.

Die Tatsache, daß die tieferstehenden Ordnungen der himmlischen Wesen von den höheren in der Erkenntnis der Gottestaten unterwiesen, daß hingegen die allerobersten Stufen von der Urgottheit selbst, soweit es möglich ist, mit geheimnisvollen Lehren erleuchtet werden, sprechen die Verfasser der Offenbarungsschriften deutlich aus. Denn einige der Engel schildern sie, wie diese von den höheren heilig in jenes Geheimnis eingeweiht werden, daß derjenige, welcher in menschlicher Gestalt in den Himmel aufgenommen wurde, der Herr der himmlischen Mächte und der König der Glorie sei [63]. Bei andern Engeln offenbaren sie deren Ungewißheit Jesu selbst gegenüber und wie sie die Kenntnis über sein für uns vollbrachtes Gotteswerk erlangen, wie Jesus selbst sie unmittelbar geheimnisvoll belehrt und ihnen in erster Mitteilung sein menschenfreundliches Heilswerk offenbart. „Ich, sagt er nämlich, lehre Gerechtigkeit und ein Gericht des Heils“ [64]. Ich muß mich aber wundern, daß auch die ersten der himmlischen Wesen, welche die andern so weit überragen, die urgöttlichen Erleuchtungen nur mit Ehrfurcht ersehnen, wie sie ja nur mit den mittlern Flügeln fliegen [65]. Denn nicht ohne weiteres fragen sie: „Warum sind deine Kleider rotgefärbt?“ Sie sind vielmehr erst bei sich selbst im Zweifel und geben zu verstehen, daß sie lernen wollen und nach der Erkenntnis des göttlichen Wirkens begehren, keineswegs aber der Erleuchtung vorauseilen, welche ihnen nach dem Gesetze des göttlichen Hervortretens beschieden ist.

Es wird also die erste Hierarchie der himmlischen Geister unmittelbar von dem Urprinzip aller Weihevollendung durch die direkte Erhebung zu demselben hierarchisch vervollkommnet, mit der allerheiligsten Reinheit des unermeßlichen Lichtes der übervollkommenen Weihewirkung im entsprechenden Verhältnis erfüllt und also gereinigt, erleuchtet und zur Vollendung geführt, durch kein Sinken nach unten getrübt, mit dem ursprünglich ersten Lichte erfüllt und durch Teilnahme an der erstverliehenen Erkenntnis und Wissenschaft vollendet. In Kürze dürfte ich wohl auch mit Recht dieses sagen, daß sowohl die Reinigung wie die Erleuchtung und Vollendung nichts anderes als die Mitteilung des urgöttlichen Wissens ist, welche (erstens) gewissermaßen von der Unwissenheit durch die nach Gebühr verliehene Kenntnis der vollkommenem Einweihungen reinigt, welche zweitens durch eben jene göttliche Erkenntnis dann erleuchtet, durch welche sie auch die vorige Stufe des Wissens reinigt, in der man noch nicht alles das schaute, was jetzt durch die höhere Erleuchtung geoffenbart wird, (welche endlich drittens) durch eben das Licht, d. i. durch das zuständlich dauernde Wissen der lichtvollsten Einweihungen auch vollendet [66].

§ 4.

1) Die geschilderte erste Triade genießt die höchste Sicherheit, Ehre und Wonne der unmittelbaren Anschauung Gottes. Die Quelle dieser Seligkeit ist in sich höchste Einheit, in ihren Ausflüssen Vielheit; Ähnlichkeit, Gemeinschaft und Mitwirksamkeit mit Gott und höchste Kenntnis Gottes entspringen ihr.

2) Eine Ahnung davon geben uns die Lobgesänge der Engel im Himmel, von denen in der heiligen Schrift die Rede ist. Der Verfasser verweist darüber auf sein früheres Werk über die „Göttlichen Hymnen“.

3) Aus demselben soll wiederholt werden, daß die oberste Hierarchie ihr Wissen gütig den tieferen mitteilt und dadurch zu erkennen gibt, daß die Gottheit mit Fug und Recht von den seligen Geistern verherrlicht werden soll.

4) Aber auch die eine Gottheit in drei Hypostasen, die allwaltende Vorsehung, Urquell und Ursache von allem, ist Gegenstand jenes Lobpreises.

Diese also ist, soweit ich es verstehe, die erste Ordnung der himmlischen Wesen. Sie steht unmittelbar in der Runde um Gott und um Gott her, in unablässigem Reigen bewegt sich ihr einfaches Denken in der ewigen Erkenntnis Gottes, wie es der immer bewegten, höchsten Rangstellung unter den Engeln entspricht. Sie genießt reinen Blickes viele wonnevolle Anschauungen, sie wird von einfachen und unmittelbaren Strahlen funkelnd erleuchtet und mit göttlicher Speise gesättigt, die zwar in der ersten Ergießung aus der Quelle eine reiche Fülle darstellt, aber bei der Einheitlichkeit der urgöttlichen Labung, welche kein Vielerlei kennt und in Eins verwandelt, doch nur eine ist. Diese (höchste Triade) ist einer intensiven Gemeinschaft und Mitwirksamkeit mit Gott infolge der möglichsten Verähnlichung ihrer herrlichen Eigenschaften und Tätigkeiten mit ihm gewürdigt; sie erkennt in bevorzugter Weise viele Geheimnisse des Göttlichen und ihr ist, soweit es statthaft ist, die Teilnahme an göttlichem Wissen und Erkennen gewährt [67].

Deshalb hat auch die Offenbarung den Menschen auf Erden deren Lobgesänge überliefert, in welchen sich der Vorzug ihrer höchsten Erleuchtung heilig kundgibt. Denn die einen Glieder dieser Hierarchie lassen, um die Sprache der Sinne zu reden, gleichwie das Rauschen vieler Wasser [68] den lauten Ruf erschallen: „Hochgelobt (sei) die Herrlichkeit des Herrn an ihrem Orte“ [69]. Die andern erheben jenen vielgerühmten und tiefster Ehrfurcht vollen Gottespreis: „Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heerscharen, die ganze Erde ist erfüllt von seiner Herrlichkeit [70]. Diese erhabensten Lobgesänge der überhimmlischen Geister haben wir bereits in dem Werke „Über die göttlichen Hymnen“ nach unserm Vermögen erläutert und es ist über sie daselbst unserm Stande entsprechend das Ausreichende gesagt. Es genügt, daraus für den gegenwärtigen Moment nur dies eine wieder ins Gedächtnis zu rufen, daß die erste Ordnung, nachdem sie von dieser urgöttlichen Güte mit der Wissenschaft Gottes nach Möglichkeit erleuchtet worden ist, auch den unter ihr folgenden Stufen der Reihe nach als eine gütig geartete Hierarchie mitgeteilt hat. Und damit legt sie, um mich kurz auszudrücken, diese Wahrheit nahe, daß es mit gutem Grunde sich zieme, daß die Ehrfurcht heischende, über die Maßen zu preisende und allgepriesene Urgottheit von den gottaufnehmenden (θεοδόχων) Geistern nach Möglichkeit erkannt und gepriesen werde. Denn diese sind, wie die Schrift sagt, die göttlichen Ruheorte der Urgottheit [71]. Eine zweite Wahrheit lehrt uns der Lobgesang dieser Hierarchie, daß nämlich die Gottheit eine Monas und Einheit in drei Hypostasen ist [72]), welche von den überhimmlischen Wesen bis zu den äußersten Dingen dieser Erde herab ihre liebreichste Vorsehung über die ganze Schöpfung erstreckt, da sie überursprünglicher Ursprung und Grund jedes Dinges ist und alles mit unbezwingbarer Umschließung zusammenhält.

8. Kapitel

Die Herrschaften, Gewalten und Mächte und die mittlere von ihnen gebildete Hierarchie.

§ 1.

Die Herrschaften, Gewalten und Mächte und die von ihnen gebildete mittlere Hierarchie. <k>

§ 1.

1) Bei Betrachtung der mittleren Ordnung bilden wieder die betreffenden Namen der Chöre den Schlüssel der Erklärung.

2) Die Herrschaften (κυριότητες) erfreuen sich eines jeder Knechtschaft entrückten Herrschertums, streben stets zur Urquelle aller Herrschaft empor und bilden nicht nur sich selbst darnach um, sondern ziehen auch die untern Chöre zu ihr hinauf.

3) Die Mächte (δυνάμεις) besitzen eine unerschütterliche Mannhaftigkeit und Aufnahmsfähigkeit für die göttlichen Erleuchtungen. Im steten Hinblick auf die göttliche Urmacht stellen sie deren Bild in sich selbst her und führen die tieferen Chöre zu ihr empor.

4) Die Gewalten (ἐξουσίαι) bilden eine unverwirrbare Ordnung für die Aufnahme des Göttlichen, mißbrauchen nie ihre Kräfte zu niederen Zwecken, sondern erschwingen sich unbehindert zu Gott und fördern die tief erstehenden Chöre in der gleichen Richtung.

5) Auf diese Weise vollzieht sich für die zweite Triade die Reinigung, Erleuchtung und Vollendung, indem die göttlichen Strahlen durch Vermittlung der ersten Triade auf sie übergeleitet werden.

Wir müssen nunmehr zur mittleren Ordnung der himmlischen Geister übergehen, indem wir nach Möglichkeit jene Herrschaften und die wahrhaft machtvollen Betrachtungsbilder (θεάματα) der göttlichen Gewalten und Mächte mit überweltlichen Augen schauen. Denn jeglicher Name der uns überragenden Wesen offenbart die Gott nachgebildeten Eigentümlichkeiten ihrer gottähnlichen Natur.

Der redende Name der heiligen Herrschaften offenbart meines Erachtens einen gewissen unbezwingbaren und von jedem Sinken zum Irdischen freien Aufschwung nach oben, ein Herrschertum, welches gar nicht irgend einer Entartung ins Tyrannische in irgend einer Weise überhaupt zuneigt und in edler Freiheit kein Nachlassen kennt, ein Herrschertum, welches, jeder erniedrigenden Knechtung entrückt, jedem Erschlaffen unzugänglich und, über jegliche Unähnlichkeit (Selbstentfremdung) erhaben, unaufhörlich nach dem wahren Herrschertum und der Urquelle alles Herrschertums hinanstrebt und nach der herrschgewaltigen Ähnlichkeit mit demselben soweit als möglich sich selbst und gütig auch das unter ihm Stehende umbildet, ein Herrschertum, welches keinem der eitlen Scheindinge, sondern dem wahrhaft Seienden gänzlich zugewendet ist und immerdar, soweit es ihm verstattet ist, an der Ähnlichkeit mit Gott als dem Urquell des Herrschertums teilnimmt [73].

Der Name der heiligen Mächte bezeichnet nach meiner Meinung eine gewisse männliche und unerschütterliche Mannhaftigkeit in Hinsicht auf alle ihre gottähnlichen Tätigkeiten, welche bei der Aufnahme der ihr verliehenen urgöttlichen Erleuchtungen durchaus keine kraftlose Schwäche zeigt, sondern mächtig zur Gottähnlichkeit aufstrebt, eine Mannhaftigkeit, welche durch keine Unmännlichkeit von ihrer Seite die gottähnliche Bewegung aufgibt, sondern vielmehr unentwegt auf die überwesentliche und machtbildende Macht hinblickt und deren machtspiegelndes Abbild wird, welche zu ihr als der Urquelle der Macht mächtig hingekehrt ist und zu den Wesen der tiefern Ordnung machtspendend und gottähnlich heraustritt [74].

Der Name der heiligen Gewalten, welche mit den göttlichen Herrschaften und Mächten auf gleicher Stufe stehen, besagt, wie ich glaube, die wohlgeordnete und unverwirrbare Harmonie bei Aufnahme des Göttlichen und das Festbestimmte der überweltlichen und geistigen Gewaltstellung, welche die aus der Gewalt fließenden Kräfte nicht mit tyrannischer Willkür zu den minderen Zwecken mißbraucht, sondern unbesiegbar zum Göttlichen in schöner Ordnung empordringt und die tieferstehenden Wesen gütig aufwärts leitet, welche der gewaltschaffenden Urquelle der Gewalt soweit als möglich sich verähnlicht und sie kräftigst nach den wohlgeordneten Stufen der aus der Gewalt fließenden Macht den Engeln einstrahlt.

Im Besitze dieser gottähnlichen Eigentümlichkeiten wird die mittlere Ordnung der himmlischen Geister nach der erwähnten Weise von den urgöttlichen Erleuchtungen, welche ihr an zweiter Stelle durch die erste hierarchische Ordnung eingestrahlt und durch deren Vermittlung als Offenbarungen des zweiten Grades zugeführt werden, gereinigt, erleuchtet und vollendet [75].

§ 2.

1)Die Tatsache, daß einem Engel durch einen andern (höhern) Engel eine Kunde vermittelt wird, lehrt, daß die so vermittelte Vervollkommnung eine abgeschwächte ist; es herrscht hier dasselbe Gesetz welches auch in der kirchlichen Hierarchie gilt. Deshalb werden auch die obersten Engel von der kirchlichen Überlieferung als Vollender, Erleuchter und Reiniger der untern Chöre bezeichnet.

2) Die Urquelle aller Stufenordnung hat dies als festes Gesetz aufgestellt, daß die niedern Klassen durch die höhern an den göttlichen Einstrahlungen Anteil gewinnen.

3) Verschiedene Beispiele aus der heiligen Geschichte bestätigen dies, so z. B. die Vision des Zacharias über das Wiederaufblühen Jerusalems, desgleichen die Ezechiel gewordene Verheißung, daß die Unschuldigen von den Schuldigen ausgesondert würden. Andere Beispiele aus Daniel 9, 23; Ezechiel 10, 1 und 10, 7; Daniel 8, 16 werden noch angeführt.

4) Je mehr die kirchliche Hierarchie nach diesem in der himmlischen Hierarchie herrschenden Fundamentalgesetz sich gestaltet, desto mehr wird sie an der Schönheit derselben teilnehmen und dem obersten Prinzip aller hierarchischen Gliederung angenähert werden.

Zuverlässig werden wir nun die Tatsache, daß in besagter Weise von einem Engel zum andern die Kunde durch Rede vermittelt wird, zum Maßstab dafür nehmen, wie sich die Vervollkommnung auf weitere Entfernung vollzieht und über dem Heraustreten in die tiefere Ordnung verdunkelt wird! Wie die Kenner unserer heiligen Weihen sagen, daß die unmittelbare Erfüllung mit dem göttlichen Lichte vorzüglicher sei als die Mitteilung seitens anderer, welche Gott zu schauen gewürdigt werden, so ist auch nach meinem Dafürhalten die unmittelbare Anteilnahme jener Engelordnungen, welche an erster Stelle zu Gott sich erheben, lichtvoller als die der mittelbar zur Vollkommenheit geführten Geister. Deshalb werden auch von unserer priesterlichen Überlieferung die obersten Engel vollendende, erleuchtende und reinigende Mächte der tieferstehenden genannt, insofern diese durch jene zum überwesentlichen Prinzip aller Dinge emporgeführt werden und, soweit es ihnen verstattet ist, an der Reinigung, Erleuchtung und Vollendung, die von dem Urquell aller Weihe und Vollendung ausgehen, Anteil nehmen.

Denn das ist überhaupt ein von dem göttlichen Prinzip aller Ordnung (ταξιαρχία) in gottgeziemender Weise aufgestelltes Gesetz, daß die Glieder der zweiten Ordnung durch Vermittlung der ersten an den urgöttlichen Einstrahlungen teilhaben.

Du wirst aber auch bei den inspirierten Schriftstellern dieses Gesetz oft geoffenbart finden. Denn als die väterliche Menschenfreundlichkeit Gottes Israel zum Zwecke der Bekehrung und heiligen Rettung in Zucht genommen und strafenden, grausamen Völkern zur Besserung überliefert hatte, da ließ er, unter mannigfacher Hinleitung seiner Schützlinge [76] zum Besseren, sie aus der Gefangenschaft auch wieder ziehen und führte sie abermals in die frühere glückliche Lage liebreich zurück. Einer der Propheten, Zacharias [77], sieht da einen Engel, der meines Erachtens zu den ersten gehört, welche um Gott stehen (denn der Name Engel ist, wie gesagt, allen gemeinsam), wie er unmittelbar von Gott die tröstlichen Worte über diese Tatsache, wie erwähnt, vernimmt. Dann sieht er einen andern der untergeordneten Engel dem ersten entgegeneilen, wie zur Aufnahme und Mitteilung der Erleuchtung, und ihn alsdann von jenem als Hierarchen in den göttlichen Ratschluß eingeweiht werden und sieht an ihn den Auftrag erteilt, dem Propheten die geheime Kunde mitzuteilen, daß Jerusalem in reicher Fruchtbarkeit blühend von einer Menge Menschen werde bewohnt werden. Ein anderer der Propheten aber, Ezechiel, sagt, daß dieses Gesetz in allheiliger Weise von der über den Cherubim thronenden [78], überherrlichen Gottheit selbst sei aufgestellt worden. Denn als die väterliche Menschenfreundlichkeit, wie gesagt, Israel auf dem Wege der Zucht zur Besserung hinlenkte, erachtete sie es in gottgeziemender Gerechtigkeit für angemessen, die Schuldigen von den Unschuldigen abzusondern. In diesen Ratschluß wird nach den Cherubim zuerst der Engel eingeweiht, dessen Hüfte mit einem Saphirgürtel umgürtet ist und der zum Zeichen der hierarchischen Würde das bis zu den Füßen niederwallende Kleid trägt [79]. Den andern Engeln aber, welche die Beile tragen, befiehlt die göttliche Urordnung, von dem ersten Engel über die hierin von Gott getroffene Sonderung sich belehren zu lassen. Denn dem einen gebietet er, mitten durch Jerusalem zu gehen und auf die Stirne der unschuldigen Männer das Zeichen zu machen. Den andern aber sagt er: Gehet hinter ihm her in die Stadt und hauet nieder und schonet nicht vor euren Augen, aber an alle, an welchen das Zeichen ist, tretet nicht heran. Was möchte einer über den Engel sagen, der zu Daniel sprach: „Das Wort ist ergangen“ [80] oder über jenen ersten Engel selbst, der das Feuer aus der Mitte der Cherubim empfing [81]. Oder, was ein noch stärkerer Beweis als dieser für die schöne Stufenordnung der Engel ist, daß die Cherubim das Feuer in die Hände jenes legen, der mit dem weißen Kleide angetan ist [82]. Oder über den Engel, welcher den göttlichsten Gabriel rief und ihm sagte: Lasse ihn die Vision erkennen [83], oder was sonst alles von den heiligen Propheten über die gottähnliche Wohlordnung der himmlischen Hierarchien gesagt ist [84]. Wenn sich ihr die Ordnung unserer Hierarchie nach Möglichkeit verähnlicht, so wird sie die engelhafte Schönheit wie in Abbildern besitzen, da sie durch jene gestaltet und zur überwesentlichen Urordnung jeder Hierarchie emporgeführt wird.

9. Kapitel

Die Fürstentümer, Erzengel und Engel und die letzte von ihnen gebildete Hierarchie.

§ 1.

Die Fürstentümer, Erzengel und Engel und die letzte von ihnen gebildete Hierarchie. <k>

§ 1.

1) Die letzte Triade wird aus den Fürstentümern, Erzengeln und Engeln gebildet und es ist wieder eine Erklärung der ihnen beigelegten Namen zu geben.

2) Der Name der Fürstentümer besagt den Fürstencharakter dieser Engel, ihre Hinwendung zum Urquell alles Fürstentums und die Emporführung anderer zu demselben, ferner die Verähnlichung mit dem Urprinzip alles Fürstentums und dessen Wiederspiegelung in der schönen Ordnung der fürstlichen Gewalten.

Es ist für die heilige Betrachtung noch die Ordnung übrig, welche die Hierarchien der Engel abschließt und von den gottähnlichen Fürstentümern, Erzengeln und Engeln gebildet wird. Zuerst nun glaube ich nach meinen besten Kräften die Aufschlüsse, welche in ihren heiligen Namen enthalten sind, erläutern zu müssen. Denn der Name der Fürstentümer (ἀρχαί) bezeichnet den gottähnlichen Fürsten- und Führercharakter der himmlischen Fürstentümer in Verbindung mit der heiligen und den Fürstengewalten bestgeziemenden Ordnungsstufe, ferner ihre gänzliche Hinwendung zum überfürstlichen Fürstentum und ihre fürstliche Leitung anderer; endlich ihre möglichst treue Nachbildung nach eben jenem Prinzip, das Fürstenherrschaft schafft, und die Offenbarung des überwesentlichen Urgrundes aller Stufenordnung vermittels der Musterordnung der fürstlichen Gewalten.

§ 2.

1) Der gleichen Ordnung wie die Fürstentümer gehören die Erzengel (ἀράγγελοι) an. Gemäß der Gliederung jeder Hierarchie in erste, mittlere und letzte Stufen bilden die Erzengel durch ihre Mittelstellung die Verbindung der äußeren Glieder. Mit den Fürstentümern haben sie gemeinsam die Hinwendung zum Urquell der Herrschaft und die Einigung der Engel vermittels einer wohlgeordneten Leitung. Mit den Engeln haben sie Teil an der Stellung von Dolmetschern, sofern sie die die göttlichen Erleuchtungen durch die ersten Engel empfangen, den Engeln mitteilen und durch diese uns offenbaren.

2) Die Engel schließen die himmlischen Ordnungen ab. Sie werden mit größerem Rechte als die andern „Engel“ genannt, weil sie der irdischen Welt am nächsten stehen. Es ist nämlich zu glauben, daß die oberste, Gott am nächsten stehende Triade auf die zweite hierarchisch einwirke, daß dann die zweite hinwieder Führerin der dritten sei, weil sie mehr als die erste, weniger aber als die dritte in die Erscheinung tritt, daß endlich die dritte Triade das Vorsteheramt über die Hierarchien unter den Menschen inne hat, damit so einerseits der stufenweise Aufstieg zu Gott und die Vereinigung mit ihm, andrerseits der auf der Güte Gottes beruhende harmonische Abstieg seiner Mitteilungen sich vollziehe.

3) Deshalb finden wir in der Schrift unsere Hierarchie den Engeln zugewiesen, Michael als Herrscher des jüdischen Volkes und andere Engel als Herrscher anderer Völker bezeichnet.

Der Chor der heiligen Erzengel steht mit den himmlischen Fürstentümern auf gleicher Stufe. Denn sie und die Engel bilden, wie ich sagte, eine Hierarchie und Ordnung. Da es nun aber keine Hierarchie gibt, welche nicht erste, mittlere und letzte Mächte besäße, so hält der heilige Chor der Erzengel durch seine Mittelstellung in der Hierarchie die (beiden) Endglieder gemeinschaftlich zusammen; denn er steht in Gemeinschaft mit den heiligsten Fürstentümern und mit den heiligen Engeln, mit den einen, weil er zur überwesentlichen Fürstenhoheit in fürstlicher Weise hingewendet ist und ihr soweit als möglich sich nachbildet und gemäß seinen wohlgeordneten, festbestimmten und unsichtbaren Führungen die Engel ins Eine vereinigt. Mit den andern hat er Gemeinschaft, weil auch er die Stellung von Dolmetschern einnimmt, insofern er die urgöttlichen Erleuchtungen durch Vermittlung der ersten Mächte in sich hierarchisch aufnimmt und sie dann den Engeln gütig offenbart und vermittels der Engel auch uns kund tut, wie es dem heiligen Grade eines jeden der göttlich Erleuchteten entspricht.

Denn die Engel schließen, wie wir schon gesagt haben, die sämtlichen Ordnungen der himmlischen Geister ergänzend ab, weil sie unter den himmlischen Wesen das Eigentümliche der Engelnatur im untersten Grade besitzen. Und sie werden von uns mit um so größerem Rechte gegenüber den höheren Geistern „Engel“ genannt, weil ihre Hierarchie auch mehr im Gebiet des mehr Sichtbaren ist und der irdischen Welt näher steht. Denn man muß annehmen, daß die höchste Ordnung, wie gesagt, weil sie dem Verborgenen in erster Rangstufe zunächst steht, auf verborgene Art die zweite Ordnung hierarchisch leite, diese zweite aber, welche von den heiligen Herrschaften, Mächten und Gewalten gebildet wird, der Hierarchie der Fürstentümer, Erzengel und Engel vorstehe, mehr in die Sichtbarkeit tretend als die erste Hierarchie, verborgener aber als die nach ihr folgende Hierarchie. Endlich (muß man dafür halten), daß die offenbarende Ordnung der Fürstentümer, Erzengel und Engel durch ihre gegenseitige Einwirkung den Hierarchien unter den Menschen vorstehe, damit nach einer abgestuften Ordnung die Emporführung und Hinwendung zu Gott, Gemeinschaft und Vereinigung mit ihm und desgleichen die Ausstrahlung aus Gott, welche allen Hierarchien in Güte zuerteilt wird und gemeinschaftlich mit Wahrung der heiligsten Ordnungsschönheit zufließt, bestehen bleibe. Deshalb hat die Gottesoffenbarung unsere Hierarchie den Engeln zugewiesen, da sie Michael den Fürsten des Judenvolkes [85] und andere (Engel) (die Fürsten) anderer Völker nennt. Denn es hat der Höchste die Grenzen der Völker nach der Zahl der Engel festgestellt [86].

§ 3.

1) Auf den Einwand, warum dann bloß das israelitische Volk der Offenbarung teilhaft wurde, ist zu erwidern, daß man die Verirrung der andern Völker nicht den über sie gesetzten Engeln schuldgeben dürfe, sondern den Fehlern der Völker selbst zuschreiben müsse. Ein Beweis hiefür ist der Vorwurf, der selbst dem auserwählten Volke Gottes gemacht wurde.

2) Die Menschen haben ihren freien Willen; der Strahl der Erleuchtung wird nicht in sich verdunkelt, sondern tritt entweder gar nicht in das geistige Auge ein, falls es keine Empfänglichkeit besitzt, oder teilt sich in verschiedener Stärke mit, je nachdem dasselbe mehr oder weniger gut disponiert ist.

3) Auch die heidnischen Völker, welchen der Verfasser ehedem angehörte, hatten nicht fremde Götter zu ihren Vorstehern; es gibt vielmehr nur einen Ursprung von allem und zu dem führten alle Engel empor. So z. B. ist Melchisedech ein Hierarch des wahren Gottes; er heißt „Priester“ (Gottes), um anzudeuten, daß er nicht bloß für seine Person sich zu Gott wandte, sondern auch andere zu Gott führte.

Wenn aber jemand sagen sollte: „Aber wie ward dann das Volk der Hebräer allein zu den urgöttlichen Strahlen emporgeführt?“, so ist zu erwidern, daß man nicht die zielgerechte Vorstandschaft der Engel für die Abirrung der andern Völker zu den falschen Göttern, sondern jene Völker selbst verantwortlich machen soll, weil sie durch die eigenen Triebe von dem geraden, zu Gott führenden Aufstieg abgewichen sind, nämlich durch ihre Selbstsucht, Vermessenheit und die dem entsprechende Verehrung dessen, was ihnen als Göttliches erschien. Ist es doch sogar vom Volke der Hebräer bezeugt, daß es dieses (Unglück) erlitten hat. Denn es sagt Gott: „Die Kenntnis Gottes hast du verworfen und bist deinem Herzen nachgewandelt“ [87]. Das Leben, das wir haben, ist nämlich nicht dem Zwange unterworfen und wegen der Willensfreiheit derer, welche Gegenstand der Vorsehung sind, wird das göttliche Licht der von der Vorsehung ausgehenden Einstrahlungen nicht verdunkelt, sondern entweder macht die heterogene Beschaffenheit der geistigen Augen die Teilnahme an der übervollen Lichtspendung der väterlichen Güte ganz unmöglich und läßt sie vergeblich abprallen, oder sie bewirkt verschiedene Grade der Mitteilung, kleine oder große, dunkle oder helle des einen und einfachen Strahls, der in seiner Quelle immer sich gleichbleibt und übereinfach ist. Denn auch über die andern Völker — aus welchen auch wir [88] zu jenem unermeßlichen und reichen Ocean des göttlichen Lichtes uns emporrichteten [89], der für alle zur willigen Mitteilung ausgebreitet ist — regierten nicht fremdländische Götter. Es gibt vielmehr nur ein Urprinzip von allem und zu diesem führten die Engel, welche in jeglichem Volke die Hierarchie innehatten, alle empor, die ihnen folgen wollten. Was den Melchisedech betrifft, so muß man in ihm einen gottliebenden Hierarchen nicht der falschen Götter, sondern des wahrhaft seienden, höchsten Gottes erkennen, denn die Gotteskundigen nennen ihn nicht bloß einfachhin Freund Gottes, sondern auch Priester, um den verständigen (Lesern) anzudeuten, daß er nicht bloß für sich allein dem wahren Gotte sich zugewendet hatte, sondern auch andere als ein Hierarch in der Emporführung zur wahren und einzigen Urgottheit leitete [90].

§ 4.

1)Dem Pharao wurde von dem Engel Ägyptens, dem König von Babylon von dem zugehörigen Engel die Macht Gottes in Gesichten nahegebracht und Diener des wahren Gottes, wie Daniel und Joseph, traten für sie als Deuter solcher Offenbarungen auf.

2) Es gibt nur ein Urprinzip für alles und die Urgottheit hat nicht in dem Sinn die Leitung Israels als ihres „Losanteils“ geübt, daß für sich selbständige Engel oder fremde Götter an der Spitze der andern Völker gestanden hätten, sondern das Schriftwort ist so zu verstehen, daß zwar die Vorsehung alle Menschen der Führung der zustehenden Engel überwiesen, tatsächlich aber fast eben nur Israel der Erkenntnis des wahren Gottes sich zugewendet hat.

3) Die Offenbarung will einerseits Israels Auslosung zum Dienste des wahren Gottes bezeichnen, andrerseits nennt sie Michael den Führer des Volkes Israel, um anzudeuten, daß dieses gleicherweise wie andere Völker irgend einem Engel zuerteilt worden ist.

4) Hierin liegt die Lehre von der Einheit der Vorsehung und von der gemeinsamen Aufgabe der Engel, die einzelnen Völker zu Gott zu führen, ausgesprochen.

Auch an diese Tatsache wollen wir deine hierarchische Einsicht erinnern, daß dem Pharao von dem Schutzengel Ägyptens [91] und dem Herrscher von Babylon von dem zugehörigen Engel [92] in den Gesichten die Fürsorge und Gewalt der über alles sich erstreckenden Vorsehung und Herrschermacht vermittelt wurde. Wir erinnern daran, daß die Diener des wahren Gottes jenen Völkern als Führer in der Deutung der von den Engeln in bildlichen Erscheinungen gewährten Offenbarung auftraten, welche (Offenbarung) den heiligen, den Engeln nahestehenden Männern, einem Daniel und einem Joseph, von Gott aus durch Engel enthüllt wurde [93], denn es gibt nur eine Urquelle und Vorsehung von allem. In keinem Falle darf man der Ansicht sein, daß die Urgottheit nach der Auswahl des Loses die Juden leite, Engel dagegen auf eigene Faust, sei es in gleicher, sei es in entgegengesetzter Tendenz [94], oder irgend welche andere Götter an der Spitze der andern Völker stehen. Jenes Schriftwort darf man nicht in dem heiligen Sinne verstehen, als ob Gott mit andern Göttern oder mit Engeln die Regierung bei uns Menschen geteilt hätte, wobei Israel ihm als dem Herrscher und Führer des Volkes „durch das Los zugefallen wäre“, sondern auf folgende Weise. Die eine allgemeine Vorsehung des Allerhöchsten hat alle Menschen behufs ihrer Rettung den emporführenden Handreichungen der zugehörigen Engel überwiesen, aber so ziemlich ist nur Israel im Gegensatz zu allen zur Erleuchtung und Erkenntnis des wahren Herrn bekehrt worden. Daher sagt die Offenbarung, um anzudeuten, daß Gott sich Israel zum wahren Gottesdienste erlost habe, „Anteil des Herrn ist Israel geworden“ [95]. Damit aber das Offenbarungswort zugleich zu verstehen gebe, daß auch Israel in gleicher Weise wie die übrigen Völker [96] irgend einem der heiligen Engel zuerteilt worden sei, um durch ihn die eine höchste Ursache von allem zu erkennen, deshalb sagt es, daß Michael das jüdische Volk regiere und lehrt uns damit deutlich, daß es nur eine Vorsehung von allem gebe, welche überwesentlich über allen unsichtbaren und sichtbaren Mächten thront, und daß alle Engel, welche die einzelnen Völker regieren, zu ihr als dem eigentlichen Ursprung die freiwillig Folgenden nach Kräften emporführen.

10. Kapitel

Wiederholung und Zusammenfassung der Engelordnung.

§ 1.

Wiederholung und Zusammenfassung des über die Engelordnung Gesagten.

§ 1.

1) Die oberste Ordnung der Engel wird unmittelbar von Gott auf eine uns mehr entrückte und lichtvolle Weise gereinigt, erleuchtet und vollendet.

2) Von dieser obersten Trias wird dann die zweite, von der zweiten die dritte Trias, von dieser endlich unsere Hierarchie zum Urprinzip aller Ordnung emporgeführt.

Wir haben also das Ergebnis gewonnen, daß die vornehmste Ordnung der um Gott stehenden Geister von der Einstrahlung, die dem Urquell aller Weihevollendung entströmt, hierarchisch erfüllt und in unmittelbarer Erhebung zu demselben durch eine verborgenere und glanzvollere Lichtmitteilung der Urgottheit gereinigt, erleuchtet und vollendet wird. Durch eine verborgenere, insofern sie geistiger, mehr vereinfachend und mehr einigend ist, durch eine glanzvollere, weil sie zuerst gegeben, zuerst erscheinend und volleren Umfangs ist und in reichlicherem Maße in diese (erste) Ordnung, die ja durchleuchtbar ist, sich ergießt. Von ihr wird dann in entsprechendem Grade die zweite Ordnung, von der zweiten die dritte und von der dritten unsere Hierarchie nach dem gleichen Gesetz des wohlgeordneten Prinzips aller Ordnung in göttlicher Harmonie und Ebenmäßigkeit zu dem überanfänglichen Anfang und Endabschluß jeglicher Wohlordnung hierarchisch emporgeführt.

§ 2.

1) Jeder Chor hat die Aufgabe, von dem ihm zunächst übergeordneten Chor Kunde zu geben, denn zur sukzessiven Emporführung ist das so bestimmt und jede Hierarchie dreistufig abgeteilt.

2) Auch innerhalb der einzelnen Ordnung sind wieder harmonische Abstufungen, wie aus Is. 6, 3 hervorgeht.

Alle Chöre der Engel sind aber Offenbarer und Künder derer, die vor ihnen sind, die vornehmsten sind Offenbarer Gottes, ihres Bewegers; in entsprechendem Maße sind dann die übrigen Engel Offenbarer der von Gott bewegten Geister. Denn auf solche Art hat die überwesentliche Harmonie des Alls für die heilige Musterordnung und die festbestimmte Emporführung eines jeden vernünftigen und geistigen Wesens vorgesorgt, da sie auch für jede einzelne Hierarchie heiligmäßige Stufen festsetzte und wir jede Hierarchie in die ersten, mittleren und letzten Mächte geteilt sehen. Aber auch die einzelne Ordnung selbst hinwieder hat die Vorsehung, um es richtig zu sagen, nach den gleichen, göttlich harmonischen Maßverhältnissen unterschieden. Daher sagen die inspirierten Schriftsteller, daß sogar die göttlichsten Seraphim einer dem andern zugerufen hätten [97], womit sie, wie ich glaube, deutlich zu erkennen geben, daß die ersten Engel den zweiten von den Erkenntnissen der Gotteswissenschaft mitteilen [98].

§ 3.

Auch jeder Engel und Menschengeist besitzt eine dreifach abgestufte Ordnung von Kräften, welche dem hierarchischen Doppelgesetz des Nieder- und Aufstiegs unterworfen sind, um der Reinigung, Erleuchtung und Vollendung teilhaftig zu werden. Denn alles, ausgenommen Gott, bedarf der Vervollkommnung.

Auch das dürfte ich wohl schicklich hinzufügen [99], daß selbst jeder einzelne himmlische und menschliche Geist für sich erste, mittlere und letzte Ordnungen und Kräfte eigentümlich besitzt, welche analog den geschilderten Erhebungen wie sie den Einstrahlungen der einzelnen Hierarchien entsprechen, offenbar werden. Gemäß diesen Ordnungen und Kräften erlangt jeder einzelne Geist in dem ihm zustehenden und erreichbaren Maße Anteil an der überheiligsten Reinheit, dem übervollen Lichte, der absoluten Vollendung. Denn nichts ist in sich selbst vollendet oder überhaupt der Vollendung unbedürftig, außer das wahrhaft in sich selbst Vollendete und absolut Vollkommene? [100].

11. Kapitel

Warum alle himmlischen Wesen mit dem gemeinsamen Namen „himmlische Mächte" bezeichnet werden.

§ 1.

Warum alle himmlischen Wesen mit dem Namen „himmlische Mächte“ bezeichnet werden. <k>

§ 1.

1) Warum allen Engeln auch der gemeinsame Name „Mächte“ beigelegt wird, obwohl der Chor der Mächte nicht der nach unten abschließenden Ordnung angehört und obwohl die höheren Chöre zwar alle Erleuchtungen der tiefern besitzen, nicht aber umgekehrt.

2) Werden doch die himmlischen Geister keineswegs mit dem Namen „Seraphim“ oder „Throne“ oder „Herrschaften“ gemeinsam bezeichnet; wohl aber sind die Chöre, welche erst nach den Mächten im Range folgen, auch unter dem Namen „Mächte“ eingeführt.

Nach diesen unterscheidenden Bestimmungen verdient auch die Frage Erwägung, aus welchem Grunde wir alle Engelnaturen mit dem gemeinsamen Namen himmlische „Mächte“ zu bezeichnen pflegen [101]. Denn man kann nicht, wie bei den Engeln, sagen, daß die Ordnung der heiligen Mächte die letzte von allen ist. Und es haben doch nur die Ordnungen der höheren Wesen an der heiligen Erleuchtung der letzten Anteil, keineswegs aber (umgekehrt) die letzten an der Erleuchtung der ersten. Und deshalb werden zwar alle göttlichen Geister himmlische „Mächte“ genannt, in keiner Weise aber „Seraphim“ und „Throne“ und „Herrschaften“, denn die letzten Ordnungen sind der Eigentümlichkeiten der ersten nicht nach dem vollen Umfange teilhaftig. Die Engel aber nun und die über ihnen stehenden Erzengel, Fürstentümer und Gewalten, welche von der göttlichen Offenbarung im Range unter die Mächte gestellt sind, werden oft von uns gemeinsam und zusammen mit den andern heiligen Wesen himmlische „Mächte“ genannt.

§ 2.

1) Durch die erwähnte gemeinsame Benennung entsteht keine Verwirrung in den Engelordnungen. Denn weil in allen göttlichen Geistern die Dreiheit von Wesen, Macht und Wirksamkeit vorhanden ist, so dürfen wir sie umschreibend auch himmlische Wesen oder himmlische Mächte nennen.

2) Es haben die höheren Stände alles, was in den niedern ist, aber nicht umgekehrt; nur teilweise nehmen die tiefern Ordnungen an dem Lichte teil, das ihnen durch die höhern vermittelt wird.

Wir behaupten, daß wir dadurch keinerlei Verwirrung in den Eigenschaften jeglicher Ordnung stiften, daß wir bei allen gemeinschaftlich die Benennung „himmlische Mächte“ verwenden. Weil vielmehr bei allen göttlichen Geistern nach dem ihnen zukommenden überweltlichen Charakter Wesenheit, Macht und Wirksamkeit unterschieden sind, so muß man dafür halten, daß wir, so oft wir alle oder einige von ihnen ohne Unterschied „himmlische Wesen“ oder „himmlische Mächte“ nennen, diejenigen, von welchen die Rede ist, in umschreibender Form nach der den einzelnen eigenen Wesenheit oder Macht benennen. Denn das soll man durchaus nicht meinen, daß wir die höhere Eigenart der von uns bereits genugsam geschiedenen heiligen Mächte auch den untergeordneten Chören im vollen Umfange zusprechen wollten, um dadurch die unvermischbare Stufenreihe der Engelordnungen umzustoßen. Denn gemäß dem von uns schon oft und richtig gelieferten Nachweis haben die höherstehenden Ordnungen auch die Eigenschaften der tieferstehenden auf eine überschwengliche Weise, die letzten Ordnungen dagegen besitzen nicht die überlegene Gesamtfülle der vornehmeren, da die zuerst aufleuchtenden Einstrahlungen durch die ersten Chöre ihnen nur teilweise in entsprechendem Verhältnis vermittelt werden.

12. Kapitel

Warum die Hierarchen bei den Menschen „Engel“ heißen.

§ 1.

Warum die Hierarchen bei den Menschen „Engel“ heißen.

§ 1.

Warum der Bischof „Engel“ genannt wird, da doch das Niedere nicht die ganze Fülle des Höheren besitzt.

Aber auch folgende Frage wird von den Männern, welche gerne in den geistlichen Aussprüchen forschen, aufgeworfen. Wenn das Letzte nicht an der Gesamtfülle des Höheren teilhat, aus welchem Grunde ist dann der Hierarch unserer Kirche von der Schrift „Engel des allmächtigen Gottes“ genannt? [102]

§ 2.

Antwort:

1) Das Niedere hat zwar nicht nach der ganzen Fülle am Höheren teil aber doch wegen der Kontinuität aller Ordnungen in entsprechendem Teilmaße. So z. B. ist die Weisheit und Erkenntnis der Cherubim in einem bestimmten abgeschwächten Grade auch den tieferen Chören eigen; irgendwie der Weisheit und Erkenntnis teilhaftig zu sein ist ein gemeinsamer Vorzug aller gottähnlichen Geister, aber der verschiedene Grad der Teilnahme entspricht der verschiedenen Aufnahmsfähigkeit.

2) Dieses Gesetz gilt von allen göttlichen, geistbegabten Wesen. Demnach nennt die heilige Schrift mit Recht unsern Bischof einen Engel, weil er an dem Berufe der Engel, das Göttliche zu deuten, teilnimmt und ähnlich wie sie eine verkündende Tätigkeit ausübt.

Die Benennung widerspricht meines Erachtens keineswegs den früher aufgestellten Sätzen. Wir sagen nämlich so. Die letzten (Glieder der Hierarchie) ermangeln allerdings der totalen und erhabenen Macht der vornehmeren Ordnungen, denn sie besitzen dieselbe nur in einem entsprechenden Teilmaße, sowie es die eine harmonische und alles verbindende Gemeinschaft bedingt. So z. B. hat der Chor der heiligen Cherubim an einer höhern Weisheit und Erkenntnis teil, die Ordnungen der ihnen nachstehenden Wesen dagegen nehmen zwar auch an der Weisheit und Erkenntnis Anteil, aber nur, im Vergleich zu jenen, in einem partiellen und abgeminderten Grade. Überhaupt ist Weisheit und Erkenntnis mitzubesitzen ein gemeinsames Gut aller intelligenten Wesen, die Gott ähnlich sind, aber unmittelbar und an erster Stelle, oder in zweitem und tieferstehendem Grade daran teilzunehmen, das ist nicht mehr gemeinsam, sondern verschieden, sowie es für einen jeden seitens des ihm eigenen entsprechenden Fassungsvermögens bestimmt ist. Dieses Gesetz dürfte man nun auch hinsichtlich aller göttlichen Geister ohne zu irren feststellen. Denn gleichwie die ersten die eigentümlichen heiligen Kräfte der letzten überschwenglich besitzen, so haben die letzten die Eigenschaften der ersten, allerdings nicht in ähnlichem, wohl aber in untergeordnetem Grade. So ist es also, wie ich denke, nicht unpassend wenn die Offenbarung auch unsern Hierarchen „Engel“ heißt, da er ja entsprechend der ihm eigenen Macht an dem den Engeln zukommenden Berufe eines Deuters (der göttlichen Dinge) teil hat und, soweit es Menschen möglich ist, zu dem ihnen ähnlichen Range des Verkündigers erhoben wird.

§ 3.

Sogar den Namen „Götter“ legt die Schrift den Engeln und den heiligen Männern bei, obschon die Gottheit über alles Geschaffene erhaben ist. Trotzdem kann auch das geschaffene Wesen welches zu möglichster Einigung mit Gott sich erhebt, den Gottesnamen tragen.

Du wirst aber finden, daß die Offenbarung sowohl die himmlischen, uns überragenden Wesen wie die heiligen Männer unter uns, welche die größte Gottesliebe besitzen, auch „Götter“ [103] nennt, obschon doch die urgöttliche Heimlichkeit überwesentlich über alles entrückt und erhaben ist und nichts von den geschaffenen Dingen im eigentlichen und vollen Sinne als ihr gleichend bezeichnet werden kann. Gleichwohl ist alles was in der geistigen und vernünftigen Welt nach Kräften zur Einigung mit ihr sich vollständig hingewendet hat und zu ihren göttlichen Einstrahlungen nach Möglichkeit sich unaufhörlich erhebt, auf Grund der nach ganzer Kraft erstrebten Nachahmung Gottes, wenn man so sagen darf, auch des göttlichen Namens gewürdigt.

13. Kapitel

Warum es heißt, der Prophet Isaias sei von den Seraphim entsühnt worden.

§ 1.

Warum es heißt, der Prophet Isaias sei von den Seraphim entsühnt worden. <k>

§ 1.

Die auffällige Sendung eines Seraph zum Propheten Isaias.

Wohlan, laßt uns nach bestem Wissen auch untersuchen, aus welchem Grunde der Seraph, wie (in der Schrift) gesagt ist, zu einem der Propheten abgesandt wird [104]. Man möchte ja darüber im Unklaren sein, warum nicht irgend einer von den untergeordneten Engeln, sondern gerade einer, welcher zu den vornehmsten Wesen zählt, den Propheten (ὑποφήτης) entsühnt [105].

§ 2.

Erste Lösung: Es sei nicht einer der höchsten Engel zur Entsühnung des Propheten entsendet worden, sondern einer von den Engeln, die den Menschen vorstehen, und dieser sei mit dem Namen „Seraphim“ bezeichnet worden, weil er sich der glühenden Kohle bediente. Die Schrift meine hier nicht einen eigentlichen Seraph.

Einige sagen nun, daß gemäß dem schon früher erwiesenen Gesetze der unter allen Geistern herrschenden Gemeinschaft die Schrift (hier) nicht einen der ersten, um Gott stehenden Geister bezeichnet, der zur Entsühnung des Propheten gekommen wäre. Es sei vielmehr einer der über uns gesetzten Engel als Vollzieher der Entsühnung des Propheten mit dem Namen Seraph belegt worden, weil er die erwähnten Fehler durch feurige Glut hinwegnahm und den Entsühnten zum göttlichen Dienste entflammte [106]. Das Schriftwort habe, sagen sie, nur allgemein (im weitern Sinn) von einem der Seraphim gesprochen, nicht von denen, die um Gott stehen, sondern von den entsühnenden Mächten, die uns vorstehen.

§ 3.

1) Eine andere Lösung meint, jener dem Propheten erschienene Engel habe das Geschäft der Entsühnung auf Gott und nächst Gott auf die erstwirkende Hierarchie zurückbezogen. Die göttliche Macht durchdringt und durchwirkt nämlich alles.

2) Sie teilt ihr Licht zunächst den vornehmsten Geistern und durch diese in entsprechenden Maßen den tieferstehenden Engeln mit.

3) Als Gleichnis dient das Sonnenlicht, welches durch die erste Materie am hellsten hindurchgeht, durch die dichteren Stoffe dagegen wegen ihrer ungeeigneten Beschaffenheit nur verdunkelt oder beinahe gar nicht dringt.

4) Ein zweites Gleichnis wird dem Gesetze der Wärmestrahlung entnommen. Das Feuer bringt die Stoffe, welche für seine Aufnahme geeignet sind, leichter zur Entzündung als die weniger brennbaren Dinge, welche dem Wesen des Feuers nicht so verwandt sind und deshalb der Verähnlichung mit ihm widerstreben. Diese können aber immerhin durch Vermittlung brennbarer Stoffe ebenfalls erhitzt werden wie z. B. das Wasser.

5) Analog den geschilderten, physikalischen Vorgängen wird die Lichtmitteilung aus der Urquelle durch die höheren Wesen den niedern vermittelt. Die vornehmsten Geister sind durch erstgradiges Erkennen, Lieben und Nachahmen Gottes ausgezeichnet, ihre neidlose Mitteilung weckt dann einen ähnlichen Wetteifer bei den tieferen Ordnungen.

6) Gott ist das wesenhafte Licht und Prinzip alles Seins und Schauens; gemäß göttlicher Anordnung ist dann jede höhere Stufe mittelbar in abgeminderten Maßen die Lichtquelle für die nächst niedere.

7) Dieses Gesetz erkennen die Engel der untern Stufen und führen demnach alle ihre Wirksamkeit auf Gott als letzte Ursache und auf die obersten Engel als erstwirkende Organe zurück. So hat also die erste Ordnung das höchste Maß von Liebe, Erkenntnis und Aufnahmsfähigkeit für das Göttliche, die tieferen Ordnungen dagegen haben an diesen Eigenschaften geringeren Anteil und schauen und streben aufwärts nach den höheren, sie erleuchtenden Chören. Ihnen schreiben sie daher als ihren Hierarchen nächst Gott die also mitgeteilten Kräfte zu.

Ein anderer aber bot mir für den in Rede stehenden Einwand eine nicht eben unpassende Lösung dar. Er sagte nämlich, daß jener große Engel — wer es nun immer sein mochte —, der behufs der Einführung des Propheten in die göttlichen Geheimnisse die Vision hervorbrachte, den ihm zustehenden heiligen Dienst der Entsühnung auf Gott und nächst Gott auf die erstwirkende Hierarchie zurückgeführt habe. Und ist nun dieses Wort nicht der Wahrheit entsprechend? Denn es sagte mein Gewährsmann, daß die urgöttliche Kraft über alles hingeht und sich erstreckt und durch alles ungehemmt hindurchdringt und doch hinwieder allem unsichtbar ist, nicht bloß, weil sie über alles überwesentlich erhaben ist, sondern auch, weil sie verborgener Weise ihre fürsorglichen Wirkungen in alles entsendet. Aber nun fürwahr zeigt sie sich allen geistigen Wesen auf entsprechende Weise und indem sie die Ergießung ihres eigenen Lichtes den vornehmsten Wesen spendet, verteilt sie dasselbe durch diese als die ersten hindurch in schöner Ordnung auf die tieferstehenden, entsprechend der harmonisch abgestuften jeglicher Ordnung eigenen Kraft, Gott zu schauen.

Um deutlicher zu sprechen und natürliche naheliegende Beispiele zu gebrauchen (mögen sie auch Gott gegenüber, der über alles erhaben ist, unzulänglich sein, so sind sie doch für uns anschaulicher), der mitgeteilte Sonnenstrahl geht durch die erste Materie, welche durchleuchtbarer als alle andern ist, ohne Widerstand ein und läßt durch sie hindurch seinen eigenen Glanz lichter aufblitzen.

Wenn er aber auf die dichteren Stoffe fällt, so ist sein mitgeteiltes Licht mehr verdunkelt, weil die erleuchteten Gegenstände kein günstiges Verhältnis für Vermittlung der Lichtspendung besitzen und infolge davon wird der Strahl allmählich nahezu bis zur vollständigen Unmöglichkeit des Weiterdringens aufgehalten. Die Wärme des Feuers desgleichen teilt sich mehr den dafür empfänglicheren Stoffen mit, welche sich zur Verähnlichung mit ihm gut eignen und erheben lassen. An den widerstrebenden, entgegengesetzten Stoffen dagegen erscheint entweder gar keine oder nur eine dunkle Spur von der in Feuer verwandelnden Wirkung. Und was noch bedeutsamer ist, wenn es mit Stoffen in Berührung kommt, welche mit ihm verwandt sind und eine entsprechende Beziehung zu ihm haben, da macht es nach Umständen zunächst die Dinge, welche sich leicht verwandeln lassen, feuerförmig und erhitzt dann durch dieselben das Wasser oder irgend einen andern nicht leicht zu erhitzenden Stoff in entsprechender Weise. Nach dem gleichen Gesetz nun, das in der physikalischen Ordnung herrscht, läßt auch das ursprüngliche Ordnungsprinzip jeder sichtbaren und unsichtbaren Ordnung übernatürlicher Weise den Glanz der von ihm ausgehenden Lichtspendung in allseligen Ergießungen den höchsten Wesen im ersten Erscheinen aufleuchten und durch diese nehmen dann die nach ihnen folgenden Wesen am göttlichen Strahle teil. Denn jene erkennen Gott zuerst und streben im überragenden Maße nach der göttlichen Tugend und deshalb sind sie auch gewürdigt, in erster Linie die Gott nachahmende Kraft soviel als möglich auszuwirken und zu betätigen. Die nach ihnen folgenden Wesen aber erheben sie gütig, soweit es möglich ist, zu wetteiferndem Streben, indem sie ihnen von dem ihnen zuströmenden Glanze neidlos mitteilen. Und diese hinwieder handeln so gegenüber den tieferstehenden. Und auch jedes einzelne erste Wesen teilt dem nach ihm folgenden von dem geschenkten und durch die Vorsehung allen im rechten Verhältnis zufließenden göttlichen Lichte mit. So ist also Gott für alle, die erleuchtet werden, von Natur aus wesentlich und eigentlich Prinzip der Erleuchtung, da er wesenhaftes Licht und Urheber des Seins und Sehens selber ist. Dagegen ist das einzelne graduell übergeordnete Wesen für das nach ihm folgende nach positiver Anordnung und in Nachahmung Gottes Prinzip der Erleuchtung, sofern die göttlichen Lichtströme durch jenes auf dieses übergeleitet werden. Die höchste Ordnung der himmlischen Geister nun erkennen alle übrigen Engelnaturen mit Recht nächst Gott als die Quelle aller heiligen Gotteserkenntnis und Gottesnachahmung, da durch dieselbe auf alle Engel und auch auf uns die urgöttliche Erleuchtung verbreitet wird. Deshalb führen sie auch jede heilige und Gott nachahmende Tätigkeit auf Gott als ersten Urheber, auf die ersten, gottähnlichen Geister aber als auf die ersten Organe und Lehrer des Göttlichen zurück. Deshalb hat die erste Ordnung der heiligen Engel mehr als alle die Eigentümlichkeit des Erglühens und die (reich) ergossene Mitteilung der urgöttlichen Weisheit und die Erkenntniskraft für das höchste Wissen der göttlichen Einstrahlungen und besitzt das Charakteristische der Throne, das die offene Empfänglichkeit zur Aufnahme Gottes andeutet [107]. Die Ordnungen der tieferstehenden Wesen haben zwar an der Kraft des Erglühens, an der Weisheit, der Erkenntnis, der Aufnahme Gottes Anteil, aber in einem verminderten Grade, indem sie auf die ersten Wesen schauen und durch sie, die in erster Wirkung der Nachahmung Gottes gewürdigt sind, zu der erreichbaren Höhe der Gottähnlichkeit erhoben werden. Daher führen sie die erwähnten heiligen Eigenschaften, an welchen vermittels der ersten Wesen die nach ihnen folgenden Anteil gewinnen, nächst Gott auf eben dieselben (ersten) als Hierarchen zurück.

§ 4.

1) Die gegebene Lösung setzt voraus, daß dem Propheten durch einen niedrigeren Engel jene Vision vermittelt worden sei, in der ihm die höchsten Engel und Gott selbst gezeigt wurden. Isaias erkannte hiedurch, daß Gott über alles Sichtbare und Unsichtbare erhaben, der Urgrund aller Dinge und das Fundament ihres Seins und Bestehens ist.

2) Desgleichen wurden dem Seher die Eigenschaften der Seraphim geoffenbart, da ihm der Name Seraphim die Glutnatur derselben andeutete.

3) Die sechs Flügel der Seraphim bedeuten deren unablässige Erhebung zu Gott, die Menge ihrer Füße und Augen offenbaren die außerordentliche Sehkraft, das Bewegen nur des mittleren Flügelpaares die heilige Ehrfurcht und Zurückhaltung.

4) Ferner hörte der Prophet den Lobgesang der Seraphim und ward auch darüber belehrt, daß selbst für die Reinen die Teilnahme am göttlichen Licht weitere Reinigung bewirkt.

5) Dieses Licht, das sich alten heiligen Geistern geheimnisvoll mitteilt, ergießt sich in die zunächst um Gott stehenden Engel in hellerem Glanze, in die entfernter oder zu äußerst stehenden Vernunftwesen aber in dem Maße, als es dem betreffenden Abstand entspricht. Es leuchtet den Gliedern der tiefern Ordnung vermittels der ersten Engel und wird durch diese sozusagen aus dem Verborgenen ans Licht gezogen.

6) In dieses Gesetz nun, daß Reinigung und alle übrigen Wirkungen zuerst in den obersten Wesen hervortreten und durch diese dann den niedern nach Verhältnis vermittelt werden, wurde der Prophet eingeweiht und deshalb führte er die Tätigkeit des Reinigens (Entsühnens) nächst Gott auf die Seraphim zurück.

7) Wie Gott, da er jeglicher Reinigung Urgrund ist, alle reinigt, wie auf unsern Bischof, der durch Diakone und Priester reinigt und erleuchtet, die Reinigung und Erleuchtung der Gläubigen zurückgeführt wird, so führt auch der Engel, der den Propheten entsühnt, die Gabe zu entsühnen auf Gott als den Urheber, auf den Seraph als erstwirkenden Hierarchen zurück. Wiederholung des Gesagten.

8) Die eine oder andere der beiden Lösungen möge dem Adressaten genügen, oder er suche eine neue zu finden, oder von einem andern zu erfahren. Der Verfasser wünscht deren Mitteilung [108].

Es sagte nämlich der Mann, der die Erklärung gab, jenes Gesicht sei dem Propheten durch einen der heiligen und glückseligen Engel gezeigt worden, welche über uns als Vorsteher gesetzt sind, und durch dessen erleuchtende Anleitung sei er zu jenem geistigen Schauen erhoben werden, in welchem er die höchsten Wesen (um in Symbolen zu sprechen) unter Gott und mit Gott und um Gott gestellt sah und die überursprüngliche, auch über sie alle in überunaussprechlicher Weise entrückte Spitze inmitten der höheren Mächte erhöht erblickte. Durch die Vision erkannte der Prophet, daß die Gottheit in aller überwesentlichen Vorzüglichkeit unvergleichlich weit über jede sichtbare und unsichtbare Macht erhaben und, wahrhaftig einfachhin allem entrückt, auch nicht den ersten Wesen der Schöpfung vergleichbar ist. Er erkannte ferner, daß die Gottheit das Prinzip und die wesengebende Ursache und das unveränderliche Fundament des unauflöslichen Bestandes der Dinge sei, von welchem auch selbst die übergeordneten Mächte das Sein und das glückliche Sein haben. Weiterhin wurde der Prophet über die gottgleichen Kräfte der heiligsten Seraphim selbst geheimnisvoll aufgeklärt, da ihm der heilige Name derselben ihre Feuernatur anzeigte. Wir werden darüber ein wenig später reden, um nach unserem Vermögen die Aufschwünge der feuererfüllten Kraft zur Gottähnlichkeit zu schildern.

Wenn dann der heilige Prophet die unbehinderte und höchste Erhebung der heiligen, sechsflügelig gebildeten Gestalten zum Göttlichen in ersten, mittlern und letzten Erkenntnissen, ferner die zahllose Menge der Füße und Augen sah, und wie mit den Flügeln das Schauen unter die Füße und über das Antlitz verhindert wurde und nur in den mittlern Flügeln eine beständige Bewegung war, so ward er zur geistigen Erkenntnis der geschauten Dinge emporgehoben. Denn es wurde ihm die weitreichende und vielschauende Sehkraft der höchsten Geister, ihre heilige Scheu, welche sie überweltlich gegen die selbstmächtige, kecke und unerreichbare Erforschung der zu hohen und zu tiefen Geheimnisse hegen, und die unablässige, höchststrebende Beweglichkeit, welche sich allzeit in harmonischer Ordnung der gottnachahmenden Tätigkeiten zeigt, geoffenbart. Auch in jenen urgöttlichen und vielgepriesenen Lobgesang wurde er eingeweiht, da der Engel, welcher das Visionsbild formte, nach seinen Kräften dem Propheten von der eigenen heiligen Erkenntnis mitteilte. Er belehrte ihn desgleichen darüber, daß für alle, wie rein sie auch immer sein mögen, die geheimnisvolle, möglichste Teilnahme an dem urgöttlichen Strahlenglanze (weitere) Reinigung ist. Dieser Glanz nun, der von der Urgottheit selber aus erhabenen Ursachen in alle heiligen Geister in überwesentlicher Heimlichkeit mystisch verbreitet wird, erscheint den Mächten, welche um Gott stehen, weil sie die höchsten sind, in einem gewissen helleren Lichte und zeigt und teilt sich ihnen in höherem Grade mit. Bei den Geistern der tiefern Ordnung oder bei den letzten vernunftbegabten Wesen unter uns beschränkt sie in dem Verhältnis des Abstandes, den jedes in der Gottähnlichkeit einnimmt, das klare Licht, welches sie auf das einige und unerforschliche Wesen ihrer eigenen Heimlichkeit fallen läßt. Sie strahlt aber in die einzelnen Glieder der zweiten Ordnung vermittels der ersten hinein und wird, um es kurz zu sagen, zuerst durch die obersten Mächte aus der Verborgenheit ans Licht gebracht.

In diesem Gesetze also wurde der Prophet von dem Engel, der ihn erleuchtete, unterrichtet, daß nämlich die Reinigung und alle urgöttlichen Wirkungen, durch die obersten Wesen erstrahlend, auf alle übrigen verteilt werden, sowie es dem jeweiligen Grade der Anteilnahme am göttlichen Wirken entspricht. Deshalb hat er auch die eigentümliche Kraft durch Feuer zu reinigen geziemend nächst Gott auf die Seraphim zurückgeführt. Es ist daher kein Widerspruch, wenn es heißt, daß der Seraph den Propheten reinige. Wie nämlich Gott dadurch, daß er jeglicher Reinigung Ursache ist, alle reinigt, oder deutlicher (ich will ein naheliegendes Beispiel gebrauchen) gleichwie von unserm Hierarchen, wenn er durch seine Diakone oder Priester reinigt oder erleuchtet, gesagt wird, daß er selbst reinige und erleuchte, insofern die von ihm konsekrierten Stände ihre eigenen heiligen Tätigkeiten auf ihn zurückführen, so führt auch der Engel, welcher die Reinigung des Propheten mystisch vollzieht, seine eigene Wissenschaft und Kraft des Entsühnens auf Gott als den Urheber, auf den Seraph aber als erstwirkenden Hierarchen zurück. Man möchte sagen, daß er mit der Ehrfurcht eines Engels den von ihm gereinigten Propheten also belehre: „Das erhabenste Prinzip der von mir an dir vollzogenen Reinigung, ihr Wesen, ihr Vollzieher, ihr Urheber ist derjenige, welcher auch die vornehmsten Naturen ins Dasein gerufen hat und sie rings um sich in fester Stellung erhält und sie vor jeder Veränderlichkeit und jedem Abfall bewahrt und sie zur unmittelbaren Teilnahme an seiner eigenen fürsorgenden Tätigkeit anregt“. Denn diesen Sinn habe die Sendung des Seraph, sagte mir der Mann, der mich hierüber belehrte: „Als Hierarch und als Führer nächst Gott vollzieht die Ordnung der vornehmsten Wesen, von welcher ich auf gottähnliche Weise das Entsühnen gelehrt worden bin, durch mich an dir die Entsühnung. Sie ist es, durch welche die (höchste) Ursache und Bewirkerin jeglicher Reinigung ihre eigenen fürsorglichen Tätigkeiten aus der Verborgenheit auch auf uns erstreckt hat.“ Diese Geheimnisse lehrte mich jener, ich aber teile sie dir mit. Sache deiner verständigen und kritischen Einsicht dürfte es nun sein, entweder mit Rücksicht auf den einen der beiden besprochenen Gründe dich von der Schwierigkeit zu befreien und ihn vor dem andern zu bewerten, weil er die Wahrscheinlichkeit und das Vernunftmäßige und vielleicht auch die Richtigkeit für sich hat; oder auf eigene Faust etwas der eigentlichen Wahrheit näher Verwandtes ausfindig zu machen, oder von einem andern zu erlernen (indem Gott natürlich das Wort verleiht und die Engel es vermitteln) und uns, die wir Liebe zu den Engeln tragen, eine (wenn es anders möglich ist) klarere und uns noch liebere Erkenntnis mitzuteilen.

14. Kapitel

Bedeutung der überlieferten Zahl der Engel.

Wenn die heilige Schrift über die Zahl der Engel redet, so deutet sie an, daß wir die Menge der seligen Geister überhaupt nicht berechnen können. Das ist nur Gott bekannt, welcher den Engeln das Sein gegeben hat und mit seiner Kraft sie alle erhält.

Auch dieses ist, wie ich denke, der geistigen Betrachtung wert, daß die Überlieferung der Schrift über die Zahl der Engel von tausend Tausenden und von Myriaden von Myriaden spricht [109], indem sie die höchsten unserer Zahlen wiederholt und multipliziert und dadurch deutlich zu verstehen gibt, daß die Ordnungen der himmlischen Wesen für uns nicht zählbar sind. Denn die seligen Heere der überweltlichen Geister sind viele; sie übersteigen den mäßigen und beschränkten Umfang unserer materiellen Zahlen und werden bloß von der ihnen eigenen überweltlichen und himmlischen Erkenntnis und Wissenschaft geistig bestimmt, welche ihnen in allseliger Art von der urgöttlichen und unermeßlich erkenntnisreichen Weisheitswirkerin geschenkt ist, die überwesentlich aller Dinge allzumal Urgrund und wesenschaffende Ursache und zusammenhaltende Kraft und umfassende Abschließung ist.

15. Kapitel

Was bedeuten die bildlichen Gestalten der Engelmächte, die Feuergestalt, die Menschengestalt u. s. w..

§ 1.

Was bedeuten die bildlichen Gestalten der Engelmächte, als da sind die Feuergestalt, die Menschengestalt, die Augen, die Nase, die Ohren, der Mund, der Tastsinn, die Augenwimpern, die Brauen, die Jugendfrische, die Zähne, die Schultern, die Ellbogen and die Hände, das Herz, die Brust, der Rücken, die Füße, die Flügel, die Nacktheit, die Bekleidung, das lichtweiße Kleid, das priesterliche Kleid, der Gürtel, die Stäbe, die Speere, die Beile, die Meßschnüre, die Winde, die Wolken, das Erz, das Elektron, die Reigen [110], das Händeklatschen [111], die Farben der verschiedenartigen Steine, die Löwengestalt, die Stiergestalt, die Adlergestalt, die Pferde und der Unterschied in den Farben der Pferde, die Flüsse, die Wagen, die Räder, die sogenannte „Freude“ der Engel.

§ 1.

1) Nach der anstrengenden Betrachtung über Wesen und Ordnungen der Engel folgt eine leichtere Studie über die bildlichen Formen, unter denen sie dargestellt werden.

2) Aber auch die bunte Vielheit, die sich hier entfaltet, führt wieder zur Einfachheit der Engelnatur zurück.

3) Es ist kein Widerspruch, wenn die Schrift ein und dieselbe Ordnung der Engel bald als aktiv-hierarchisch, bald als passiv-hierarchisch erkennen läßt und bei jeder Hierarchie erste, mittlere und letzte Mächte unterscheidet. Denn ein und dieselbe Hierarchie verhält sich gegenüber einer andern nicht zugleich aktiv-hierarchisch und passiv-hierarchisch, sondern aktiv immer nur gegen die tieferstehende, passiv gegen die höhere.

4) Mit Recht wird aber allen Ordnungen zugeschrieben, daß sie nach oben streben, konstant sich um sich selbst bewegen und an der Fürsorge für die tieferstehenden teilnehmen, allerdings mit Wahrung der Gradunterschiede.

Wohlan, nun erübrigt noch, daß wir, wenn es gut scheint, das geistige Auge von der Anstrengung, die bei den erhabenen Betrachtungen über die Engel am Platze war, ruhen lassen und in die breite Fülle von vielteiligen Einzelheiten herabsteigen, welche in der vielgestaltigen Buntheit der bildlichen Engeldarstellungen uns entgegentritt. Dann aber wollen wir hinwieder von diesen aus als Bildern zur Einfachheit der himmlischen Geister auf analytischem Wege uns emporwenden. Es sei von dir aber im vorhinein klar erkannt, daß die Aufschlüsse, welche uns die heiligen bildlichen Darstellungen gewähren, bisweilen die gleichen Ordnungen der himmlischen Wesen hierarchisch tätig und dann wieder hierarchisch leidend offenbaren und zwar die letzten Ordnungen in hierarchischer Tätigkeit und die ersten in hierarchischer Passivität und, wie bereits gesagt worden, ebendieselben Ordnungen im Besitze von ersten, mittlern und letzten Mächten, ohne daß ein Widerspruch begangen wird, wenn eben nur der folgende Modus der Erklärung eingehalten wird. Wenn wir nämlich behaupten wollten, daß irgendwelche Ordnungen von den höheren hierarchisch geleitet würden und dann hinwieder diesen zugleich auch hierarchisch vorständen und daß die höheren Ordnungen, welchen die Leitung der tiefern zukommt, von eben diesen tiefern, dem Gegenstand der hierarchischen Leitung, selbst wieder geleitet würden, dann wäre tatsächlich die Sache absurd und voller Verwirrung. Wenn wir aber sagen, daß ein und denselben Ordnungen allerdings eine aktive und passive hierarchische Führung eigen ist, nicht aber seitens der gleichen und über die gleichen, sondern daß vielmehr eine jede einzelne Ordnung von den höheren hierarchisch geleitet wird, die tiefern aber leitet, so dürfte man wohl ohne Widerspruch behaupten, daß man ebendieselben Gestalten, welche die heilige Schrift in heiligen Bildern vorführt, gelegentlich sowohl den ersten, wie den mittleren und letzten Mächten zutreffend und wahrheitsgemäß zuteilen kann. Und allen himmlischen Wesen wird mithin unfehlbar zukommen, daß sie sich zum Höheren hinwenden und emporschwingen, daß sie beharrlich unter Wahrung der ihnen eigentümlichen Kräfte sich um sich selbst bewegen und daß sie durch mitteilsames Heraustreten zu der tiefern Ordnung auch Anteil an der fürsorgenden Kraft gewinnen [112]. Allerdings wird das den einen im überragenden und vollen Maße, (wie bereits oft gesagt worden,) den andern aber nur teilweise und in abgeschwächtem Grade zuteil.

§ 2.

1) Zunächst wird untersucht, warum das Feuer so oft als Sinnbild für die Eigenschaften der Engel verwendet wird: feurige Räder, feurige Lebewesen, feurige Männer, feurige Throne, feurige Seraphim u. s. w.

2) Das Feuer bezeichnet den höchsten Grad der Gleichförmigkeit mit Gott, weil auch die Eigenschaften Gottes in der heiligen Schrift vielfach mit den Eigenschaften des Feuers verglichen werden. Deren werden sechsunddreißig aufgezählt, ohne sie erschöpfen zu wollen.

Wir müssen aber die Rede beginnen und im Eingang unserer Erläuterung der Typen untersuchen, warum, wie sich herausstellt, die Offenbarung Gottes vor allen andern gerade das vom Feuer entlehnte heilige Bild bevorzugt. Du wirst wenigstens finden, daß sie nicht bloß feurige Räder schildert [113], sondern auch feuerglühende Lebewesen [114] und Männer, die gleichsam von Blitzen zucken [115], daß sie sogar um die himmlischen Wesen her Haufen feuriger Kohlen [116] und lodernde Feuerströme mit unermeßlichem Rauschen [117] anbringt. Auch von den Thronen sagt sie, daß sie feurig seien und selbst bei den höchsten Seraphim deutet sie durch den Namen an, daß sie feurig erglühen und legt ihnen die Eigenart und Wirkung des Feuers bei [118]. Überhaupt liebt sie allerorts die vom Feuer hergenommene bildliche Darstellung in vorzüglichem Grade. Meine Ansicht ist nun, daß das Charakteristische des Feuers die größte Gottähnlichkeit der himmlischen Geister andeute. Denn die heiligen inspirierten Schriftsteller schildern die überwesentliche und gestaltlose Wesenheit vielfach im Bilde des Feuers, weil dieses, (wenn man so sagen darf), von der urgöttlichen Eigentümlichkeit viele Abbilder im Sichtbaren darbietet. Das sinnlich wahrnehmbare Feuer ist nämlich sozusagen in allen Dingen und durchdringt unvermischt alle und ist allen entrückt. Während es ganz Licht und zugleich verborgen ist, ist es an und für sich unerkennbar, wenn ihm nicht ein Stoff vorgelegt wird, an dem es seine eigentümliche Wirkung offenbaren kann. Es ist unbezwingbar und unerkennbar, Herr über alles und zieht alles, woran es kommt, in seine eigene Wirkung hinein. Es hat die Kraft zu verwandeln, sich allem mitzuteilen, was irgendwie in seine Nähe kommt, mit seiner feurig belebenden Wärme zu verjüngen, mit seinen unverhüllten Strahlungen zu erleuchten, unbesiegt, unvermischt, zertrennend, unveränderlich, aufwärts steigend, scharf durchdringend, hochgehend, keinerlei Niedersinken zum Boden duldend, immer beweglich, selbstbewegt, anderes bewegend, umfassend, selbst nicht umfaßt, keines andern bedürftig, unvermerkt sich selbst vergrößernd, an den aufnahmsfähigen Stoffen seine gewaltige Größe zeigend, wirksam, mächtig, allem unsichtbar gegenwärtig. Wenn man sich nicht darum bemüht, scheint es nicht da zu sein, über dem Reiben aber flammt es, gleichwie wenn es sich suchen ließe, seiner Natur und Eigenart entsprechend plötzlich auf und entflattert hinwieder ohne Bleibens, unvermindert bei all seinen allbeglückenden Mitteilungen. Noch viele andere Eigentümlichkeiten des Feuers möchte einer ausfindig machen, insofern sie in sinnlichen Bildern der urgöttlichen Wirksamkeit entsprechen [119]. Da nun die Gotteskundigen das wissen, so kleiden sie die himmlischen Wesen in vom Feuer entlehnte Formen und offenbaren so deren Gottähnlichkeit und Bestreben, nach Möglichkeit Gott nachzuahmen [120].

§ 3.

Die Darstellung der Engel in Menschengestalt wird als solche im ganzen und dann nach den einzelnen Teilen des menschlichen Körpers mystisch gedeutet.

Aber auch in Menschengestalt stellen sie (die Verfasser der heiligen Schriften) die Engel dar. Die Grunde dafür sind das Erkenntnisvermögen und die aufwärts gerichtete Sehkraft des Menschen, die gerade und aufrechte Haltung seiner Gestalt, sein natürliches Herrschervermögen, sein Führertalent, der im Vergleich mit den andern Kräften der vernunftlosen Wesen geringe Grad seines sinnlichen Wahrnehmungsvermögens einerseits und andrerseits die Überlegenheit über alle infolge der überragenden Macht seines Geistes und infolge der auf vernunftmäßiges Wissen begründeten Gewalt, endlich die der Natur der Seele entsprechende Ununter-jochbarkeit und Unbezwinglichkeit.

Man kann aber auch, wie ich denke, einzeln in der Vielgliedrigkeit unseres Leibes zutreffende Bilder für die himmlischen Mächte entdecken [121]. Wir können sagen, daß die Sehkraft den klarsten Aufblick zu den göttlichen Lichtstrahlen und andrerseits auch die einfache, schmiegsame, nicht widerstrebende, vielmehr schnellbewegliche, reine, empfängliche Aufnahme der urgöttlichen Erleuchtungen [122] ohne leidenschaftlichen Affekt bedeute.

Die unterscheidende Kraft des Geruchsinnes bedeutet, so läßt sich weiterhin sagen, das Vermögen, den über alle Vorstellungen süßen, ausströmenden (geistigen) Wohlgeruch nach Möglichkeit wahrzunehmen und alles, was nicht von dieser Beschaffenheit ist, einsichtig zu unterscheiden und gänzlich zu fliehen.

Die Kraft des Gehöres bedeutet das Vermögen, die urgöttliche Inspiration zu empfangen und mit Verständnis aufzunehmen.

Der Geschmacksinn bedeutet die Ersättigung mit der geistlichen Speise und die Aufnahme der göttlichen Nahrungszuflüsse [123].

Der Tastsinn bedeutet das geistige Unterscheidungsvermögen für das Zuträgliche oder Schädliche.

Die Wimpern und Augenbrauen bedeuten das Vermögen, die aus dem Schauen Gottes gewonnenen Erkenntnisse zu bewahren.

Das mannbare und jugendstarke Alter bedeutet das Wesen der immerdar blühenden, belebenden Kraft.

Die Zähne bedeuten das Vermögen, die aufgenommene vollkommene Nahrung zu zerteilen. Denn jedes geistige Wesen zerteilt die ihm von einem göttlichem Wesen gespendete einfache Erkenntnis und zerlegt sie in fürsorglicher Kraft in eine Vielheit, sowie es der Emporführung des bedürftigeren Wesens entspricht.

Die Schultern, Ellbogen und auch die Hände bedeuten die Kraft zu schaffen, zu wirken und zu handeln [124].

Das Herz ist ein Sinnbild des gottgleichen Lebens, welches die eigene Lebenskraft gütig auf die Gegenstände seiner Fürsorge verteilt.

Die Brust ferner bedeutet die Unbezwingbarkeit und sozusagen die Schutzwehr für die lebenspendende Ausströmung des dahinter liegenden Herzens.

Der Rücken bedeutet die Kraft, welche die lebenerzeugenden Kräfte alle zusammenhält [125].

Die Füße bedeuten das Bewegungsvermögen, das Schnelle und das Laufen der nach dem Göttlichen eilenden, steten Beweglichkeit [126]. Aus diesem Grunde hat auch die göttliche Offenbarung die Füße der heiligen Geister beflügelt dargestellt [127]. Denn der Flügel bedeutet die Schnelligkeit des geistigen Emporführens, das Himmlische, die Wegbahnung nach oben, das Entrücktsein von allem, was an der Erde haftet, infolge der aufwärtstragenden Kraft. Die Leichtigkeit der Flügel aber bedeutet, daß das Wesen (des Engels) in keiner Hinsicht erdhaft ist, sondern ganz unvermischt und der Schwere nicht unterworfen sich zur Höhe erhebt. Das Nackte und die Barfüßigkeit [128] bedeuten das Freigelassensein, das leichte Losgelöstsein, das Schrankenfreie, das Reinsein von äußeren Anhängseln und die möglichste Verähnlichung mit der göttlichen Einfachheit.

§ 4.

Erklärung der Kleider, welche die heilige Schrift den Engeln beilegt.

Da aber die einfache und zugleich vielförmige Weisheit die unbekleideten Wesen auch umkleidet und gewisse Geräte ihnen zu tragen gibt, so laßt uns auch die heiligen Gewänder und Werkzeuge der himmlischen Geister nach unsern Kräften erklären.

Das lichtfarbene und das feuerfarbene Kleid [129] bezeichnet meines Bedünkens im Bilde des Feuers die Gottähnlichkeit und die durch den Ruheort im Himmel hinleuchtende Kraft, da ja im Himmel das Licht und überhaupt alles ist, was auf geistige Weise erleuchtet oder intellektuell erleuchtet wird. Das priesterliche Kleid [130] aber bezeichnet die zum Göttlichen und zu mystischen Betrachtungen emporführende Kraft und die Heiligung des gesamten Lebens.

Die Gürtel [131] bedeuten die Wachsamkeit über ihre zeugenden Kräfte und daß ihre gesammelte Verfassung in sich selbst einheitlich gekehrt ist und in schönem Rhythmus mit unentwegtem Gleichmaß sich um sich selbst kreisförmig bewegt.

§ 5.

Die mystische Bedeutung der den Engeln beigelegten Geräte und Instrumente.

Die Stäbe [132] bedeuten das Königliche, den Charakter der Führerschaft und der alles nach dem Richtmaß vollendenden Kraft.

Die Speere und die Beile [133] bedeuten die das Ungleiche zertrennende Kraft und die Schärfe, die Energie und das Wirksame der trennenden Kräfte.

Die Meß- und Baugeräte [134] bezeichnen die Kraft, Fundamente zu legen und aufzubauen und fertig zu stellen und alle Tätigkeiten, welche sonst zu der emporführenden und bekehrenden Fürsorge für die tieferstehenden Wesen gehören.

Bisweilen sind auch die bildlich dargestellten Werkzeuge der heiligen Engel Symbole der Gerichte Gottes über uns. Die einen offenbaren die bessernde Erziehung, die andern die strafende Gerechtigkeit, wieder andere die Befreiung von Bedrängnissen, oder das Endziel der Erziehung, oder die Wiedererlangung des früheren Glückes oder die Hinzufügung anderer Gaben, großer oder kleiner, sinnlich wahrnehmbarer oder geistiger. Überhaupt dürfte der scharfsinnige Verstand wohl nicht in Verlegenheit sein, das Sichtbare mit dem Unsichtbaren in entsprechenden Einklang zu bringen.

§ 6.

Die mystische Bedeutung der über die Engel gebrauchten Ausdrücke: Winde und Wolken.

Wenn die Engel ferner „Winde“ genannt werden, so bezeichnet das ihren schnellen und nahezu zeitlosen Flug über alles hin, ihre von oben nach unten und desgleichen von unten nach oben führende Bewegung, welche das Tiefere zur oberen Höhe emporführt und das Oberste zum mitteilenden und fürsorgenden Hervortreten zum Tieferen bewegt [135]. Man könnte auch sagen, daß der Name Wind, sofern er für den wehenden Lufthauch gebraucht ist, auch die Gottähnlichkeit der himmlischen Geister bezeichne. Denn auch dieser enthält ein Bild und einen Typus der urgöttlichen Energie (wie wir in der „Symbolischen Theologie“ bei der geistlichen Deutung der vier Elemente ausführlich dargetan haben) in Hinsicht auf das Bewegliche und Lebenzeugende seiner Natur und sein schnelles, unbezwingliches Kommen und Gehen und die uns unbekannte und unsichtbare Heimlichkeit des Anfanges und Endes seiner Bewegung. „Denn du weißt nicht“, sagt er, „von wannen er kommt und wohin er geht“ [136].

Aber auch Wolkengestalt [137] legt die Offenbarung bildlich den Engeln bei, indem sie dadurch andeutet, daß die heiligen Geister mit dem verborgenen Lichte überweltlich erfüllt sind, daß sie das ursprünglich hervortretende, erstmalig erscheinende Licht ohne Stolz in sich aufnehmen und es neidlos auf die tiefer stehenden Wesen in einer zweiten Lichtergießung und nach Maßgabe der Empfänglichkeit mitteilen. Es wird endlich (durch die Wolken) auch angedeutet, daß die Engel eine zeugende, lebengebende, vermehrende und vollendende Kraft besitzen, sofern eine Regenerzeugung im geistigen Sinne ihnen eigen ist, welche den aufnehmenden Schoß mit befruchtendem Regen zu lebendigen Geburten [138] erweckt.

§ 7.

Die mystische Bedeutung des Erzes, des Elektron und der buntfarbigen Steine, welche die Schrift in der Schilderung der Engel verwendet.

Wenn die Schrift auch die Gestalt des Erzes [139], des Elektron [140] und buntfarbiger Steine [141] bei der Schilderung der himmlischen Wesen verwendet, so bezeichnet das Elektron, weil es zugleich goldfarben und silberfarben ist, einerseits mit Rücksicht auf das Gold den unvergänglichen, unerschöpflichen, unverminderten und ungetrübten Hellglanz, andrerseits, soweit es das Silber betrifft, den klaren, lichtvollen und himmlischen Schimmer.

Dem Erze ist entweder der Charakter des Feurigen oder des Goldfarbenen gemäß den früher angegebenen Gründen beizulegen.

Die Gestalten der buntfarbigen Steine bedeuten, wie zu glauben ist, entweder durch ihr Weiß das Lichtähnliche oder durch ihr Rot das Feurige, oder durch ihr Gelb das Goldähnliche oder durch ihr Grün das Jugendliche und Blühende. Kurz in jeder Gestalt wirst du eine anagogische Aufklärung der typischen Bilder finden.

Nachdem ich nun dieses nach Kräften genügend besprochen zu haben glaube, müssen wir zur heiligen Ausdeutung der heiligen Darstellung der Engel in Tiergestalt übergehen.

§ 8.

Die mystische Erklärung der Tiergestalten der Löwen, der Stiere, der Adler, der Pferde.

Was die Löwengestalt [142] betrifft, so muß man dafür halten, daß sie den Herrschercharakter, das Starke, das Unbezwingliche bedeute sowie die Eigentümlichkeit, der Heimlichkeit der unaussprechlichen Urgottheit durch das Verdecken der geistlichen Spuren sowie durch die geheimnisvolle, prunklose Verhüllung des unter göttlicher Einstrahlung aufwärts führenden Ganges zur Gottheit nach Kräften sich zu verähnlichen. Die Gestalt der Stiere [143] bezeichnet die Stärke und Lebenskraft und das Aufreißen der geistlichen Furchen, um die himmlischen und befruchtenden Regengüsse aufzunehmen. Die Hörner aber bedeuten die schützende Wachsamkeit und Unbesiegbarkeit.

Die Adlergestalt [144] bedeutet das Königliche, den zur höchsten Höhe strebenden, schnellen Flug, den scharfen Blick, die Vorsicht, das schnelle Herankommen, die Leichtigkeit um die kraftgebende Nahrung zu gewinnen, endlich die Eigenheit, im machtvollen Anspannen des Sehvermögens ohne Hindernis gerade und unverwandt in den vollen und vielhellen Strahl der urgöttlichen Sonnenstrahlung zu schauen.

Die Pferdegestalt [145] bedeutet den Gehorsam und die zahme Willfährigkeit. Die Farbe der weißen Pferde bedeutet das Lichtglänzende und dem göttlichen Lichte am meisten Verwandte; die Farbe der dunklen Pferde bedeutet das Verborgene; die Farbe der roten Pferde bedeutet das Feurige und Energische; die Farbe der scheckigen Pferde, die aus Weiß und Schwarz gemischt ist, bedeutet die Eigenheit, die äußeren Gegensatze durch die überleitende Kraft zu verbinden und das Erste mit dem Zweiten, das Zweite mit dem Ersten zielwärtsstrebend oder fürsorglich hervortretend [146] zu verknüpfen.

Wenn wir nicht auf den gebührenden Umfang der Abhandlung Bedacht zu nehmen hätten, so würden wir nicht unfüglicher Weise auch die einzelnen Eigentümlichkeiten der erwähnten Tiere und alle Bildungen ihrer körperlichen Glieder nach dem Grundsätze der „unähnlichen Ähnlichkeiten“ auf die himmlischen Mächte analog übertragen. Den Zorn der Tiere könnten wir auf die geistige Mannhaftigkeit, von welcher der zornige Mut ein äußerstes Echo bildet, die Begierde (der Tiere) auf die göttliche Liebe und, um es kurz zu sagen, alle Sinnesempfindungen und die vielen Glieder der unvernünftigen Tiere auf die immateriellen Erkenntnisse der himmlischen Wesen und die eingestaltigen Mächte mystisch übertragen. Für die Verständigen genügt jedoch nicht bloß das Gesagte, sondern auch die mystische Erläuterung eines einzigen befremdlichen Bildes zum gleichartigen Erklären der ähnlichen Dinge [147].

§ 9.

Die mystische Bedeutung der Bilder von Flüssen, Rädern und Wagen, endlich der Freude der Engel. — Epilog. Das Vorgetragene ist keineswegs vollständig, genügt aber, um niedrige Vorstellungen von den Engeln fernzuhalten. Der Verfasser bekennt sein mangelhaftes Wissen und bedarf selbst eines kundigeren Lehrers; unnötige Wiederholungen will er vermeiden.

Wir müssen aber auch noch erwägen, daß (in der Schrift) von Flüssen, Rädern und Wagen im Zusammenhang mit den himmlischen Wesen die Rede ist. Die feurigen Flüsse [148] bezeichnen die urgöttlichen Rinnsale, welche ihnen reichlichen, unversiegbaren Zufluß gewähren und lebengebende Fruchtbarkeit fördern. Die Räder [149] bedeuten, wenn sie mit Flügeln versehen sind und ohne Zurückdrehen unablässig vorwärts gehen, die Kraft ihrer auf geradem und rechtem Wege dahinstrebenden Energie, indem all ihre geistige Rotation überweltlich zu dem gleichen, stetigen und geraden Gange gerichtet wird.

Man kann aber die Bilddarstellung der geistlichen Räder auch noch in einem andern mystischen Sinn deuten. Es ist ihnen nämlich auch, wie der Prophet sagt, der Name „Gelgel“ gegeben, was in der hebräischen Sprache Umwälzungen und Enthüllungen bedeutet. Denn die feurigen und gottähnlichen Räder haben ihre Umwälzungen durch die nie ruhende Bewegung um ein und dasselbe Gut, ihre Enthüllungen aber durch die Offenbarung des Verborgenen, durch die Emporführung des Niedrigen und durch die auf das Tieferstehende niederwärts geleitete Vermittlung der höchsten Erleuchtungen. Es erübrigt uns noch zur Besprechung das Wort von der Freude [150] der himmlischen Ordnungen, denn für die affektive Lust, die uns eigen ist, sind sie ganz und gar unempfänglich. Es heißt aber, daß sie sich mit Gott über das Finden der Verlornen mitfreuen, sowie es der göttlichen Wonne und der gütigen und neidlosen Fröhlichkeit über die Fürsorge und Rettung derer, die sich zu Gott bekehren, und jener unaussprechlichen Lust entspricht, welcher oft auch heilige Menschen teilhaftig geworden sind, wenn die göttlichen Erleuchtungen unter göttlichen Wirkungen in sie einströmten.

Soviel soll denn von mir über die heiligen Gestaltbildungen gesagt sein; es bleibt freilich hinter der genauen Ausdeutung derselben zurück, erreicht aber doch meines Erachtens den Zweck, daß wir nicht in niedriger Weise an den bildlichen Vorstellungen haften.


Anmerkungen

[1] 1. Petr. 5, 1: Die Presbyter unter euch ermahne ich als Mitpresbyter u. s. w. Die Anlehnung an die Schriftstelle will den Schein erwecken, dass D. auf derselben hierarchischen Stufe wie Timotheus steht. Vgl. oben S. XVIII.

[2] Jak. 1, 17, Vgl. eine ähnliche Verwendung der Schriftstelle bei Cyrillus von Alex. in Joann. 1. IV [c. VI, 65, 66] (M. s. gr. 73, 605 D): Die vornehmste Gabe des „Vaters der Lichter“ besteht in der Verleihung geistlicher Erkenntnis. D. gibt aber dem Gedanken eine Ergänzung, die durchaus der neuplatonischen Grundidee von προόδος und ἐπιστροφή entspricht und zu zahlreichen Sätzen bei Proklus eine Parallele bildet (theol. Plat. IV, 16; inst. theol. c. 146). Das abermalige Zurückgreifen auf die heilige Schrift (Roem. 11, 36) ermöglicht die christliche Fassung der Lieblingsidee des Proklus vom κύκλος. Somit erscheint gleich der Eingang der c. h. als ein typisches Beispiel für die amalgamierende Methode des D. Andrerseits hat schon Clemens v. Al. strom. 4, 25 (M. s. gr. 8, 1365 B) die grandiose Konzeption vom κύκλος πασῶν τῶν δυνάμεων (Christus Α et Ω) ausgesprochen

[3] Röm. 11, 36.

[4] Joann. 1, 9. Die Bitte um den göttlichen Beistand vor Beginn einer Abhandlung, insbesondere zum Christus Logos, ist seit Origenes den Vätern geläufig. Proklus betet so nach seinem Standpunkt im Eingang der theol. Plat.

[5] Vgl. 2 Cor. 3, 18.

[6] Die Lesart ἑνότητος verdient den Vorzug vor ἐνδότητος, weil D. die Zusammenstellung von Wörtern desselben Begriffes (hier ἑνικὴ ἑνότης) mit Absicht vorzunehmen liebt.

[7] Vgl. unten e. h. 1, 2, wo eine eingehende Vergleichung der beiden Hierarchien durchgeführt wird. Das schöne Wort „Hierarchie“ ist vor D. nicht nachweisbar; es bedeutet „Heilsordnung“. Die persönliche Bezeichnung ἱεράρχης ist schon vorchristlich und bedeutet den Verwalter des Vermögens und Inventars bei einem Tempel. Vgl. Ztschr. f. kath. Theol. XXII (1898) S. 180 ff.

[8] Dem Verfasser steht die glänzende Feier der Liturgie in einem Tempel vor Augen. Die Annahme dürfte nicht zu gewagt sein, dass der Anblick der nach ihren Rangstufen den Altar umgebenden Kleriker die Idee von den Rangordnungen der Engel in ihm wachrief, die er dann mit Zuziehung neuplatonischer Gedanken weiter ausbaute. Aber auch Clem. v. Al. (strom. 6, 13 M. 9, 828 C) sieht schon in den Stufen der bischöflichen, priesterlichen und Diakonenwürde Nachbilder (μιμήματα) der Herrlichkeit der Engel.

[9] Eine schöne Ausführung in ähnlichem Sinne findet sich schon, um von Eusebius und andern zu schweigen, bei Gregor v. Nyssa de vita S. Ephr. M, s. gr. 46, 849 C. Er bittet den heiligen Vater Ephräm, dass er am himmlischen Altare, wo er mit den Engeln die Liturgie zu Ehren der Dreifaltigkeit feiert (λειτουργῶν σὺν ἀγγέλοις — τῇ ζωαρχικῇ καὶ ὑπεραγίᾳ Τριάδι) der Ueberlebenden gedenke. — Noch früher hat Clemens von Alex., gestützt auf verschiedene Stellen der hl. Schrift, den Satz ausgesprochen, dass die kirchliche Hierarchie ein Abbild, bzw. eine Fortsetzung der himmlischen ist (strom. 6, 13 M. s. gr. 9, 828 C); er schildert auch schon das Einwirken höherer Kreise auf die niederen, und unterscheidet deren drei, wobei die Menschen einbezogen sind (l. c. 9, 412 D).

[10] Eine überreiche Aufzählung derartiger symbolischer Engeldarstellungen und ihre mystische Deutung s. unten im 15. Kapitel. Die moralische Entrüstung des D. über solche niedrige Auffassungen der Geisterwelt, ja Gottes selbst (d. d. n. I, 4 M. 3, 592 B, IV, 11; 708 C) ist nicht vereinzelt. Bereits Cyrill v. Jer. rügt die rohen Vorstellungen von „Feuer“, „Flügeln“, „Gebrüll“ cat. 6, 8. 11 (M. s. gr. 33, 552 A; 556 A). Noch energischer eifert dagegen Gregor v. Nyssa und hofft, dass keiner seiner Leser so viehisch dumm (κτηνώδης) sein werde c. Eunom. 1. (M. s. gr. 45, 344 f.) Näheres bei Koch „Ps.-Dion. in s. Beziehungen...“ S. 206 f.

[11] D. rechtfertigt jetzt und noch weitläufiger ep. IX den Gebrauch der bildlichen Ausdrücke für geistige Dinge in ähnlicher Weise wie Clemens v. Alex, strom. 6, 15 (M. s. gr. 9, 349 B; 356 C) und Origenes de princ. 4, 15 (M. s. gr. 11, 373—376). Die Neuplatoniker ihrerseits suchen den heidnischen Mythen durch ähnliche symbolische Deutung das Anstössige zu benehmen. Philo übte übermässig das allegorisierende Verfahren bei den Büchern des Alten Testamentes.

[12] I. Cor. 8, 7: οὐκ ἐν πᾶσιν ἡ γνῶσις. D.: οὐδὲ πάντων ἡ γνῶσις.

[13] Schon Clemens v. Alex. empfiehlt die Verwendung der negativen Begriffe über Gott strom. 5, 11. 12 (M. s. gr. 9, 109 A, 116 B) und ihm folgen Basilius, Gregor v. Nyssa Theodoret u. s. w. Die Termini ἀποφάσεις und καταφάσεις hat D. von Proklus übernommen.

[14] Gen. I, 31.

[15] Das griechische Wort θυμός ist bei seiner vielseitigen Bedeutung für den Nachweis der Analogie entschieden brauchbarer als irgend eine deutsche Uebersetzung. Fäher trifft noch furor, motus irascibilis die Sache.

[16] Eine Lieblingsvorstellung des D. ist hier ausgesprochen: Ein Widerhall (ἀπήχημα) der göttlichen Harmonie und Schönheit ist aus allen Gebieten des Geschaffenen heraus zu vernehmen, der allerdings immer schwächer wird, je weiter sie von der göttlichen Urquelle alles Seins abstehen (d. d. n. IV, 4, IV 20, VI, 6; VII, 2; c. h. XIII, 3; XV, 8 u.s.w.). Wie sehr sich D. hiebei an die Neuplatoniker anlehnt, s. bei Koch l. c. S. 195 ff. Bekannt ist die bei den Scholastikern so häufig erwähnte „obscura resonantia“.

[17] Malach. 4, 2.

[18] Apoc. 22, 16 (2, 38).

[19] Joann. 1, 9.

[20] Exod. 3, 2; Deuter. 4, 24.

[21] Joann. 7, 38. 39.

[22] 1. Joann. 2, 27; Act. 10, 38.

[23] Js. 28, 16.

[24] Os. 13, 8.

[25] Os. 5, 14.

[26] Os. 13, 7. 8.

[27] Os. 13, 7. 8.

[28] Ps. 21, 7. Noch viele andere Anthropomorphismen und auffällige Vergleiche erwähnt D. ep. IX. Er konnte bei Greg. v. Naz. or. XXXI, 22 (M. 36, 157) eine ähnliche Sammlung vorfinden und zugleich die „mystische Deutung“ ihm absehen. S. unten Kap. XV, 11 über Adrianus. Auch Greg. v. Nyssa und weiter zurück schon Origenes, um von Philo nicht zu reden, gehen darauf aus, solche anthropomorphistische Vorstellungen über Gott abzuwehren. (Vgl Diekamp l. c. S. 211.) Koch bietet zahlreiche Parallelen aus den Neuplatonikern (l. c. S. 201 ff.).

[29] Origenes bekennt von sich ein ähnliches „Aufgeschrecktwerden“ de princ. 4, 15 (M. 11, 873 B); Gregor v. Nyssa gibt den Rat, die Sache gleich richtig zu verstehen, statt sich „erschrecken“ zu lassen, de vita Mos. (M. s. gr. 44, 881 C; vgl c. Eun. 3. M. 45, 609 D); D. kehrt wieder mehr zum Ausdruck des Origenes zurück.

[30] Matth. 7, 6. — Eine ähnliche Mahnung, die mitgeteilten Lehren geheim zu halten, wiederholt D. auch im Eingang zur „Kirchlichen Hierarchie“ (S. unten e. h, Kap. I, § 4).

[31] Vgl. zu dieser trefflichen Definition unten die ergänzenden Erklärungen e. h. Kap. I, 3.

[32] Die Grundgedanken eines stufenweisen Aufstieges zum Göttlichen sind uralt (Plato, Philo, Plotin, Jamblich). Schärfer unterschieden und so, wie wir es bei D. finden, charakterisiert werden sie bei Proklus (in I. Alcib. 517 ff.). Er spricht ganz bestimmt von der Reinigungs-, Erleuchtungs- und Vollendungsstufe, so dass D. sie nur zu verchristlichen brauchte. Gleichwohl wäre es nicht richtig, wenn man nur die eine einseitige Anlehnung an die Neuplatoniker bei ihm voraussetzen wollte. Er war sich wohl bewusst, dass dieser dreistufige Weg, den er in allen seinen Schriften beharrlich zur Geltung bringt, auch bei den kirchlichen Schriftstellern oft genug erwähnt oder wenigstens stillschweigend anerkannt ist. Clemens v. Alex. legt dem Aufbau seiner Trilogie: Protreptikus, Pädagogus, Stromata den Stufengang προτρέπων ἄνωθεν, ἔπειτα παιδαγωγῶν, ἐπὶ πᾶσιν ἐκδιδάσκων Paed. 1, 2 (M. s. gr. 8, 252 B) zu Grunde. Desgleichen stellt er die fortschreitende Ausbildung des Christen mit den drei Phasen des Mysterienkultes: Lustrationen, kleine Mysterien, grosse Mysterien str. 5, 11 (9, 108 A) in Parallele. Vgl. 9, 328 C. Auf seinen Spuren geht Greg. v. Naz. or. 38, 7 M. s. gr. 86, 317 C θεὸς καθαίρει — θεοειδεῖς ἀπεργάζεται — θεοῖς γενομένοις προσομιλεῖ —eine Terminologie, die bei D. wörtlich verwendet wird. Vgl. ib. or. 39, 8. (36, 344 A). Ueber Basilius s. Koch l. c. 175 f.

[33] Das griechische „θιασῶται“, das hier D. gebraucht, stösst wegen der kühnen Uebertragung („Teilnehmer an einem Thiasus des Bacchus“). Origenes übernimmt das „Wort von Celsus, der es spöttisch von den Jüngern Christi aussagte c. Cls. 3, 23 (M. s. gr. 11, 945 D).

[34] Dies der vielzitierte Satz: onmium divinorum divinissimum cooperari Deo in salutem animarum (τὸ δὴ πάντων θειότερον θεοῦ συνεργὸν γενέσθαι) vgl. I. Cor. 3, 9 θεοῦ γάρ ἐσμεν συνεργοί und 3. Joann. 8 συνεργοί τῇ ἀληθείᾳ. Bemerkenswert ist aber, dass die Formulierung „das Göttlichste von allem“ der Diktion des Proklus entspricht: inst theol. c. 122 τὸ μέγιστόν ἐστιν οὐ τὸ ἀγαθοειδὲς ἀλλὰ τὸ ἀγαθουργόν.

[35] Schon Clemens v. Alex. entwirft die Grundzüge zum christlichen Bilde jener grossartigen Verkettung aller Dinge, wie sie aus Gott durch den Logos ausgehen, in abgestufter Ordnung sich folgen und die von oben empfangenen Kräfte weiterleiten, ähnlich wie die Kraft des Magnets durch eine Menge von Eisenringen hindurch bis auf den äussersten wirkt, so dass alles beständig der ersten Ursache wieder zusammenhängt, strom. 7, 2. (M. s. gr. 9, 413 B). Vgl strom. 4, 25 (8, 1365) wo auch schon das Bild vom Kreise (κύκλος) verwendet ist. Aber die Darstellung des D., namentlich seine strenge Triadenlehre, verrät, zugleich Anlehnung an Proklus.

[36] Das hier angedeutete strenge Grundgesetz der Dionysischen Spekulation, das unzähligemal wiederkehren wird, findet sein Analogon in neuplatonischen Schriften, insbesondere bei Proklus, der die in starrer Proportion zur jeweiligen Rangstufe sich abmindernde Vollkommenheit aufs schärfste betont, z. B. inst. theol. c. 36, in Tim. 42 D, in Pannen. 874 („Soweit es die Eigenart eines jeden Dinges gestattet, geniessen die teilnehmenden Dinge bis zu den letzten Gliedern hinab Anteil am Ganzen“). Circa Provid. 98: Etenim hoc Providentiae optimae opus, omnibus quidem Boni μετουσίαν (i. e. participationem) esse, mensurari autem suscipientium dignitate eius participationem et tantum unumquodque capere, quantum potest recipere. — Ueber die abweichenden Meinungen der mittelalterlichen Theologen betreffs der illuminati infirmorum angelorum per superiores vgl. Dionys. Carth. XV (I) p. 78f. Der gleiche Erklärer des Areopagiten macht schon die Bemerkung, dass diese Lehre mit den dicta philosophorum übereinstimme — „ex Elementatione Procli (Instit. theol) et libro de Causis (Auszug aus dem vorigen) facile est probare“.

[37] Diese Stelle (wiederholt d. d, n. 4, 1) lehrt deutlich, dass D. keinen pantheistischen Standpunkt einnimmt. Die von neuplatonischen Reminiszenzen herrührenden Ausdrücke und Vergleiche (d. d. n. 10, 1; 13, 1, besonders 4, 1) müssen also nach den korrekter formulierten Termini (ὑποστῆσαι, πρὸς τὸ εἶναι παράγειν u. s. w.) verstanden werden.

[38] Die dreifache Unterscheidung der leblosen Dinge, der belebten vernunftlosen Wesen und der vernunftbegabten Wesen und die darnach abgestufte Teilnahme am göttlichen Sein (primum Ens, prima Vita, prima Mens) s. auch entwickelt bei Proklus inst. theol. c. 102.

[39] D. verbindet mit dem Namen „Engel“ auch einen uns weniger geläufigen Begriff, dass sie nämlich schon durch ihr faktisches Sein eine objektive Offenbarung Gottes bilden, ähnlich wie die Planeten mit ihrem erborgten Lichte die Sonne offenbaren.

[40] Das Bild, das diesen Ausführungen zu Grunde liegt, ist schon oben (III,

2) ausdrücklich bezeichnet: „hellste und fleckenlose Spiegel, welche den urgöttlichen Strahl“ aufnehmen. Je heller die Sonne in den Spiegel strahlt, desto leuchtender wirft dieser ihr Bild zurück, ja er wird sozusagen selber eine Sonne und entsendet nun seinerseits als ein neuer Lichtquell seine Strahlen in einen andern Spiegel und dieser wieder einen andern u. s. f. Vgl. 2 Kor. 3, 18 τὴν δόξαν κυρίου κατοπτριζόμενοι τὴν αὐτὴν εἰκόνα ματαμορφούμεθα κτλ. Aber D. wählt lieber die Ausdrücke ἀποτυπούσθαι, ἀρχίφωτος  ἀκτίς u. ä., mit denen seine Diktion ins Neuplatonische (z. B. Proklus in I. Alcib. 328; 377) schillert.

[41] 1. Joann. 4, 12.

[42] Genes. 3, 8; 18, 1.

[43] Der Terminus θεοφάνεια kommt in der heil. Schrift nicht vor; deshalb kann θεολογία hier nicht „Offenbarung“ bedeuten, uebrigens brauchen die Väter das Wort θεοφάνεια auch von der Incarnation, Geburt und Taufe Christi.

[44] Die angezogene Schriftstelle Gal. 3, 19 (Act 7, 58) διαταγεὶς δι’αγγέλων (νόμος) ἐν χειρὶ μεσίτου findet hier eine Verwendung, die man in dieser Form bei den Vätern vergeblich suchen wird.

[45] Exod. 31, 18; 34, 1ff.

[46] Luc, 1, 5 ff. D. nennt den Zacharias ἱεράρχης, was „Hoherpriester“ bedeutet, während das Evangelium sagt ἱερεύς τις „ein gewisser Priester“. Die gleiche Verwechslung s. bei Chrysostom. und andern.

[47] Luc. 1, 26ff.

[48] Matth. 1, 19ff.

[49] Luc. 2, 8ff.

[50] Matth. 2, 13ff.

[51] Luc. 22, 43.

[52] Js. 9, 6.

[53] Joann. 15, 15.

[54] Die zur Illustration dieses Satzes von D. verwendeten Beispiele von Licht und Wärme s. unten Kap. XIII, 3.

[55] Von wem ist D. in diese Lehren „eingeweiht“ worden? Nach den Angaben d. d. n. 3, 2 ist nächst dem Apostel Paulus der hochgefeierte Hierotheus sein Lehrer gewesen. Weil zugleich die Fiktion festgehalten wird, dass D. der vom heiligen Paulus bekehrte Areopagite sei (Act. 17, 34), will der Verfasser seine Erkenntnisse offenbar auf die beiden direkt zurückführen; im nächsten Paragraph deutet er mithin auf den „Hierotheus“ als den Gewährsmann für die Triadeneinteilung. Denn beim heiligen Paulus findet sich keine Spur von solchen Triaden; dagegen hat kein anderer das Triadensystem so ausgebildet wie Proklus. Das strenge Schema der von D. konsequent festgehaltenen Triadentheorie hat seinen Ursprung im Neuplatonismus. Sie erscheint in ihren Grundzügen schon bei Plotin, Jamblichus und Syrian; bei Proklus erhält sie aber ihre detaillierteste Ausbildung. Vgl. die Dreiteilung: Engel, Dämonen, Heroen und die Charakteristik dieser Trias von geistigen Wesen in Tim. S. 290, in I. Alcib. 877 ff.

[56] D. spricht hier seinen Grundsatz aus, aus den betreffenden Namen der Engel eine Erklärung über deren Eigenart zu schöpfen. Bei Euseb. HE. II, 17 findet sich eine Hinweisung auf Philo, wo gesagt ist, dass die Therapeuten in den Namen wie in einem Spiegel wundervolle, schöne Gedanken gefunden hätten. Origenes entdeckte insbesondere in den Namen einzelner Engel, Michael, Gabriel, Raphael eine Fülle von Aufschlüssen, c. Cels. 1, 25 (M. s. gr. 11, 705 f.). Gregor v. Naz. stellt sich die Aufgabe, die geheimnisvolle Tiefe der Namen Christi (τὸ τῶν ὀνομάτων μυστήριον) zu betrachten or. 30, 16 (M. s. gr. 36, 125 ff.). D. selbst sucht, ähnlich wie in der c. h., so auch d. d. n. 1, 8 ff. in die geistige Bedeutung der Gottesnamen einzudringen. Andererseits sind auch die Neuplatoniker in diesem Punkte sehr weitläufig (Koch l. c. S. 224 u. s.).

[57] Der von D. geprägte Ausdruck ἱεροτελεστής atmet liturgisches Pathos. Er bedeutet zunächst den Mystagogen, der feierlich in die grossen Geheimnisse einführt Die Neuplatoniker bedienten sich ähnlicher Termini für ihre Spekulation. Annähernd könnte man übersetzen: „Konsekrator“.

[58] Die neun Chöre, welche D. auf Grund der in der heiligen Schrift vorkommenden Namen bildet, sind bei keinem kirchlichen Schriftsteller vor ihm in der gleichen Reihenfolge aufgezählt. Bei den meisten Autoren erscheint nicht einmal die volle Neunzahl; mehrere hervorragende Väter versichern ausdrücklich, dass man hierüber nichts Bestimmtes sagen könne. Augustinus z. B. bekennt: Quid inter se distent quatuor illa vocabula (sedes, dominationes, principatus, potestates) dicant, qui possunt … ego me ista ignorare confiteor. Enchir. c. 58 (M. s. l. 40, 259). Vgl Greg. v. Naz. or. 28, 81 (M. s. gr. 86, 72) über die Schwierigkeit dieses Themas.

[59] Es ist an Philo als Quelle zu denken, dessen Onomasticum Dominum Hebraeorum für die Späteren massgebend wurde. D. bekennt sich des Hebräischen unkundig; wahrscheinlich benützte er eines jener von Origenes erweiterten Exemplare des Onomasticum, die in den griechischen Bibliotheken häufig zu finden waren.

[60] Die symbolische Bedeutung von θρόνος (θεοῦ) verwendet schon Origenes (de orat. 22 M. s. gr. 11, 485 C): alle diejenigen, welche „das Bild des himmlischen Menschen“ an sich tragen, sind Throne (= Himmel) Gottes. Ähnlich Makarius d. Gr. hom. 6, 5. (M. s, gr. 34, 521).

[61] Das klassische Bild, von der „Vorhalle“ des königlichen Palastes auf die Nähe Gottes übertragen, ist Proklus sehr geläufig (Koch S. 98); aber auch Eusebius beutet es oratorisch aus. De aud. Const. I, 1 (M. 20, 1820).

[62] Hier gebraucht D., wie schon oben Kap. I, 3; III, 2 und wieder VII, 3 den neuplatonischen Ausdruck τελεταρχία (III, 2 auch αὐτοτελεταρχία), der einer adäquaten Uebersetzung von gleicher Kürze widerstrebt. Proklus entschuldigt sich (theol. Plat. 217 f.), dass er es wage, den offiziellen Titel τελετάρχαι (principes sacrorum) auf die Götter anzuwenden. D. liess sich diesen Fund nicht entgehen, den er unter die τρανέσερα (s. Einleitung S. XVI) rechnete und auch adjektivisch (τελεταρχικός) ausmünzte. Ähnlich prunkt er auch mit dem der magischen Telestik entlehnten und von Proklus bevorzugten Ausdruck τελεσιουργός „consecrando perficiens“ und dessen Derivaten.

[63] Ps. 23, 10.

[64] Is. 63, 1.

[65] Vgl. unten e. h. Kap. IV, 38.

[66] Diese Erklärung, dass die „Reinigung“ der Engel in der Entfernung der Unwissenheit besteht, also im Grunde auch Erleuchtung ist, wird von D. ausführlicher wiederholt e. h. VI, 3, 6 (s. d. Anm.). Der Gedanke, den Geist von Unwissenheit zu „reinigen“, ist neuplatonisch. Plotin. Enn. III, 6, 5. Proklus in Parmen. 559: καθαρτικοὶ τῆς ἀγνοίας τρόποι.

[67] Eine merkwürdige Uebereinstimmung mit dieser Schilderung weist unter den Vätern besonders Greg. V. Naz. or. 28, 31; 44, 3; 45, 5 (M. s. gr. 36, 72 ff.) auf; selbst die gleichen Ausdrücke χορεύειν, ἐλλάμπεσθαι τὴν καθαρωτάτην ἔλλαμψιν usw. treten in die glänzende Schilderung ein, welche nachstehende Momente umfasst: 1) Die Engel, bzw. die obersten Engel sind Lichtnaturen;

2) ihr Licht ist ein Abglanz des ungeschaffenen Lichtes;

3) sie strahlen am reinsten vor allen andern Wesen;

4) sie stehen Gott zunächst;

5) sie umkreisen ihn im Jubelreigen;

6) sie entsenden ihr Licht auf tieferstehende Geister (δεύτερα φῶτα) mit Verminderung der Lichtstärke, sowie es der Natur und Rangordnung der tiefern Engel entspricht. — Cyrill v. Alex. übernimmt diese Züge zum Teil de ador. in Spir. IX (M. 68. 604 B). Andrerseits vergleiche man bei Proklus in I. Alcib., 325 ff. die Schilderung der drei τάξεις ἐρωτικαί. Er lässt sie auch einen entzückten Reigen um den überwallenden Quell göttlicher Schönheit aufführen; er versetzt sie in das Dunkel der höchsten Götternähe; er legt ihnen die Aufgabe bei, das unmittelbar von dort empfangene Licht nach unten weiterzuleiten und die damit erfüllten Seelen emporzuführen. Indes schon Plato (Phädr. 250 B) spricht von mystischen Reigen der Seelen um das Urschöne; Philo und Plotin gebrauchen das gleiche Bild von der hohem Erkenntnis. Origenes ist auch hierin Platoniker.

[68] Apok. 1, 15.

[69] Ezech. 3, 12.

[70] Is. 6, 3.

[71] Die heilige Schrift hat diese Bezeichnung (τόποι τῆς θεαρχικῆς καταπαύσεως) keineswegs. Man kann höchstens an Ps. 10, 5; 75, 3; Is. 18, 4 und sinnverwandte Stellen denken, welche eine Uebertragung auf die Engel zulassen.

[72] Bei Athan. or. super Matth. 11, 27 (M. s. gr. 25, 217 D) ist das Trisagion zuerst in dieser von Gregor v. Naz. gerühmten und von D. stillschweigend übernommenen Deutung verwertet. Die dreimalige Wiederholung des „Heilig“ bezeichnet die drei göttlichen Personen, das einmalige „Herr“ offenbart die eine Wesenheit.

[73] Die betäubende Fülle von Synonymen und Tautologien, deren sich D. besonders in der Beschreibung dieses und der zwei folgenden Chöre bedient, verrät, dass er in früheren Quellen nichts Greifbares hierüber gefunden hat. Gregor d. Gr. versuchte, im Anschluss an D., aus den Namen ebenfalls eine Charakteristik zu schöpfen, aber er zieht konkretere Momente herbei. So meint er, die „Dominationes“ trügen ihren Namen davon, dass die andern tiefern Chöre ihrer Macht unterstellt sind. Den Namen „Virtutes“ bezieht er auf die grossen Wunder und Zeichen, welche durch die also benannte Engelklasse geschehen. Den „Potestates“ schreibt er eine besondere Macht zu, die bösen Geister zurückzudrängen, damit sie die Menschen nicht so heftig versuchen, hom. 34. (M. s. lat. 76, 1251). Wenn D. den merkwürdigen Ausdruck „τυραννικαὶ ἀνομοιότητες“ gebraucht, so ist er sicher von Proklus (in I. Alcib. 329; in Tim. 53 F) beeinflusst. Andrerseits führt der Gegensatz: κύριοι—τύραννοι zu der Gleichsetzung τυράννου ἀνομαιότητες = die Verschiedenheiten des „Tyrannen“ vom „Herrn“.

[74] Wenigstens an diesem einen Beispiele sei das Spiel mit der figura etymologica hervorgehoben: „δυνάμεις“, δυνατῶς, δυναμοποιὸς δύναμις, δυναμοειδής, ἀρχιδύναμος, δυνατῶς, δυναμοδότως folgen sich in dem kurzen Abschnitt; dazu die Synonyma ἀρρενωπός ἀνδρία, ἀνδρανῶς, ἀνανδρία usw.

[75] Auffallender Weise hält D. die Zusammenstellung der mittlern Triade, die er hier gibt, nicht konsequent fest, obwohl er eine unverrückbare Stufenordnung als Norm für die Prozesse der gegenseitigen Einwirkung voraussetzt. Die „Herrschaften“ und „Mächte“ einerseits, die „Gewalten“ und „Mächte“ andrerseits tauschen ihre Rangstufen (Kap. VI, 2; VIII, 1; IX, 2; XI, 1). — Dante lässt den heiligen Dionysius beim Eintritt Gregors d. Grossen in den Himmel lächeln, weil dieser nicht die von Dionysius aufgestellte Ordnung beibehalten habe (Paradiso 28, 130—139).

[76] Das Textwort bei D. τῶν προνοουμένων (μεταγωγή), das hier eine so konkrete Beziehung hat, ist dem philosophischen Terminus τὰ προνοούμενα (Proklus in Parmen. 1225) nachgebildet.

[77] Zachar. 1, 12. Hier und im folgenden steht θεολόγος = Prophet.

[78] Ezech. 10, 1.

[79] Ezech. 9, 1—6.

[80] Dan. 9, 23.

[81] Ezech. 10, 1.

[82] Ezech. 10, 7.

[83] Dan. 8, 16.

[84] Ein Vorbild für solche Deutungen über die εὐταξία der Engelordnungen bot schon Clemens v. Al. in seinen Hypotyposen: Sic etiam et Moyses Michael virtutem per vicinum sibi et infimum angelum vocat… Sed Moysi quidem propinquus ac vicinus angelus apparuit. „Der Engel des biblischen Textes, der dem Moses erschien… war ein untergeordneter Engel, … Dieser Engel aber war ein Werkzeug des Erzengels Michael, der wiederum der Stellvertreter des Logos ist“ (nach Heinisch, l. c. S. 219).

[85] Dan. 10, 21.

[86] Deuter. 32, 8 (nach der Septuag.).

[87] Das Schriftzitat ist zusammengesetzt aus Os, 4, 6 (Scientiam reppulisti) und Jerem. 7, 24 (abierunt,… in pravitate cordis sui mali).

[88] Hier bekennt D. seine frühere Zugehörigkeit zum Heidentum. In Verbindung mit andern Stellen, besonders d. d. n. 3, 2 dient diese persönliche Bemerkung der Fiktion, daß der Verfasser der Areopagita sei.

[89] Zum bemerkenswerten Ausdruck τοῦ θεαρχικοῦ φωτὸς ἄπειρόν τε καὶ ἄφθονον πέλαγος vergleiche man Greg. v. Naz. or. 38, 7 und 45, 3. (M. 36, 317; 625) οἳὸν τι πέλαγος οὐσίας ἄπειρον καὶ ἀόριστον … τοσαῦτα περιλάμπον … Basilius c. Eunom. 1, 16 (M. 29, 5348 C) spricht vom göttlichen Wesen als einem πέλαγος ζωῆς.

[90] Genes. 14, 18; Ps. 109, 4; Hebr. 7, 1.

[91] Genes. 41, 1—7; 17—24.

[92] Dan. 2, 31—35; 4, 7—14.

[93] Genes. 41, 25—32; Dan. 2, 36—45; 4, 17—23.

[94] Dan. 10, 13.

[95] Deut 32, 8. D. folgt den griechischen Vätern, wenn er seine Argumentation auf die Lesart der LXX κατὰ ἀριθμὸν ἀγγέλων θεοῦ stützt. Nur Origenes erklärt einmal „secundum numerum filiorum Israel“ für die bessere Version (hom. 13 in Ezech. M. 13, 758 C). Von den zahlreichen andern Zeugnissen der ältern kirchlichen Zeit, welche von den Schutzengeln handeln, macht D. keinen direkten Gebrauch.

[96] Gregor v. Naz. spricht or. 28, 31 (M. 36, 72 C) ausdrücklich von Schutzengeln der verschiedenen Länder, indem er sich an Origenes de princ. 3, 6 (M. 11, 330 D) und andere anlehnt (s. in den Dogmatiken „Angelologie“).

[97] Js. 6, 3.

[98] Nach der Vorstellung des D., die zwar mit dem Schriftwort gedeckt wird, aber durchaus der Spekulation des Proklus entspricht, könnte man sich die Sache nach Art einer Parole denken, welche vom obersten Führer ausgeht und dann alle Reihen nacheinander von Mund zu Mund durchläuft.

[99] Diese „Hinzufügung“ kommt allerdings nur auf Rechnung des Verfassers und seiner neuplatonischen Quelle Proklus, nicht eines kirchlichen Schriftstellers. Proklus folgt hinwieder (Inst. theol. 201) dem Plotin (Ennead. 1,  8, 14): „Die Seele hat erste, mittlere und letzte Kräfte.“

[100] Mit dem gleichen Gedanken begründet „Heraclides, Bischof von Kappadozien“ (?) seine genau dem D. entsprechende Theorie von der Einstrahlung des göttlichen Lichtes, soferne es sukzessive durch die Stufenordnungen der Engel hinabsteigt. „Nur allein der Gott des Weltalls ist keiner Belehrung bedürftig u. s. w.“ Der Anschluß an D. ist so auffallend, dass man versucht sein möchte, das betreffende der Historia Lausiaca vorausgeschickte Schriftstück, dem die erwähnte Stelle entnommen ist, einem späteren Autor zuzuweisen (M. s. gr. 34, 1002). Aber auch Clemens v. Al. hat ganz gleiche Wendungen über die göttliche Weisheit strom. 1, 20 (M. 8, 817 A).

[101] Dan. 3, 61 (bzw. 88) εὐλογεῖτε πᾶσαι αἱ δυνάμεις (Aquila). Vgl. auch Ps. 23, 10; 79, 5. 8. 15. 20; 102, 21.

[102] D. setzt für ἱερεύς ἄγγελος κυρίου bei Zachar. 2, 7 als gleichbedeutend seinen eigenmächtig für den Titel „Bischof“ verwendeten Terminus ἱεράρχης.

[103] Exod. 7, 1 (von Moses); 22, 8 (von den Richtern); 22, 28 (von den Vorgesetzten); Ps. 94, 3; 81, 1.

[104] Js. 6, 6.

[105] Warum verschmäht D. das gewöhnliche Wort προφήτης und wählt statt dessen ὑποφήτης? Doch wohl nur, um durch das Ungewöhnliche des Ausdrucks, den die hellenistische Literatur für die Orakeldeuter verwendet, Eindruck zu machen. Eusebius sagt ähnlich in feierlich getragener Weise von Constantin d. Gr. οἳά τις ὑποφήτης τοῦ παμβασιλέως θεοῦ (τῷ παντὶ κόσμῳ κέκραγεν) de laud. Const. c. 10 (M. s. gr. 20, 1373). Merkwürdigerweise treten auch sonst viele Ähnlichkeiten zwischen dieser Lobrede, welche ein aus Christen und Heiden gemischtes Lesepublikum voraussetzt und der Schreibweise des „irenischen“ Dionysius hervor.

[106] Vgl. die oben Kap. VII, 1 gegebene Erklärung des hebräischen Wortes „Seraphim“. Die feurige Bereitwilligkeit des Propheten ist aus seinen Worten erschlossen Ecce ego, mitte me.

[107] Vgl. oben Kap. VII, 1 und 2.

[108] Die eine wie die andere Lösung erscheint als eine erkünstelte Interpretation des klaren Schriftwortes. D. kann freilich von seinem Triadensystem und seiner Grundidee aus, daß nur die untersten Engel direkt mit den Menschen verkehren, sich nicht besser behelfen. Die mittelalterlichen Theologen befassen sich alle mit der gleichen Stelle, ohne jedoch sämtlich an D. sich anzuschließen. Die Hauptschwierigkeit gegen D. liegt in den Worten des Hebräerbriefes 1, 14: Nonne omnes sunt administratorii Spiritus in ministerium missi etc. Keiner von den heiligen Vätern vor D. hat eine solche Umdeutung des heiligen Textes gewagt; Gregor d. Gr. nach ihm will die Frage nicht entscheiden hom. 34 (M. s. lat. 76, 1255 A).

[109] Dan. 7, 10.

[110] Die „Reigen“ und das „Händeklatschen“ finden in der nachfolgenden Erklärung keine Berücksichtigung. Ist dem Verfasser über der grossen Masse ein Versehen begegnet ?

[111] Die „Reigen“ und das „Händeklatschen“ finden in der nachfolgenden Erklärung keine Berücksichtigung. Ist dem Verfasser über der grossen Masse ein Versehen begegnet ?

[112] Eine ähnliche dreifache Bewegung der seligen Geister schildert D. d. d. n, 4, 8. Die eine Bewegung um Gott nennt er die kreisförmige, die zweite um sich selbst eine spiralförmige, die dritte auf Fürsorge für die tiefern Wesen abzielende eine gerade. Näheres bei Koch a. a. O. S. 83 ff.

[113] Dan. 7, 9.

[114] Ezech. 1, 13.

[115] Matth. 28, 3.

[116] Ezech. 10, 2. 6. 7.

[117] Dan. 7, 10. Den ausschmückenden Zug „mit unermeßlichem Rauschen“ hat D. in den heiligen Text eingetragen.

[118] Js. 6, 6. 7. (vgl. oben Kap. VII, 1 und Kap. XIII, 3).

[119] Diese ausgiebige Betrachtung der Eigenschaften des Feuers mag darin ihren Grund haben, daß die Neuplatoniker (Plotin Ennead. 1, 6,

3) das Feuer unter den „vier Elementen“ am höchsten stellen. Zugleich dürfte aber der Hinweis auf Isidor v. Pel. Epp. 4, 66 (M. s. gr. 78, 1124) am Platze sein wo die Frage beantwortet wird: „Warum alle göttlichen Dinge mit dem Namen des Feuers bezeichnet werden.“ D. scheint die kurzen Andeutungen daselbst zum Ausgangspunkt seiner Studie gemacht zu haben.

[120] Eine aszetisch-mystische Anwendung s. bei Dionys dem Karthäuser im Kommentar zur Stelle.

[121] D. verfällt nunmehr in die kleinlich klügelnde Art des Allegorisierens, wie er sie allenfalls bei Greg. v. Nyssa in der Ausdeutung des Bundeszeltes, der hohenpriesterlichen Kleidung u. s. w. vorfand.

[122] Die ἐλλάμψεις (θεαρχικαί), von denen hier die Rede ist, kehren im Verlauf der folgenden Abhandlungen sehr häufig wieder; abwechselnd gebraucht D. dann die Verbalformen von ἐλλάμπειν und ἐλλάμπεσθαι. Man kann nicht sagen, der nachmals so berühmt gewordene Terminus („illuminatio“ bei den Scholastikern) sei von D. zuerst eingeführt worden. Abgesehen von den Neuplatonikern, denen die ἐλλάμψεις sehr geläufig sind, spricht schon Origenes von ἐλλάμψεις τοῦ φωτὸς τοῦ θεοῦ in Joann. t. 10, 25 (M. 14, 388 B) und verwendet ἐλλάμπω mehrfach. Greg. v. Naz. gebraucht das Wort in der Bedeutung, die D. besonders in der c. h. und sonst damit verbindet, nämlich von der sekundären Lichteinstrahlung der obern Engel in die untern or. 28, 31 (M. 36, 72 B).

[123] D. sagt θεῖοι καὶ τρόφιμοι ὀχετοί, wobei er Theodoret (in Ps. 64, 10, M. 80, 1356 A) zu folgen scheint; χάρις τοῦ Πνεύματος εἰς ὀχετοὺς διαιρουμένη, Spiritus Sancti gratia in rivulos divisa etc.

[124] Dan. 14, 35; Ps, 90, 4, 12.

[125] Ezech. 1, 18 (nach LXX).

[126] Ezech. 1, 14.

[127] Js. 6, 2.

[128] Vielleicht erschlossen aus Gen. 18, 4; 19, 2.

[129] Luc. 24, 4. Ezech. 1, 4. 13, 14. 27. Dan. 10, 6.

[130] Apoc. 1, 13.

[131] Apoc. 15, 6.

[132] Ezech. 19, 11; Judic. 6, 21.

[133] 2. Machab. 5, 2. 3.

[134] Ezech. 11f; Zach. 2; Apoc. 21.

[135] Dan. 14, 35.

[136] Joh. 3, 8. Eine direkte Bezeichnung der Engel als „Winde“ (ἄνεμοι) kann man in der heil. Schrift nicht finden, außer wenn Ps. 103, 4 und etwa Ps. 103, 3 „ambulas super pennas ventorum“ dahin verstanden wird.

[137] Wahrscheinlich ist auf Js. 5, 6 angespielt: nubibus mandabo, ne pluant super eam (sc. vineam Domini) imbrem.

[138] Den kühnen Tropus νεφῶν ὠδῖνες (nubium partus) s. bei Theodoret. de prov. Dei (M. s. gr. 83, 984).

[139] Ezech. 1, 4.

[140] Ezech. 1, 7; 8, 2; Dan. 10, 5. 6.; Apoc. 1, 15.

[141] Ezech. 28, 13. (Apoc. 15, 6. Variante λίθον für λίνον).

[142] Ezech. 1, 10; Apoc. 4, 7.

[143] Ezech. 1, 10; Apoc. 4, 7.

[144] Ezech. 1, 10; Apoc. 4, 7.

[145] Apoc. 6, 2ff.

[146] Die kurzen Termini ἐπιστρεπτικῶς und προνοητικῶς sind nur im Lichte der Gesamtanschauung des D. verständlich.

[147] Vgl. oben Kap. II, 4. Hier verrät also D. das Geheimnis seiner eben nicht originellen mystischen Methode. Man vergleiche Adrianus, Isagoge in S. Scripturas M. s. gr. 98, 1273—1320, eine wahre Fundgrube für die allegorisch-mystischen Deutungen, wie sie D. liebte, und zugleich eine Anleitung nach, bestimmten Rubriken!

[148] Eccli. 24, 40; Dan. 7, 10.

[149] Ezech. 1, 15ff; 10, 2ff.; 4. Reg. 2, 11. 6, 17.

[150] Luc. 15, 10.

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