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1981 | Der Tröster spricht

Zwei religionsgeschichtliche Phänomene sollten in einem Rückblick auf das Jahr 1981 nicht unerwähnt bleiben: Papst Johannes Paul II. ernannte im November den Erzbischof von München und Freising, Joseph Aloisius Ratzinger, zum Präfekten der römischen Glaubenskongregation, der sich für die Durchsetzung seiner moralpolitischen Agenda in den folgenden Jahren als äußerst hilfreich erweisen und im Jahr 2005 sogar seine Nachfolge antreten sollte. Und der Guru der entwurzelten Wohlstandskinder, dessen anarchische Erleuchtung bisher durch eine beschwerliche Pilgerreise nach Poona erworben werden musste, Bhagwan Shree Rajshneesh, siedelte im Sommer mit seinen 93 Rolls Royce und vergoldeten Klobrillen nach Oregon über. Ein größerer Gegensatz als der zwischen dem Erfinder der dynamischen Meditation, der verkündet hatte: »Es war gut von Friedrich Nietzsche, Gott für tot zu erklären – ich aber sage, dass er überhaupt nie geboren wurde« und dem Präfekten für die Bewahrung eines Glaubens, in dessen Zentrum der als Mensch geborene und gestorbene, immer lebendige Gott stand, der in Dogma und Institution eingesargt war, ist kaum denkbar. Wie in einem historischen Brennglas verdichten sich in diesen beiden Vorgängen symptomatisch die spirituellen Tendenzen des Zeitalters: die Suche nach dem Heil durch Entweltlichung und die weltliche Usurpation des Heils.

Aber auch die Anthroposophische Gesellschaft sah sich in diesem Jahr mit »religiösen« Phänomenen eigener Art konfrontiert. Während sie angestrengt darum bemüht war, die beiden genannten spirituellen Irrwege zu vermeiden, befand sie sich auf einem dritten, den sie sich selbst gebahnt hatte. Am 30. August veröffentlichten Rudolf Grosse und Jörgen Smit eine Mitteilung an die Mitglieder[1], in der von einer »Trösterbewegung« berichtet wurde, die von Dornach aus bereits zur Bildung von »Gruppen an verschiedenen Orten« geführt habe, die sich gemeinsam mit »gebetsartigen Wortformulierungen« beschäftigten, »welche aus Eingebungen herrührten«. Die Unterzeichneten betonten in ihrer Mitteilung »energisch«, diese »Dinge« hätten weder mit dem Goetheanum noch mit der Anthroposophischen Gesellschaft etwas zu tun und die Bewegung befinde sich auch »nicht im Einvernehmen« mit dem Vorstand.

Im Anschluss an diese Mitteilung erfolgte der Abdruck einer präzisierenden Darstellung durch ein Mitglied aus Esslingen, Kurt Charisius. Dieser berichtete, im Juni und Juli sei in Stuttgart ein »anonymer Schriftsatz ohne Angabe des Urhebers und Absenders« in »anthroposophischen Kreisen« verteilt worden, der aus 44 Briefen bestehe, die in der Zeit vom 5.2. bis 14.5.1981 verfasst worden seien. Die ersten fünf Briefe verzeichneten Dornach als Ort der Abfassung. Dies könne den Anschein erwecken, als wären sie »von der Anthroposophischen Gesellschaft herausgegeben« worden. Das sei nicht der Fall, Ausrufezeichen.

Im Folgenden ging Charisius auf den Inhalt der Briefe ein. Sie enthielten »Botschaften des sogenannten ›Trösters‹ an seine Anhänger, dann Gebets- und Meditationsanweisungen und zum Schluss Mitteilungen über die heutige Lage und die Aufgaben der ›Tröster‹-Anhänger«. Bekanntlich kündige Christus in seinen Abschiedsreden die Herabkunft eines »Trösters« an, der in Joh 14,26 mit dem Heiligen Geist gleichgesetzt werde.[2] An Pfingsten, so Charisius unter Hinweis auf die Apostelgeschichte (2,4), sei diese Herabkunft erfolgt. In den anonymen Briefen werde der »Tröster« dagegen als »heute inkarnierte Petrusseele«, als »ätherischer Christus«, besonders aber als »erhöhter Christus« bezeichnet, der das Erlösungswerk von Golgatha »überhöhe« und durch das Werk der »Auflösung vollende«.[3] Diese »indisch gefärbte, okkulte Tröster-Bewegung« habe »nichts« mit dem Werk Rudolf Steiners zu tun und stehe zu dessen Christologie »in direktem Gegensatz«. Die Tröster-Briefe vermischten auf verwirrende Weise das »eigentliche Thema« (welches?) mit Stellen aus dem Neuen Testament und aus dem Werk Steiners, die »meist sinnentstellt« und »ohne Quellenangaben« zitiert würden.

Schärfer kann ein Anathema kaum sein. Einmal mehr wurde von der Anthroposophischen Gesellschaft eine charismatische Bewegung, die in ihren Reihen entstanden war, ins Abseits gestellt. Bereits die Aussonderung der Michaelitenbewegung um Ita Wegman 1935 kann als Abwehrreaktion einer zur Dogmatisierung neigenden Institution gegen charismatische Strömungen verstanden werden. Der Vorgang erinnert an ähnliche Abwehrreaktionen der christlichen Kirchen gegen Ketzer und Schwärmer. Was hatte es mit dieser »Trösterbewegung« auf sich?

Der Buchveröffentlichung der »anonymen« Briefe, die 1982 unter dem Titel Der Tröster spricht in einem Zuger Verlag erschien[4], ist zu entnehmen, dass es sich bei der »Verfasserin« – oder besser: »Empfängerin« – der Sendschreiben um eine Eurythmistin und Harfenistin handelte, die in Dornach nicht unbekannt war. Sophia Imme-Atwood, vormals Reipert, war die Tochter des Ehepaars Hans und Irmgard Reipert, zweier Eurythmisten. Hans Reipert (1985-1981) war bereits 1916 als 21jähriger Rudolf Steiner begegnet und gehörte zu einer Gruppe von Männern um Marie Steiner, mit welchen sie sich in den späten 1920er Jahren darum bemühte, eine »männliche« Form der Eurythmie zu entwickeln. Zu Beginn der 1930er Jahre hatte er an der Waldorfschule Budapest Eurythmie unterrichtet und sich nach den Kriegswirren in Hannover niedergelassen, wo er 1945 beim Kultusminister bzw. der englischen Verwaltung der Besatzungszone die Wiederzulassung der Waldorfschule Hannover erwirkte, der ersten, die in Niedersachsen nach dem Verbot ihre Arbeit wiederaufnahm. An dieser Schule unterrichtete er danach Eurythmie und war daselbst leitend im Zweig der Anthroposophischen Gesellschaft aktiv. Die Tochter Sophia-Imme war 1930 in Stuttgart geboren worden, absolvierte 1951 an der Waldorfschule Hannover das Abitur, anschließend die Pädagogische Hochschule mit einem Lehrdiplom, schließlich eine Eurythmieausbildung in Dornach. Bis 1968 war sie am Goetheanum als Bühnenkünstlerin und Eurythmielehrerin tätig. Danach erlernte sie an der Basler Musikakademie die Kunst des Harfenspiels und war seither als Harfenistin aktiv. Seit ihrer Heirat mit dem Amerikaner David Atwood trug sie den Namen ihres Ehemanns. Ein erheblicher Teil ihrer sozialen Wirkung dürfte auf die von Harfenspiel eingerahmte ästhetische Inszenierung ihrer Verkündigung zurückzuführen sein.

Laut Nachwort der Buchpublikation hatte sich Sophia-Imme bereits 1945, als sie »aus dem Kugelhagel der russischen Front gerettet« war, entschlossen, ihr weiteres Leben »in den Dienst des Christus« zu stellen. In ihrem 28. Lebensjahr sei ihr durch eine »erste Einsprache« ihre innere Führung und ihre künftige Aufgabe bewusst geworden. Zwei Begegnungen mit Menschen, die übersinnliche Fähigkeiten besaßen, hätten sie darin bestärkt: der erste habe ihr 1961 die Erlangung ebensolcher Fähigkeiten vorausgesagt, der zweite 1966 die Wiederkunft Christi in Gestalt des »Trösters«. 1969 habe sie begonnen, Harfenmusik zu komponieren und bemerkt, dass sie die Musik geistig zu hören vermochte. Ab 1970 seien zur Musik auch Wortmitteilungen hinzugetreten. Seit 1977 erfolgten solche Mitteilungen durch den »Tröster«. Das Buch enthält eine Reihe dieser Mitteilungen, die zwischen dem 2.11.1980 und 16.04.1981 von ihr empfangen wurden. Die erste Hälfte der Mitteilungen besteht aus »kosmogonischen Meditationen«, die zweite aus Hinweisen zum »Schulungsweg«. Die Autorin oder Botin schreibt im Vorwort des Buches: »Wir leben in einer Zeit, in der es unserer Menschheit möglich ist, sich und ihren Planeten zu zerstören. [Durch die Atombombe]. Die Folgen der Gottentfremdung und der Leugnung einer realen geistigen Welt liegen offen vor uns. Nur eine Besinnung auf die tiefsten ethischen Werte, die in allen Religionen enthalten sind, kann die Menschheit vor der Selbstzerstörung bewahren. Christus hat uns diese Werte vorgelebt und gelehrt. Er ist als Tröster wiedererschienen und richtet die Botschaft der Nächstenliebe erneut an alle Menschen. Er ruft uns auf, unsere Verantwortung für das Schicksal unseres Planeten zu erkennen und wahrzunehmen.

Das ist die Botschaft dieses Buches.

Jeder Mensch hat die Möglichkeit, den Tröster zu erfahren, der sich seinen Worten erschließen will.«[5]

Was Atwood unter dem Titel »kosmogonische Meditationen« vortrug, war ein eigenständiger gnostischer Mythos, der sich zwar in der Terminologie an Steiner anschloss, aber auch Akzente setzte, die sich in dieser Form in Steiners einschlägigen Darstellungen nicht finden. Daraus ergab sich das Problem der Dornacher Autoritäten: da die »Privatoffenbarung« Atwoods nicht ohne Anstrengung mit der kanonisierten Offenbarung in Einklang zu bringen war, konnte sie nur falsch sein. Um die Mitglieder vor »Verwirrung« zu schützen, musste sie anathematisiert werden.

Sehen wir uns diesen gnostischen Mythos etwas näher an.

In der Mitteilung vom 5.02.1981 heißt es:

 

»Als am Anfang

das schöpferische Weltenwort

durch die Daseinsebenen wallte,

in denen die Finsternis wohnte,

stand ein Engel nahe bei Gott.

 

Er schaute mit an,

wie das Weltenwort

hart zusammenstieß

mit den Wesen der Finsternis.

 

Weltenkörper entstanden,

die aus dem schöpferischen Weltenwort gebildet waren,

jedoch erstarrten in der Daseinsebene,

in die es eingetreten war.

 

Satanas’ Gesetze ließen Welten und Wesen erstarren,

in Formen, die den göttlichen Imaginationen entsprachen,

jedoch eine Dichte annehmen mussten,

die den Entwicklungsgesetzen der Finsternis entsprachen.

 

Alles dies schaute der Engel, der nahe bei Gott stand.

Unendliches Mitleid ergriff ihn

beim Anblick der göttlichen Schöpfung,

wie sie in der Kälte der Finsternis erstarrte.

Da beschloss er in seinem Herzen, dem Weltenworte nachzuziehen.

Es war Luzifer.

 

Und nun geschah eine der größten Tragödien

unserer Evolution:

Luzifer verstrickte sich mit den Gesetzen der Finsternis.

Er sah Gott hinter sich und vor sich die Finsternis.

Da erschien er sich im Spiegel der Finsternis gottgleich.

Im Wahne des Hochmuts

begann er ebenfalls Welten zu erschaffen.

 

So haben wir am Anfang

Gottes Schöpfungen,

erstarrend in den Gesetzen der Finsternis

und Luzifers Schöpfungen,

ebenfalls erstarrend in den Gesetzen der Finsternis.

 

Auch Satanas besitzt schöpferische Kräfte.

Auch er erschuf Welten, denen er sein Wesen aufprägte.[6]

 

So kamen Kosmen und Universen zustande,

die eine Mischung

von dem Walten Gottes,

Luzifers und Satans oder Ahrimans darstellen.

 

Luzifer verstrickte sich so sehr mit der Finsternis,

dass das Weltengleichgewicht

eine zeitlang zugunsten der Finsternis verlagert war.

 

Da sandte Gott erneut

eine Kraft aus dem Zentrum seines Herzens,

um vor allem Luzifer

aus den Schlingen der Finsternis herauszulösen.

Diese Kraft ist Jesus Christus.

Ihm obliegt es, Luzifer zu erlösen

und die Finsternis zurückzudämmen.

Dies ist jedoch nur im ersten Stadium der Entwicklung gelungen.

 

Inzwischen ist die Menschheit

noch tiefer in die Materie gesunken,

als Gott dies geplant hatte.

 

Darum hat Gott nochmals

aus der Mitte seines Herzens

eine Kraft entsandt,

die Trösterkraft,

um die Finsternis im Laufe der Äonen

aufzulösen.

 

Dies ist buchstäblich gemeint

Die Sonne Gottes wird immer heller werden,

bis die Dämmerung Luzifers

in Licht gewandelt ist

und die Schwärze der Finsternis

verschwunden ist.

Ewiger Tag wird dann herrschen.

 

Dies wird sein,

wenn die Zeit in die Zeitlosigkeit übergeführt wird.

Dann wird unsere Erde

ein Kosmos der Liebe geworden sein.

Ein neues Weltall wird in ihr geboren worden sein.

Ein Weltall, das den Gesetzen

des Lichtes und der Liebe folgen wird.

Dieses Weltall wird bereits jetzt vorbereitet

im Herzen der Erde.

Dieses ist eines der tiefsten Mysterien der Gegenwart.

 

Wir durften euch dieses heute eröffnen,

meine lieben Brüder und Schwestern,

weil wir euch bitten,

diese Gedanken und Empfindungen

ganz mit euren Seelen zu verbinden.

 

Dadurch helft ihr bereits mit,

dieses Weltall zu erwecken.

In jedem menschlichen Herzen

muss es geboren werden.

Dann wird es auch kosmisch in Erscheinung treten können.

 

Ich segne euch, meine Lieben,

und halte meine Hand über das Wissen,

das ihr nun im Herzen tragt.

 

Es sprach zu euch euer Tröster und Helfer,

der euch alle lieb hat.

Amen Amen Amen«.

 

Eine Schöpfung des Weltenwortes, des Logos, die in der Finsternis Satans (Ahrimans) erstarrt, Luzifer, der aus Mitleid dem Weltenwort nachzieht, im Spiegel der Finsternis sich selbst als gottgleich erscheint und seinerseits Welten schafft, Schöpfungen Satans, des Fürsten der Finsternis: eine gemischte Welt, die der Entmischung, der Erlösung harrt. Diese erfolgt stufenweise: aus seinem Herzen entsendet Gott Jesus Christus, um Luzifer aus den Schlingen der Finsternis zu erlösen, einen weiteren Erlöser, den Tröster, um auch Ahriman zu erlösen oder dessen erstarrte Schöpfung aufzulösen. Die Empfänger dieser Botschaft, die Menschen, die sie hören, werden zu Trägern des erlösenden Wissens und wirken durch Gebete, Meditation und moralische Selbstvervollkommnung mit am Werk des Trösters, der Finsternis in Licht umwandelt.

Christuskraft und Trösterkraft unterscheiden sich voneinander. Sie sind aber auch »wesenseins«. Den Unterschied bringen folgende Zeilen zum Ausdruck:

 

»In der Christuskraft

ist eine Kraft zur Erde herniedergekommen,

die die Erlösungsvorgänge

auf Erden zur vollen Entfaltung bringen soll.

 

Diese Vorgänge

beziehen sich zunächst auf das,

was Luzifer seit Äonen in Gottes Schöpfung bewirkt hat.

 

Die Trösterkraft

ist eine Gotteskraft,

die ausgesandt worden ist

vom ewigen Vater im Himmel,

um Auflösungsvorgänge

auf der Erde einzuleiten.

 

Sie ist gerichtet

gegen die Materie Satans oder Ahrimans,

die dieser in den göttlichen Schöpfungsplan

eingeschleust hat.

Es ist die stärkste Gotteskraft,

die bisher auf Erden

in Erscheinung getreten ist.«[7]

 

Von einer Identität ist aber ebenfalls die Rede:

 

»Der Tröstergeist

ist eine Gotteskraft,

die ausgesandt worden ist,

um die Christuskraft zu verstärken.

 

Sie ist noch niemals

in der gesamten Evolution Gottes

in Erscheinung getreten.

Sie ist eine Kraft,

die wie die Christuskraft

direkt dem Herzen Gottes entstammt.

 

Sie durchstrahlt jetzt ein Engelwesen,

so wie vor zweitausend Jahren

die Christuskraft

ein Engelwesen durchstrahlte,

jenes, das Jesus beseelte.

 

Christuskraft und Tröstergeist

sind wesensgleich,

da sie eins sind mit Gott.

 

Sie haben jedoch verschieden gerichtete Aufgaben.

 

Die Christuskraft

ist vor allem gerichtet

auf die Erlösungsprozesse,

die bei Luzifer eingeleitet worden sind.

 

Der Tröstergeist

ist eine Gotteskraft,

die diese Prozesse verstärkt.

Ihre hauptsächliche Zielrichtung

weist auf die Schöpfungen Satans oder Ahrimans hin.

 

Ihr obliegt es,

Gottes ewiges Licht

in die finstersten Bereiche

des Ur-Widersachers einzustrahlen.«[8]

 

Auch die weiteren kosmogonischen Meditationen kreisen um das Mysterium der Verfinsterung und Erlösung, um Christus, den Tröster und die Widersachermächte. In stets neuen Abwandlungen wird der Mythos vom Fall der Schöpfung erzählt, eine Systematik ist nicht erkennbar, Widersprüche gibt es zuhauf. Aber von einem Mythos ist auch keine Systematik zu erwarten. Ein weiteres Beispiel, aus einer Mitteilung vom 18.03.1981:

 

»Als Satan wahrnahm,

dass das ewige Licht Gottes

sich auf die Daseinsebene begab,

auf der er wohnte,

erschrak er und fürchtete,

dass sein Dasein beendet sein könnte.

 

Da geschah eines der tiefsten Mysterien.

Gott nahm es auf sich,

das Weltenwort ein Schicksal erdulden zu lassen,

um der Finsternis ein Weltenäon zu gewähren,

bevor sie gänzlich aufgelöst wird. [...]

 

Es hängt mit dem Mysterium

des Weltenwortes zusammen,

dass es ein Schicksal auf sich nahm,

um für Gott etwas zu erreichen,

was ohne dieses Schicksal in dieser Form

nicht hätte erreicht werden können.

 

Das hängt auch mit den Tröstermysterien zusammen,

denn das Weltenschicksal des Christus ist,

vom Tröster verstärkt und gefolgt zu werden.

 

Und der Tröster wird einer dritten Kraft

den Weg bereiten.

 

Die dritte Kraft wird gegen die Asuras gerichtet sein.

Sie wird vom Tröster vorherverkündet werden.

Dann erst ist entschieden,

dass die Finsternis

in dieser Evolution

vollständig aufgelöst werden kann.

 

Die Kraft, die aus dem ›Heiligen Geist‹

hervorgehen wird,

wird den Tröster verstärken.

Das bedeutet, dass eine Kraft,

die aus einem Erlösungsprozess hervorgegangen ist,

zu den direkten Gotteskräften hinzutritt.

Das ist notwendig,

um die finstersten Wesen unseres Universums aufzulösen.

Dies wird sich in zweitausend Jahren zutragen.

 

Dreimal wird das Weltenwort in die Erdentwicklung eingreifen.

 

Das erste Mal mit Erlösungskräften,

das zweite und dritte Mal mit Auflösungskräften.

 

Satan hat einen Bruder, der noch finsterer ist als er.

Dessen Namen wird noch nicht bekanntgegeben.

Er war auch seit Uranfang vorhanden.

Er wird aber schon zum Teil mit-aufgelöst
durch die Trösterkraft.«[9]

 

Drei Widersachermächte und drei gegen diese gerichtete göttliche Kräfte: Christus und Luzifer, der Tröster und Ahriman, eine »dritte Kraft« und die Asuras. Es ist vermutlich kein Zufall, wenn hier von einer »dritten Kraft« die Rede ist. Eine solche ist uns bereits in den Auseinandersetzungen über die Kernenergie begegnet (Elektrizität, Magnetismus und die dritte Kraft). Hier tritt sie in einem völlig anderen Kontext auf, scheint aber doch auf die Diskussion bezogen, die ja zu gleicher Zeit in den Medien stattfand. Dass diese Vermutung eines Zusammenhangs mit dieser Diskussion nicht abwegig ist, wird deutlich, wenn man in den Schulungsanleitungen des zweiten Teils des Buches Meditationen liest, die um den Schutz der Menschheit und der Erde vor atomaren Katastrophen und Atomkriegen kreisen:

So zum Beispiel am 1.04.1981:

 

»Lieber Vater im Himmel,

beschütze den Tröster

und hilf ihm,

die atomaren Katastrophen abzuschirmen.

 

Christian Rosenkreutz,

beschütze den Tröster,

damit er atomare Katastrophen

auf der Erde verhindern kann.

 

Mutter Erde,

wir umgeben dich

mit einem zwölffachen Schutzring.

 

Lieber Vater im Himmel,

errette unsere Erde

vor einer atomaren Katastrophe.

 

Lieber Christian Rosenkreutz,

beschütze unsere Erde,

damit sie nicht

durch Atomkatastrophen verwüstet wird.«[10]

 

Erneut am 6.04.1981:

 

»Lieber Tröster,

wir erbitten von dir,

dass du uns so führen mögest,

dass wir mitabschirmen helfen

die atomaren Bombenversuche.

 

Lieber Vater im Himmel,

wir erbitten von dir,

dass du uns beschützen mögest

vor den Gefahren

eines atomaren Krieges.

 

Lieber Christian Rosenkreutz,

beschütze uns,

damit wir dem Tröster helfen können,

atomare Katastrophen

abzuschirmen.«[11]

 

Die Behauptung von Charisius, der Tröster werde von Atwood als »heute inkarnierte Petrus-seele« bezeichnet, konnte ich in dem mir vorliegenden Text nicht verifizieren. Möglicherweise stand sie in dem anonymen Konvolut, das ihm vorlag. Petrus wird im Buch Der Tröster spricht an einer einzigen Stelle erwähnt, in einem Text vom 11.02.1981, der nicht der poetischen Schönheit entbehrt.

 

»Luzifer, der nahe bei Gott stand,

als das Weltenwort

in die Daseinsebene der Finsternis

ausgesandt wurde,

erhielt von Gott

den Schlüssel zu einem Mysterium.

 

Dieser Schlüssel entfiel ihm,

als er von der Finsternis umgarnt wurde.

Dieser Schlüssel

wurde vom Weltenwort

aufgefangen und aufbewahrt.

Es ist der Schlüssel,

den Petrus erhielt,

als Jesus Christus

von der Begründung

einer neuen Kirche sprach.

Diesen Schlüssel hütet der Tröster.

Er wird jetzt in das Tor

der neuen Weltenoffenbarungen

eingeführt.

 

Dieser Schlüssel

beginnt sich zu bewegen.

Seine ersten Bewegungen

dürft ihr erahnen.

 

Es ist eine Rose erblüht

am Weltenstamm.

Sie ist noch eine Knospe.

Aber ihr werdet noch erleben dürfen,

wie sie sich langsam entfaltet.

 

Diese Knospe ist der Tröstergeist.

Alle zweitausend Jahre

erblühen neue Knospen

an den Zweigen des Weltenbaumes.

 

Nun erblüht eine Knospe,

die Gottes Herzen entwachsen ist.

Dreimal blüht sie auf

Sie ist für euch erblüht,

meine lieben Brüder und Schwestern!

 

Nehmt sie auf in eure Herzen.

Sie ist noch sehr zart

und bedarf des Schutzes.

Gewährt ihr diesen Schutz.

 

Sie wird tausendfältige Blütenblätter

in sich bergen.

Jedes Blütenblatt

ist eine Erlösungstat.

Der Duft dieser Blüte

möge eure Herzen erfüllen

mit einer Ahnung des Paradieses.

Es ist die Ahnung des Paradieses,

das diese Blüte

im Herzen der Erde begründen will.

Amen«[12]

 

Was Charisius dazu bewogen haben mag, die Trösterbewegung als »indisch gefärbte, okkulte Bewegung« zu taxieren, die »nichts« mit dem Werk Rudolf Steiners zu tun habe und zu dessen Christologie »in direktem Gegensatz« stehe, lässt sich aus den wenigen Schlagworten, die er anführt, nicht eruieren, sieht man einmal vom offenbar missverstandenen Ausdruck »Auflösung« ab. Es ist auch nicht erkennbar, warum »der Vorstand« sich seinem Urteil anschloss. Jedenfalls ist der Reflex aus der Geschichte von Gesellschaft und Bewegung hinreichend vertraut, Menschen, die hellsichtige Fähigkeiten für sich beanspruchten oder mit neuen Offenbarungen an die anthroposophische Öffentlichkeit traten, ja sogar solche, die nur mit der von ihm begründeten »Esoterik« Ernst machen wollten, zurückzustoßen. Erstaunlicherweise; denn Anregungen, sich anders zu verhalten, gab es in Steiners Werk genug. In Gestalt der Theodora hatte er einer Seherin, deren Alltagsverstand nicht zu fassen vermochte, was sie schaute, ein bleibendes Denkmal gesetzt. Ausgerechnet durch sie ließ er 1910 in seinem Rosenkreuzerdrama Die Pforte der Einweihung eines der bedeutendsten Ergebnisse seiner christologischen Forschung verkünden: die zu erwartende Wiederkunft Christi in ätherischer Gestalt.

Mitten in einer theoretischen Konversation zwischen dem Naturwissenschaftler Strader und dem Literaturwissenschaftler Capesius über Vernunft und Aberglauben erklingen ihre berühmten Sätze, die das ebenso gepflegte wie fruchtlose Sprachspiel der Akademiker durchbrechen:

 

»Es drängt zu sprechen mich:

 

Vor meinem Geiste steht ein Bild im Lichtesschein,

Und Worte tönen mir aus ihm;

In Zukunftzeiten fühl’ ich mich,

Und Menschen kann ich schauen,

Die jetzt noch nicht im Leben.

Sie schauen auch das Bild,

Sie hören auch die Worte,

Sie klingen so:

 

›Ihr habt gelebt im Glauben,

Ihr ward getröstet in der Hoffnung,

Nun seid getröstet in dem Schauen,

Nun seid erquickt durch mich.

Ich lebte in den Seelen,

Die mich gesucht in sich,

Durch meiner Boten Wort,

Durch ihrer Andacht Kräfte.

Ihr habt geschaut der Sinne Licht

Und musstet glauben an des Geistes Schöpferreich.

Doch jetzt ist euch errungen

Ein Tropfen edler Sehergabe,

O fühlet ihn in eurer Seele.‹

 

Ein Menschenwesen

Entringt sich jenem Lichtesschein.

Es spricht zu mir:

 

›Du sollst verkünden allen,

Die auf dich hören wollen,

Dass du geschaut,

Was Menschen noch erleben werden.

Es lebte Christus einst auf Erden,

Und dieses Lebens Folge war,

Dass er in Seelenform umschwebt

Der Menschen Werden.

Er hat sich mit der Erde Geistesteil vereint.

Die Menschen konnten schauen ihn noch nicht,

Wie er in solcher Daseinsform sich zeigt,

Weil Geistesaugen ihrem Wesen fehlten.

Die sich erst künftig zeigen sollen.

Doch nahe ist die Zukunft,

Da mit dem neuen Sehen

Begabt soll sein der Erdenmensch.

Was einst die Sinne schauten

Zu Christi Erdenzeit,

Es wird geschaut von Seelen werden,

Wenn bald die Zeit erfüllt wird sein.‹«[13]

 

Rund drei Wochen nach der Uraufführung dieses Dramas im Münchner Schauspielhaus, am 10. September 1910, verwies Steiner in Bern bei Ausführungen über das Matthäus-Evangelium auf diese Szene: In Zukunft werde es vermehrt solche dem Paulus verwandten »Theodorengestalten« geben, die wie dieser Christus mit Geistesaugen sehen würden.

»Sich durchdringen mit der Christus-Kraft zuerst innerlich, dann aber auch immer mehr und mehr äußerlich, werden die Menschen, die sich dazu herbeilassen. So wird die Zukunft die Wesenheit des Christus nicht nur begreifen, sondern sich damit durchdringen. Und für eine große Anzahl von Ihnen habe ich auch schon dargestellt, wie der Fortgang dieser Teilnahme an dem Christus für die Menschheits-Erdenentwickelung sein wird. Ich habe sogar darstellen dürfen in dem ›Rosenkreuzermysterium‹ durch die Seherwesenheit der Theodora, die als eine Persönlichkeit gedacht ist, welche die Kraft in sich entwickelt hat, in die nächste Zukunft hineinzuschauen, wie wir einer Periode entgegenleben, wo in der Tat in einer gar nicht so fernen Zukunft, zuerst wenige Menschen, und dann immer mehr und mehr, nicht bloß durch geistige Schulung, sondern durch jenen Grad von irdischer Entwickelung, den die Menschheit erreicht, schauen können – aber jetzt in der ätherischen, nicht in der physischen Welt – die Gestalt des Christus, und dann in noch fernerer Zukunft in wieder anderer Gestalt [...]

Wir leben einer Zeit entgegen – das muss als eine Mitteilung hingenommen werden –, wo die höheren Kräfte der Menschen den Christus werden schauen können. Und das geschieht noch vor Ablauf des 20. Jahrhunderts, dass eine geringe Anzahl von   Menschen wirklich ›Theodoren‹ sein werden, das heißt, wo das tatsächlich geöffnete geistige Auge das gleiche Erlebnis haben wird, das Paulus hatte vor Damaskus und das er haben konnte, weil er eine ›unzeitige Geburt‹, eine Frühgeburt war (l Kor 15,8). Es werden eine Anzahl von Menschen noch vor Ablauf des 20. Jahrhunderts das Christus-Erlebnis, wie es Paulus vor Damaskus hatte (Apg 9,1-22), wiedererleben und werden keine Evangelien und Urkunden brauchen, wie auch Paulus nichts brauchte, um von dem Christus zu wissen. Sie werden durch das innerliche Erleben wissen, wie es um den Christus steht, der da erscheinen wird aus den ätherischen Wolken heraus.«[14]

Solche Befunde aus Steiners Werk legen vor allem – so würde man erwarten – eines nahe: Zurückhaltung im Urteil gegenüber Erscheinungen, die man – offenkundig – nicht versteht. Dass aber bereits zwei Monate nach der Verbreitung der Briefe »in anthroposophischen Kreisen« feststand, deren Inhalt habe »nichts« mit dem Werk Rudolf Steiners zu tun und stünde zu dessen Christologie »in direktem Gegensatz«, zeugt weniger von Urteilssicherheit, als von der mangelnden Bereitschaft, dieses Phänomen ernsthaft zur Kenntnis zu nehmen. Ein auch nur oberflächlicher Blick in die Publikation führt die Behauptung, die »Durchsagen« oder »Einsprechungen«, die Atwood empfing, hätten mit Steiners Werk nichts zu tun, absurdum und die These, sie stünden zu dessen Christologie »in direktem Gegensatz«, setzt nicht nur ein dogmatisches Corpus einer solchen Christologie voraus, das es nicht gibt, sondern müsste vor allem ausführlich begründet werden. Jedenfalls widersprechen sie nicht der von Steiner selbst genährten Erwartung, solche Offenbarungen – auf welche Art sie im Einzelfall auch immer zustande kommen mögen – könnten, je mehr das Jahrhundert voranschritt, um so häufiger auftreten.

Allerdings muss der Vollständigkeit halber erwähnt werden, dass eine weitere, weniger vorteilhafte Charakterisierung der Theodora existiert, die sie als Beispiel eines Rückfalls in ein atavistisches Bewusstsein anführt, das überwunden werden müsse. Die Charakterisierung findet sich in Ausführungen den Wert des Denkens für eine den Menschen befriedigende Erkenntnis, in einem Vortrag, der zwei Formen des imaginativen Bewusstseins unterscheidet: ein instinktives Imaginieren, ein Relikt des »alten Mondenbewusstseins«, das unter dem Niveau der heutigen Intelligenz- und Ichentwicklung stand (bzw. ein abaissement des niveau mental anzeigt, wenn es auftritt) und ein vollbewusstes Imaginieren, das aus der Weiterbildung des gedankenerfüllten Ichbewusstseins hervorgeht und so weit über diesem steht, wie das erstere unter ihm. Das erstere muss zugunsten des letzteren vollständig abgelegt werden. Das letztere ist das Ziel, wenn auch nicht das letzte: ein wiedererrungenes Mondenbewusstsein, durchdrungen von der freien, selbstbewussten Intelligenz. »Ich habe versucht«, so Steiner am 19. September 1915 in Dornach, »die verschiedenen Typen der Menschen in den Mysteriendramen darzustellen, und auch eine solche Gestalt zu zeichnen, die in das Mondenhafte zurückfällt, die also auf dem physischen Plan unintelligent ist und doch richtige Dinge offenbaren kann, die also unter dem Niveau des normalen irdischen Menschen steht: das ist die Theodora. Die Theodora ist eine Gestalt, bei der gerade gemeint ist, dass sie ein Rückfall in das Mondenbewusstsein ist. Das ist ja sehr klar. Ich möchte sagen, es ist sehr klar dort darauf hingewiesen, wie das ist, indem gesagt ist an der einen Stelle, wo die Theodora auftritt: ›Theodora, eine Seherin. Bei ihr ist das Willenselement in naives Sehertum umgewandelt.‹ Naives Sehertum heißt eben Mondensehertum, selbstverständlich. Es ist ein naives Sehertum, und so ist der Charakter auch durchgeführt.«[15] Jemand, der auf dem physischen Plan »unintelligent« ist, kann doch, wenn er in das alte imaginative Bewusstsein zurückfällt, »richtige Dinge offenbaren« – kann, er muss es selbstverständlich nicht. Dass Theodora im ersten Mysteriendrama die bevorstehende Wiederkunft Christi in ätherischer Gestalt verkündet, ist eine Veranschaulichung für das Paradox eines falschen Bewusstseins, das eine richtige Erkenntnis findet. Ihr steht außerhalb des literarischen Kontextes Rudolf Steiner zur Seite, der mit dem seiner Auffassung nach richtigen Bewusstsein dieselbe Erkenntnis fand. Für eine Geisteswissenschaft – so das gängige Argument – ist eine Bewusstseinsform, die wie ein Naturereignis (oder durch den Einfluss psychoaktiver Substanzen oder hypnotische Einwirkungen) in das normale Alltagsbewusstsein einbricht, unbrauchbar, da sie das Imaginieren beherrschen und einsetzen muss wie eine Methode, eine Technik. Dies dürfte auch der Grund sein, warum Theodora im dritten Mysteriendrama – nach siebenjähriger Ehe mit dem Technokraten Strader – dieses naive Sehertum vollständig verloren hat, um kurz darauf zu sterben. Solche Hinweise Steiners, entsprechend selektiv rezipiert, führten in ihrer Verallgemeinerung zu generellen Vorbehalten gegenüber »Medien«, »Inspirierten« und meist deren Ablehnung, wofür Charisius und der Vorstand ein Beispiel sind.

Anstoß dürfte auch erregt haben – falls man bei seiner häresiologischen Lektüre überhaupt so weit vorgedrungen war – dass Atwoods (bzw. des Trösters) Schulungsanweisungen (die im übrigen trivial sind und nichts enthalten, was nicht bereits aus Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? bekannt wäre, wenn man einmal von den gebetsartigen Mantren absieht, die sie vorschlug) ausdrücklich gemeinschaftliche Meditationen, also Meditationen in Gruppen befürworten, da diese die geistigen Wirkungen zu verstärken vermöchten. Solche Gruppenmeditationen, die im Geruch standen, ein unerwünschtes Gruppenseelenbewusstsein hervorzurufen, waren in anthroposophischen Kreisen ebenso verpönt wie der Mediumismus.

Für Atwood bzw. ihren Inspirator jedenfalls stand fest – auch dies ein weiteres gnostisches Motiv:

 

»Ahriman oder Satan

ist bereits verkörpert auf der Erde.

Er bereitet vor,

die Erde zu zerstören,

weil dies seinen Gesetzen entspricht. [...]

Der große Kampf hat bereits begonnen.

Die himmlischen Heerscharen

werden zur Erde hin konzentriert.

Es wird nun von den Menschen abhängen,

ob sie die Botschaften Gottes,

die er in neuer Form

durch die Gesetze des Tröstergeistes

den Erdenmenschen darreicht,

aufnehmen werden. [...]

Von jedem einzelnen Menschen hängt es jetzt ab,

ob die Lichtkräfte den Sieg erringen können.

Darum bitte ich euch

mir zu helfen,

dass die Botschaft der Liebe,

die ich euch nun reichen darf,

in vielen Herzen Wurzel fasse.«[16]


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Anmerkungen:


[1]Nachrichtenblatt, Nr. 35, 30. August 1981, S. 141.

[2] Joh 14,12: ὁ δὲ παράκλητος, τὸ πνεῦμα τὸ ἅγιον, ὃ πέμψει ὁ πατὴρ ἐν τῷ ὀνόματί μου, ἐκεῖνος ὑμᾶς διδάξει πάντα καὶ ὑπομνήσει ὑμᾶς πάντα ἃ εἶπον ὑμῖν [ἐγώ]. »Der Paraklet aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, er wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.« – Apg 2, 4: καὶ ἐπλήσθησαν πάντες πνεύματος ἁγίου καὶ ἤρξαντο λαλεῖν ἑτέραις γλώσσαις καθὼς τὸ πνεῦμα ἐδίδου ἀποφθέγγεσθαι αὐτοῖς. »Und sie wurden alle voll des Heiligen Geistes und sie begannen zu predigen in anderen Zungen wie der Geist es ihnen eingab.« Die Apostelgeschichte identifiziert den Heiligen Geist an dieser Stelle nicht mit dem Parakleten. Der Paraklet, wörtlich »der Herbeigerufene«, die Mediumform des Verbs bedeutet »trösten«, daher der Tröster, wurde als dritte Person der Trinität relativ spät in der Dogmengeschichte kanonisiert, am Streit um den Heiligen Geist zerbrach die Einheit der Ost- und Westkirche 1054. Luther übersetzte »Tröster«, die katholische Kirche bevorzugt »Beistand«. Im ersten Johannesbrief 2,1 wird Jesus selbst als »parakletos« bezeichnet, was hier allerdings nicht als Tröster übersetzt werden kann, da ihm die Funktion zukommt, beim Vater, dem Gerechten, Fürsprache für die Menschen einzulegen. In der Geschichte des Christentums haben sich stets charismatische Bewegungen auf den Heiligen Geist berufen, von den Montanisten bis zu Joachim von Fiore, Jakob Böhme und neuzeitlichen Pfingstlergemeinden. Religionsgeschichtlich schillert der Heilige Geist oder Geist Gottes in vielen Farben. Seine Funktionen reichen von Schöpfung bis zu Erlösung. Diese Vielschichtigkeit findet sich auch in Steiners Deutungen wieder, der ihn mit dem geläuterten Astralleib des Menschen, dem Geistselbst, der Summe der Bodhisattvas, dem erlösten Luzifer, ja – laut Johanna Gräfin von Keyserlingk – sogar mit sich selbst identifizierte. Allerdings könnte letzteres auch auf einem Missverständnis beruhen. Das Buch Koberwitz 1924, Stuttgart 1974, gibt auf S. 41-42 eine Aufzeichnung der Gräfin wieder, wonach diese gegenüber Eliza von Moltke über Steiner bemerkt hatte: »Er ist Träger der Kraft, von welcher Christus verhieß, dass er sie als den ›Tröster‹ senden wolle«. Die Gräfin von Moltke wollte diese Behauptung ihrer hellsichtigen Freundin nicht unkritisch hinnehmen, sondern erbat sich – laut der Erzählung Keyserlingks – von Steiner selbst eine Bestätigung. Die wackere Johanna berichtet: »So hatte ich sie gebeten, sie möchte doch einmal in irgendeiner Form Rudolf Steiner diese Frage stellen. Nun war sie zu ihm bestellt und hatte sich vorgenommen, diese vorzubringen. Ich wartete im Hotel auf sie und sehe noch, wie sie in den Sessel sank und sagte: ›Ja, er hat bestätigt, was sie sagen.‹« Da nach Steiners Auffassung jeder Mensch zum Träger des Heiligen Geistes wird, der seinen Astralleib in Geistselbst umwandelt, hatte diese Bestätigung aus seiner Sicht nichts Spektakuläres und die Gräfin, die ob dieser Offenbarung erschlagen in ihr Sofa zurücksank, bezeugte mit ihrer Erschütterung nur, wie wenig sie die Grundbegriffe der Theosophie verstanden hatte. Da jedes Kind in der katholischen Kirche bei der Firmung durch den Bischof die sieben Gaben des Heiligen Geistes empfängt, haftet Steiners Deutungen auch aus katholischer Sicht nichts Verwegenes an. Gelegentlich hat Steiner selbst vom (ätherischen) Christus als »Tröster« gesprochen, beispielsweise in seinem Vortrag über die Ätherisation des Blutes 1911, der aufgrund gewisser darin enthaltener Aussagen in der Siemens-Kontroverse eine Rolle spielte (siehe weiter unten): »Gar mancher wird erleben, wenn er gedrückten Herzens, leidbelastet, still in seinem Zimmer sitzt und nicht aus noch ein weiß, dass die Tür geöffnet wird: Der ätherische Christus wird erscheinen und wird Trostesworte zu ihm sprechen. Ein lebendiger Trostbringer wird der Christus für die Menschen werden!« Basel, 1.10.1911, GA 130, Dornach 1995, S. 94.

[3] »Erlösung« geht auch nach Steiners Verständnis stets mit »Auflösung« einher: die Umwandlung der unteren Wesensglieder des Menschen in die oberen, geistigen, die man als »Erlösung« bezeichnen kann, ist ohne Auflösung ihrer Form nicht vorstellbar, ebensowenig wie die Metamorphose des Keimes in die Blüte ohne Auflösung des Keimes vonstatten geht. Auch die Umwandlung der heutigen Erde in den Jupiterzustand und die folgenden ist ohne Auflösung der entstandenen Formen nicht möglich. Oft genug hat Steiner vom Verschwinden der physischen Welt, ihrer Aufhebung in ätherische und astrale Formen gesprochen. Der Begriff der Auflösung, der entfernt an das Nirvana erinnert, dürfte Charisius zu seiner Assoziation der »Tröster-Bewegung« mit etwas »Indischem« veranlasst haben.

[4]Der Tröster spricht durch Sophia Imme-Atwood, Zug 1982.

[5] Atwood, Der Tröster spricht, S. 7.

[6] Man vergleiche hierzu die Schilderungen des Schicksals der Achamoth und des Demiurgen in den unterschiedlichen gnostischen Traditionen.

[7] Ebd., S 19.

[8] Ebd., S. 29-30.

[9] Ebd., S. 41-42.

[10] Ebd. S. 75-76.

[11] Ebd., S. 87-88.

[12] Ebd., S. 36-37.

[13] GA 14, S. 28.

[14] GA 123, Dornach 1988, S. 199 f.

[15] GA 164, Dornach 2006, S. 60.

[16] Ebd., S. 33-35.

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