In den Kontext experimenteller esoterischer Erläuterungen der spirituellen Wesenskunde, die verschleiern, indem sie enthüllen, fügt sich auch ein Vortrag, den Steiner am 27. Januar 1908 hielt. Aufgezeichnet wurde er von Walter Vegelahn. Im Druck nimmt er 13 ½ Seiten ein (GA 102). Er gehört zu einer Reihe fortlaufender Montagsvorträge, die von Januar bis Juni 1908 im Berliner Zweig stattfanden.
In diesem Vortrag wird, wie es zu Beginn heißt, »ein weitergehender Ausflug in den Weltenraum« unternommen, um den »inneren Gang der Weltentwicklung« und den »intimen Zusammenhang« dieser Entwicklung mit der Entwicklung des Menschen auf der Erde aufzuzeigen. Im Verlauf der Ausführungen wird ein weiterer Schleier vor dem Allerheiligsten gelüftet und den Zuhörern bieten sich tiefere Einblicke in die vielschichtige Wesensoffenbarung des Christus.
Es ist ratsam, beim Versuch der Rekonstruktion von Steiners Christologie einige methodische Hinweise zu berücksichtigen, die sich mehrfach verstreut in den hier behandelten Vorträgen finden. Der erste bezieht sich auf die Wahrnehmung scheinbarer Inkonsistenzen: Man darf sich, so Steiner, »nicht verführen lassen durch scheinbare Widersprüche, die man da und dort finden könnte. Diese scheinbaren Widersprüche rühren davon her, dass man auch geistig eine Sache von den verschiedensten Gesichtspunkten aus anschauen kann. Man kann zum Beispiel um einen Baum herumgehen und von den verschiedensten Seiten ein Bild des Baumes entwerfen. Jedes Bild ist dann wahr. Es können hundert sein. Natürlich ist das nur ein Vergleich«, aber in gewisser Beziehung ist dieser Vergleich durchaus zutreffend. Die Wirklichkeit fächert sich in unzählige Perspektiven auf, und je nach Blickrichtung oder Standpunkt des Beobachters bietet sich ihm ein anderes Bild dieser Wirklichkeit dar. Allein diese wenigen Bemerkungen machen deutlich, wie haltlos der oft gegen Steiner erhobene Vorwurf ist, er habe sich als Verkündiger einer absoluten Wahrheit verstanden. Was schon von der alltäglichen Welt gilt, trifft noch viel mehr auf geistige Wesenheiten und ihre Wirkungen zu, da sie sich gegenseitig durchdringen und ineinander spiegeln. Man könnte sogar behaupten, die Welt werde umso komplexer und multiperspektivischer, je geistiger man sie betrachtet.