Einst befand sich die Sonne im Inneren des Menschen – oder der Mensch im Inneren der Sonne – denn Sonne und Erde waren eins. Damals gab es keine Trennung zwischen innerem und äußerem Licht, denn Innen und Außen waren nicht unterschieden. Aber die Sonne trennte sich von der Erde und damit der Menschheit, sie begann die Erde, die in der Finsternis zurückblieb, von außen zu beleuchten – sie weckte die Sinne des Menschen, sie bildete das Auge, jenes Organ, das imstande ist, das äußere Licht zu sehen.
Nun wächst und schwindet das Licht der Sonne aufgrund der komplizierten, wundersam-wunderbaren Drehbewegungen der Erde um sich selbst und das Zentralgestirn unseres Planetensystems in rhythmischem Wechsel. Die Zunahme und Abnahme des Lichtes (und der Wärme) korrespondiert mit dem Wechsel der Jahreszeiten, die in unterschiedlichen Breiten unterschiedlich stark ausgeprägt sind und auf der Nord- und Südhalbkugel der Erde spiegelbildlich verlaufen.
Dieser merkwürdige Zyklus, der in den gemäßigten Zonen temperiert verläuft, korrespondiert auch mit wechselnden Zuständen in den Seelen jener Menschen, die in diesen Gegenden leben. Wir bedürfen eines gewissen Maßes des Wechsels zwischen Licht und Finsternis, um jenes Leben führen zu können, das uns als Menschen auszeichnet.
Nicht nur der Wechsel von Tag und Nacht, auch jener der lichtreichen und lichtarmen Jahreszeiten ist die Grundlage unserer menschlichen Existenz. Finsternis und Schlaf ermöglichen das wache Tagesbewusstsein, Winter und Sommer im Wechsel die Verinnerlichung des Gemüts und die Hingabe an die Schönheit der sinnlichen Welt.
Im Grunde findet das »Weihnachtsmysterium« jede Nacht statt: jede Nacht wird das Licht von der Finsternis bezwungen, um bei Tagesanbruch siegreich neu geboren zu werden. Nicht nur am kürzesten Tag des Jahres kann die Sonnen um Mitternacht von jenen geschaut werden, deren Geistesaugen geöffnet sind, sondern jede Nacht, in der dunkelsten Stunde.