Der Hinweis eines Lesers auf eine Bemerkung Rudolf Steiners, Mohammed sei durch den Engel, der ihn inspirierte, zur Ablehnung der Trinität bestimmt worden, ist Anlass für die Veröffentlichung dieses Beitrags. In ihm beschreibt Henry Corbin, der bedeutendste europäische Erforscher der islamischen Esoterik, wie sich für Ibn Arabi (*1165 Murcia / ✝ 1240 Damaskus), einen der größten Mystiker der Geschichte, der angeblich starre Monotheismus des Islam in einer von Sehnsucht und Liebe erfüllten kosmogonischen Bewegung entfaltet und in die geschöpfliche Welt aushaucht, um aus ihr und durch sie, von Mitleid und Liebe erfüllt, wieder in sich selbst zurückzukehren – der klassische Dreischritt einer trinitarischen Schöpfungs- und Erlösungstheologie. Der Text Corbins stammt aus seinem Buch »Allein mit dem All-Einen«* und erscheint hier erstmals in deutscher Übersetzung.
Die negative Theologie schließt die Möglichkeit eines Dialoges zwischen Schöpfer und Geschöpf nicht aus, im Gegenteil, sie ist die Bedingung für einen solchen Dialog. Dies zeigt die islamische Gnosis. In jeder Gnosis gibt es einen unbestimmten Schöpfer. Jenseits des Seins, das existiert, gibt es den Gott, der nicht existiert, das heißt, den unbekannten, unerkennbaren und unaussagbaren Gott. Und es gibt den offenbaren Gott, Gottes »Nous«, der denkt und handelt, den Träger der göttlichen Eigenschaften, zu dem eine Beziehung möglich ist. Damit aber ein Übergang zwischen beiden denkbar ist, gibt es auch einen leidenden Gott, einen Gott, der eine innere Bewegung vollzieht, um aus seiner schweigenden Leere, die jenseits alles Sagbaren liegt, hervorzutreten, um Gestalten zu schaffen, die als solche erkennbar und aussagbar sind.
Die ismailische Gnosis sieht das ähnlich wie Ibn Arabi. Sie schlägt für den Namen Gottes Al-Lah eine Etymologie vor, die das Wort »ilah« von der Wurzel »wlh« ableitet, die »traurig sein«, »von Trauer überwältigt sein«, »auf etwas hin seufzen«, »voller Bangigkeit zu etwas hinfliehen« bedeutet. Das Wesen Gottes ist danach Sehnsucht, Seufzen, Mitleiden.
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Selbsterkenntnis in der Geschichte
Band 1 | 1875–1952
Das Werk »Selbsterkenntnis in der Geschichte. Anthroposophische Gesellschaft und Bewegung im 20. Jahrhundert« bietet ein Jahrhundert Anthroposophie in verdichteter Form. Worum es geht, beschreibt die Einleitung.
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Band 2 | 1953–1982
Der Zeitraum, den dieser zweite Band der Geschichte der Anthroposophischen Gesellschaft und Bewegung umfasst, wurde von Albert Steffen und Rudolf Grosse geprägt. Albert Steffen war bis zu seinem Tod 1963 Vorsitzender der Gesellschaft.
Band 3 | 1983–2000
Band 3 umfasst die rund zwei Jahrzehnte von 1983–2000 unter der Leitung Manfred Schmidt-Brabants. Sie sind geprägt durch den beispiellosen Aufschwung der anthroposophischen Bewegung ab den 1990er Jahren und die tiefgreifende Krise im Selbstverständnis der Anthroposophischen Gesellschaft. Das Ende des Jahrhunderts führte Bewegung und Gesellschaft an die Schwelle der Selbsterkenntnis und zur heraufdämmernden Einsicht in die Notwendigkeit einer grundlegenden Erneuerung.