Der medizinische Wohlfahrtsstaat des Nationalsozialismus
Gastbeitrag von David Gordon
Fast alle Informationen in diesem Vortrag, wenn auch nicht mein libertäres Thema, stammen aus zwei Büchern von Robert Proctor: Racial Hygiene: Medicine Under the Nazis (Harvard, 1988) und The Nazi War on Cancer (Princeton, 1999).
Jede Gesellschaft muss eine grundlegende Frage in Bezug auf ihr medizinisches System beantworten. Ist jeder Mensch Herr über seinen eigenen Körper? Wenn ja, hat er das Recht zu entscheiden, welche Art der medizinischen Behandlung er wünscht. Wenn der Mensch nicht Herr über seinen eigenen Körper ist, dann muss die Medizinpolitik individuelle Entscheidungen nicht respektieren, und der Einzelne kann rücksichtslos für das vermeintliche Allgemeinwohl beiseitegeschoben werden.
Es besteht kein Zweifel daran, wie die Nazis diese Frage beantwortet haben. Paul Diepgen, der führende Historiker der Medizin im Dritten Reich und auch in der vorangegangenen Weimarer Republik, schrieb in einem Buch, das 1938 erschien: »Der Nationalsozialismus bedeutet für das medizinische Leben etwas grundlegend Neues. Er hat eine Idee überwunden, die für die Medizin der jüngeren Vergangenheit zentral war: die Idee des Rechts auf den eigenen Körper.« Ein zentraler Slogan der Nationalsozialisten lautete: »Das Wohl des Volkes steht höher als das Wohl des Einzelnen.«