Es gibt wieder Krieg in Europa. Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg auf Jugoslawien, mit dem eine US-Regierung unter Nutzung der NATO die letzten Reste des Sozialismus und der Blockfreiheit in Europa beseitigte, um einen einheitlichen Großraum nach ihren Interessen zu schaffen, hat einen Nachfolger, den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine.
Mit dem Jugoslawienkrieg nutzte die einzige Supermacht USA den von Charles Krauthammer in seinem berühmten Aufsatz so bezeichneten »unipolaren Moment« des Sieges über die UdSSR, um ihre Weltherrschaft auch in Europa zu zementieren.
Ist der Angriffskrieg Russlands nun ein imperialistischer Versuch Wladimir Putins, einen Großraum Russland zu schaffen, also die Leiche UdSSR wiederzubeleben, oder steht auch dieser Krieg im Zusammenhang mit der Katastrophe Europas, dem Aufstieg der USA und den sich abzeichnenden Machtverschiebungen des 21. Jahrhunderts?
Vor etwas mehr als 100 Jahren schlafwandelten die Mächtigen in Europa in die selbstverschuldete Katastrophe, die das Ende ihrer Bedeutung herbeiführte und das amerikanische Jahrhundert ermöglichte. So konnte man es zum 100. Jahrestag des 1. Weltkriegs in den westlichen Medien in vielen Artikeln lesen, denn mittlerweile wird die Frage nach der Kriegsschuld von Historikern überwiegend nicht mehr mit »Deutschland« beantwortet, sondern mit »irgendwie alle europäischen Mächte«. Warum brauchte diese Annäherung an die Wahrheit einhundert Jahre, obwohl die wesentlichen Akteure der damaligen Zeit schon lange nicht mehr die wesentlichen Akteure der Gegenwart sind? Offenbar gab es hemmende Kräfte, Interessen, die ein falsches Narrativ erst einführten und dann stabilisieren konnten? Sind diese Kräfte und Interessen mittlerweile selbst Geschichte, oder sind sie immer noch wesentlich und wirksam? War der Jugoslawienkrieg und ist der Ukraine-Krieg auch Ergebnis dieser Interessen? Sind wir so hellwach angesichts dieser Fragen, wie wir es sein müssen?