Aus den bisherigen Ausführungen dürfte hinreichend deutlich geworden sein, dass Steiner Geistesforschung als spirituellen Erfahrungsweg der Seele und als exakte Wissenschaft versteht. Der spirituelle Erfahrungsweg führt in existentieller Dramatik zu einem fundamentalen Umbau des Erkenntnissubjekts, zu einer Transformation seines gesamten Wesens, die nicht mit metaphorischen, sondern realenErfahrungen des Todes und der Wiedergeburt verbunden ist.
Jene existentielle »Möglichkeit«, die vor dem Adepten der antiken Mysterienreligion stand, von der Steiner in »Das Christentum als mystische Tatsache« spricht, wird »für jeden, der zu höherer Erkenntnis kommen will, einmal Wirklichkeit«: »Eine Möglichkeit liegt hier, die furchtbar sein kann. Es ist die, dass der Mensch seine Empfindungen und Gefühle für die unmittelbare Wirklichkeit verliert und sich keine neue vor ihm auftut. Er schwebt dann wie im Leeren. Er kommt sich wie abgestorben vor. Die alten Werte sind dahin, und keine neuen sind ihm erstanden. Die Welt und der Mensch sind dann für ihn nicht mehr vorhanden. – Das ist aber gar nicht eine bloße Möglichkeit. Es wird für jeden, der zu höherer Erkenntnis kommen will, einmal Wirklichkeit. Er langt da an, wo der Geist für ihn alles Leben für Tod erklärt. Er ist dann nicht mehr in der Welt. Er ist unter der Welt – in der Unterwelt. Er vollzieht die Hadesfahrt. Wohl ihm, wenn er nun nicht versinkt. Wenn sich vor ihm eine neue Welt auftut. Er schwindet entweder dahin; oder er steht als Verwandelter neu vor sich. In letzterem Falle steht eine neue Sonne, eine neue Erde vor ihm. Aus dem geistigen Feuer ist ihm die ganze Welt wiedergeboren [kurs. L.R.]« (>GA 8). Und wenn eine solche Persönlichkeit »wieder dem Tageslicht gegeben ist, steht eine andere, eine völlig verwandelte Persönlichkeit [kurs. L.R.] vor uns. Eine Persönlichkeit, die nicht Worte findet, die erhaben genug sind, um auszudrücken, wie bedeutungsvoll das Erlebte für sie gewesen ist. Sie erscheint sich nicht bildlich bloß [kurs. L.R.], sondern im Sinne höchster Wirklichkeit [kurs. L.R.] wie durch den Tod hindurchgegangen und zu neuem höheren Leben erwacht« (GA 8).