Dieser Weg, dessen genaue Beschreibung den Rahmen einer Besprechung sprengt, wird anhand einer beeindruckenden Fülle von Materialien in allen seinen Etappen bis zur Schwelle des 1. Weltkriegs charakterisiert. Sein Anfang ist die philosophische Gnosis der frühen Schriften Steiners, die, in produktiver Kontinuität mit dem Geist von Goethe und vom Deutschen Idealismus, zu einer spirituellen und zugleich fruchtbar weltzugewandten Ich-Erfahrung führt; seine Kulminierung ist die – gleichsam als generative Umstülpung jener Gnosis zu verstehende – Wahrnehmung der weiten makrokosmischen Horizonte, in denen Christus sich als «Person» der jenseits der Hierarchien überragenden Trinität manifestiert. Diese Kulminierung im trinitarischen Horizont wird dadurch hervorgehoben, dass der letzte Teil dieser Studie einer Vertiefung der Trinität in Steiners Werk gewidmet ist (S. 481–558).
Die Produktivität der Arbeit, die Ravagli leistet, liegt darin, dass er auch in dieser Studie die Punkte der Diskontinuität in Steiners Werk nicht als Anlass zu einer steril dekonstruktiven Haltung wahrnimmt. Er versteht diese Punkte als Schwellen, das heißt – es sei eine mathematisch geprägte Formulierung erlaubt – als Ort des Übergangs zu einem Limes, ausgehend von dem der bis zu jenem Ort führende Weg nicht allen Sinn verliert – wobei das Frühere und das Spätere in einem unfruchtbaren Widerspruch gegeneinander stehen würden –, sondern einen bis dahin noch nicht manifesten, tieferen Sinn offenbart. Eine gesunde Mitte zwischen naiver, einseitig devotionaler Verwischung aller Diskontinuität und überheblicher, abstrakter Vernichtung allen tieferen Sinns wird so erreicht. Ausgehend von dieser hermeneutischen Mitte begleitet uns der Autor, durchgehend und präzis aus Steiners Werk referierend, durch einen Weg der progressiven Entfaltung und Enthüllung, in der die Wirklichkeit des Christus in jeder Etappe eine neue Dimension manifestiert, ohne dass die vorherigen Dimensionen jegliche Bedeutung einbüßen würden.