Vor kurzem ist Band 2 der kritischen Steiner-Ausgabe (SKA) erschienen, der die beiden Werke »Wahrheit und Wissenschaft« und die »Philosophie der Freiheit« in all ihren Varianten enthält.
Dem Band ist eine rund 110-seitige Einleitung des Herausgebers beigegeben, die in bewährter Manier Fragen behandelt, die im Anschluss an die beiden Werke und ihre Textentwicklung aufgeworfen werden. Ein kurzer Überblick beschäftigt sich mit Rezeption und Wirkung der beiden Schriften. Darüberhinaus enthält der Band Stellenkommentare und ein umfangreiches Literaturverzeichnis. Das Hauptgewicht der Einleitung liegt auf der 43-seitigen Rekonstruktion der intellektuellen Biographie Steiners in der Zeit von 1872-1902, die nachzeichnet, wie sein philosophisches Denken in der Auseinandersetzung mit wechselnden Dialogpartnern Gestalt annahm (von Kant und Herbart über Fichte, Schelling, Hegel, Goethe-Schiller, Volkelt, von Hartmann und Nietzsche bis zu Haeckel). Den in dieser Rekonstruktion vorgetragenen Thesen nachzugehen, ist hier nicht der Ort.
Grundsätzlich sieht Clement in Steiners Anknüpfung an den deutschen Idealismus und seiner Bewunderung für Goethe und Schiller nicht, wie manch andere Autoren, in erster Linie eine »Flucht vor der Komplexität der Moderne« oder eine »Abwehrreaktion gegen den Historismus« (Zander), sondern ein »enormes Zukunftspotential«. In mancher Hinsicht habe er »vor 120 Jahren bereits ein Problembewusstsein für Fragen entwickelt, die das Gegenwartsbewusstsein gerade erst zu stellen beginnt« (S. XXIV).