Der geistes- oder mysteriengeschichtliche Weg der Menschheit führte also von der ägyptischen Einweihung zum christlichen Mysterium. Wenn es sich beim Nachweis für diese These um mehr handeln soll, als um eine bloße motivgeschichtliche oder philologische Rekonstruktion von Abhängigkeiten, dann muss dieser Weg als Vorgang der Bewusstseinsgeschichte, ja zuletzt als ontologischer Prozess ausgewiesen werden. Mit diesem Nachweis beginnt Steiner im 16. Vortrag, indem er von Erleuchtungserfahrungen bei Fichte und Goethe – im weiteren Sinn von der gegenwärtigen mystischen Erfahrung – ausgeht, um von ihr aus zu gleichartigen oder vergleichbaren Erfahrungen der Vergangenheit vorzudringen. Solche Erleuchtungserfahrungen eröffnen im Menschen einen Ausblick auf das Ewige. Der Vortragende selbst reiht sich hier ein: »Wenn ich nicht so sehr überzeugt wäre, dass in einem bestimmten Momente etwas aufleuchtet, das es möglich macht, das Ewige, das Göttliche zu erkennen, so könnte ich nicht so sprechen.«
Wer die Tiefen des Christentums verstehen wolle, dürfe daher nicht beim geschichtlichen Standpunkt stehenbleiben. Er müsse eine Betrachtungsweise finden, »welche das Göttliche auf einer höheren Stufe sieht, wo es sich als Leben in den initiierten Persönlichkeiten zum Ausdruck bringt.« In der einzelnen Menschenseele stelle sich dies als Bewusstsein des Ewigen dar, und »ich kann auf keine andere Weise den tieferen Grund im Christentum zeigen, als dieses Bewusstsein zu verfolgen […] in der Zeit der alten ägyptischen Religionslehren, und Ihnen dann zeigen, wie diese Lehren der alten Ägypter in den Lehren der Essäer aufleuchten, um beweisen zu können, dass in dem Augenblicke, als der Gottmensch den Menschen erschien, […] nur in einer solchen Bruderschaft Menschen da sein konnten, die genügend vorbereitet waren, um das zu verstehen, was sich da ereignen sollte.«