Ende Oktober wurde die Präsidentin des EU-Parlaments, Roberta Metsola, von einem Journalisten gefragt, ob die EU die Beitrittsgespräche mit der Ukraine und der Republik Moldau formell eröffnen werde, nachdem sie diesen Ländern 2022 den Kandidatenstatus zuerkannt hatte. Sie antwortete:
Wenn ein Land nach Europa schaut, dann sollte Europa seine Türen weit öffnen. Die Erweiterung war immer das stärkste geopolitische Instrument der Europäischen Union.
Obwohl Metsola lediglich Äußerungen der EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und des Präsidenten des Europäischen Rates Charles Michel umformulierte, bietet ihre Wortwahl einen hervorragenden Einblick in die ideologischen Grundlagen des EU-Expansionismus.
Metsola verwechselt Europa und die Europäische Union, aber das ist nicht nur ein Versprecher. In Brüssel hat die Annahme, dass die EU mit Europa gleichzusetzen ist, eine lange Tradition, und die Länder außerhalb der EU-Grenzen sind nicht wirklich europäisch, sonst würden sie nicht »nach Europa schauen«. Europäer zu werden bedeutet, »zivilisiert« zu werden, denn außerhalb des »Gartens Europa« leben die Menschen in einem »Dschungel«, so zumindest der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Die EU, die als Verkörperung höherer Werte dargestellt wird, hat die moralische Pflicht, ihre Türen zu öffnen und jene unglücklichen Länder aufzunehmen, die derzeit von diesem Garten der Lüste ausgesperrt sind, und sie so vor einer nicht näher bezeichneten Gefahr zu retten. Im Grunde eine Variation des kolonialen Themas des weißen Retters. Dann bringt Metsola das entscheidende Argument für die Erweiterung: Sie ist ein geopolitisches Instrument, um die EU zu stärken.