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Unter Hammer und Hakenkreuz

Von Lorenzo Ravagli

Unter Hammer und Hakenkreuz. Der völkisch-nationalsozialistische Kampf gegen die Anthroposophie

Ravaglis Untersuchung zeigt die bedeutende Rolle, die die Anthroposophie im gesellschaftlichen Diskurs der wilhelminischen Ära und der Weimarer Republik spielte. Sie dokumentiert, in welcher Form sich die militant-konservativen und rechts-revolutionären Kreise dieser Gesellschaft von der Anthroposophie absetzten. Dadurch ergibt sich ein völlig neuer Blick auf die frühe anthroposophische Bewegung. Ist Rudolf Steiner in die völkische, die alldeutsche oder deutsch-nationale Bewegung einzuordnen? Diese Behauptung wird von manchen Autoren aufgestellt, die Steiner als deutschen Chauvinisten, als Befürworter des Imperialismus, der Rassenhygiene, ja als Esoteriker des Nationalsozialismus zu denunzieren versuchen. Die vorliegende Untersuchung stellt die Kampagnen und Intrigen dar, die vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Machtergreifung der NSDAP aus dem rechtskonservativen bis rechtsextremen politischen Spektrum gegen die Anthroposophie inszeniert wurden. Die bedeutendsten völkischen und nationalistischen Verbände der Kaiserzeit und der Weimarer Republik gehörten zu den erklärten Feinden der Anthroposophie. Lorenzo Ravagli rekonstruiert den fundamentalen Gegensatz zwischen der Anthroposophie und jeder Art von völkischer Bewegung.

Der zweite Teil des Buches vermittelt einen Einblick in die weltanschaulichen Konflikte innerhalb der theosophischen Bewegung und arbeitet die grundlegenden Differenzen zwischen dem von Guido von List konzipierten Armanismus bzw. der Ariosophie und der Anthroposophie Rudolf Steiners heraus. Dabei wird deutlich, dass ein erheblicher Teil der theosophischen Gegner der Anthroposophie aus Anhängern der völkischen Bewegung bestand, die versuchten, die humanistischen und menschheitlichen Ziele der Theosophie bzw. Anthroposophie für ihre gruppenegoistischen Ziele zu vereinnahmen.


Marxistischer Antisemitismus

Im Gegensatz dazu trägt die Charakterisierung, die Marx dem Judentum 1844 in seinen Aufsätzen Zur Judenfrage zuteil werden ließ, klassisch-antisemitische Züge,107 an deren unzweideutiger Tendenz auch die Tatsache nichts ändert, dass Marx selbst Jude oder Sozialist war.

»Betrachten wir den wirklichen, weltlichen Juden« ruft Marx 1844 aus, »nicht den Sabbathjuden ... sondern den Alltagsjuden.

Suchen wir das Geheimnis des Juden nicht in seiner Religion, sondern suchen wir das Geheimnis der Religion im wirklichen Juden.

Welches ist der weltliche Grund des Judentums? Das praktische Bedürfnis, der Eigennutz.

Welches ist der weltliche Kultus des Juden? Der Schacher. Welches ist sein weltlicher Gott? Das Geld.

Nun wohl! Die Emanzipation vom Schacher und vom Geld, also vom praktischen realen Judentum, wäre Selbstemanzipation unserer Zeit.

Eine Organisation der Gesellschaft, welche die Voraussetzung des Schachers, also die Möglichkeit des Schachers aufhöbe, hätte den Juden unmöglich gemacht. Sein religiöses Bewusstsein würde wie ein fader Dunst in der wirklichen Lebensluft der Gesellschaft sich auflösen. Andererseits: Wenn der Jude dies sein praktisches Wesen als nichtig erkennt und an seiner Aufhebung arbeitet, arbeitet er aus seiner bisherigen Entwicklung heraus, an der menschlichen Emanzipation schlechthin und kehrt sich gegen den höchsten praktischen Ausdruck der menschlichen Selbstentfremdung.

Wir erkennen also im Judentum ein allgemeines allgegenwärtiges antisoziales Element, welches durch die geschichtliche Entwicklung, an welcher die Juden in dieser schlechten Beziehung eifrig mitgearbeitet, auf seine jetzige Höhe getrieben wurde, auf eine Höhe, auf welcher es sich notwendig auflösen muss.

Die Judenemanzipation in ihrer letzten Bedeutung ist die Emanzipation der Menschheit vom Judentum.

Der Jude hat sich bereits auf jüdische Weise emanzipiert.« Marx zitiert aus Bruno Bauers Buch Die Judenfrage: »Der Jude, der in Wien zum Beispiel nur toleriert ist, bestimmt durch seine Geldmacht das Geschick des ganzen Reiches. Der Jude, der in dem kleinsten deutschen Staate rechtlos sein kann, entscheidet über das Schicksal Europas.

Während die Korporationen und Zünfte sich dem Juden verschließen, oder ihm noch nicht geneigt sind, spottet die Kühnheit der Industrie des Eigensinns der mittelalterlichen Institute. (Bauer, Judenfrage

Marx fährt, Bauer kommentierend, fort:

»Es ist dies kein vereinzeltes Faktum. Der Jude hat sich auf jüdische Weise emanzipiert, nicht nur, indem er sich die Geldmacht angeeignet, sondern indem durch ihn und ohne ihn das Geld zur Weltmacht und der praktische Judengeist zum praktischen Geist der christlichen Völker geworden ist. Die Juden haben sich insoweit emanzipiert, als die Christen zu Juden geworden sind. ...

Ja, die praktische Herrschaft des Judentums über die christliche Welt hat in Nordamerika den unzweideutigen, normalen Ausdruck erreicht, dass die Verkündigung des Evangeliums selbst, dass das christliche Lehramt zu einem Handelsartikel geworden ist, und der bankerotte Kaufmann im Evangelium macht, wie der reichgewordene Evangelist in Geschäftchen ... Das Judentum hat sich nicht trotz der Geschichte, sondern durch die Geschichte erhalten.

Aus ihren eigenen Eingeweiden erzeugt die bürgerliche Gesellschaft fortwährend den Juden.

Welches war an und für sich die Grundlage der jüdischen Religion? Das praktische Bedürfnis, der Egoismus.

Der Monotheismus des Juden ist daher in der Wirklichkeit der Polytheismus der vielen Bedürfnisse, ein Polytheismus, der auch den Abtritt zu einem Gegenstand des göttlichen Gesetzes macht. ... Der Gott des praktischen Bedürfnisses und des Eigennutzes ist das Geld.

Das Geld ist der eifernde Gott Israels, vor welchem kein anderer Gott bestehen darf. Das Geld erniedrigt alle Götter des Menschen – und verwandelt sie in eine Ware. ... Es hat ... die ganze Welt, die Menschenwelt, wie die Natur, ihres eigentümlichen Wertes beraubt. Das Geld ist das dem Menschen entfremdete Wesen seiner Arbeit und seines Daseins, und dies fremde Wesen beherrscht ihn, und er betet es an.

Der Gott der Juden hat sich verweltlicht, er ist zum Weltgott geworden. Der Wechsel ist der wirkliche Gott des Juden. Sein Gott ist nur der illusorische Wechsel. ...

Was in der jüdischen Religion abstrakt liegt, die Verachtung der Theorie, der Kunst, der Geschichte, des Menschen als Selbstzweck, das ist der wirkliche bewusste Standpunkt, die Tugend des Geldmenschen. Das Gattungsverhältnis selbst, das Verhältnis von Mann und Weib usw. wird zu einem Handelsgegenstand! Das Weib wird verschachert. ...

Der jüdische Jesuitismus, derselbe praktische Jesuitismus, den Bauer im Talmud nachweist, ist das Verhältnis der Welt des Eigennutzes zu den sie beherrschenden Gesetzen, deren schlaue Umgehung die Hauptkunst dieser Welt bildet. ...

Das Judentum konnte sich als Religion, es konnte sich theoretisch nicht weiter entwickeln, weil die Weltanschauung des praktischen Bedürfnisses ihrer Natur nach borniert und in wenigen Zügen erschöpft ist. ...

Das Christentum ist aus dem Judentum entsprungen. Es hat sich wieder in das Judentum aufgelöst.

Der Christ war von vornherein der theoretisierende Jude, der Jude ist daher der praktische Christ, und der praktische Christ ist wieder Jude geworden. ...

Das Christentum ist der sublime Gedanke des Judentums, das Judentum ist die gemeine Nutzanwendung des Christentums ...

Nun erst konnte das Judentum zur allgemeinen Herrschaft gelangen, um den entäußerten Menschen, die entäußerte Natur zu veräußerlichen, verkäuflichen, der Knechtschaft der egoistischen Bedürfnisse, dem Schacher anheimgefallenen Gegenständen zu machen. ...

Der christliche Seligkeitsegoismus schlägt in seiner vollendeten Praxis notwendig um in den Leibesegoismus des Juden ...

Wir erklären die Zähigkeit des Juden nicht aus seiner Religion, sondern vielmehr aus dem menschlichen Grund seiner Religion, dem praktischen Bedürfnis, dem Egoismus. ...

Also nicht nur im Pentateuch oder im Talmud, in der jetzigen Gesellschaft finden wir das Wesen des heutigen Juden, nicht als ein abstraktes, sondern als ein höchst empirisches Wesen, nicht nur als die Beschränktheit des Juden, sondern als die jüdische Beschränktheit der Gesellschaft.

Sobald es der Gesellschaft gelingt, das empirische Wesen des Judentums, den Schacher und seine Voraussetzungen aufzuheben, ist der Jude unmöglich geworden ...

Die gesellschaftliche Emanzipation der Juden ist die Emanzipation der Gesellschaft vom Judentum.«108

Es ist ebendiese Marsche Denkweise, mit der Steiner sich während seiner Arbeit für die Deutsche Wochenschrift, also 1888 und später befasste, im Hinblick auf welche er in seinem Lebensgang folgende Sätze niederschrieb:

»Es war mir persönlich schmerzlich, davon sprechen zu hören, dass die materiell-ökonomischen Kräfte in der Geschichte der Menschheit die eigentliche Entwickelung tragen und das Geistige nur ein ideeller Überbau dieses ›wahrhaft-realen‹ Unterbaues sein sollte. Ich kannte die Wirklichkeit des Geistigen. Es waren die Behauptungen der theoretisierenden Sozialisten für mich das Augen-Verschließen vor der wahren Wirklichkeit.« (Siehe weiter oben)

Während Marx durch seinen Materialismus dazu verführt wurde, den Geist des Judentums in den Erscheinungen des ökonomischen Lebens, in der Herrschaft des Schachers, in der Verschacherung des Lebens, kurz, im Kapitalismus zu sehen, und das Wesen des Judentums im praktischen Egoismus zu erkennen glaubte, der die Welt beherrscht, was auf die später in die bündige Formel verdichtete These hinausläuft, die Welt sei »verjudet«, während Marx alle Stereotypen der späteren antisemitischen Propaganda bis hin zum notorischen Rassenhang des Juden zu Hehlerei und Zuhälterei in seinem Aufsatz versammelte, schwadronierte Steiner weder über den jüdischen Geist noch über den Geist der jüdischen Rasse, sondern interessierte sich für die geistige Individualität des einzelnen Menschen und ihre Leistungen, unabhängig davon, welchem Volk oder welcher Rasse der jeweilige Mensch angehörte. Denn wie Steiner 1901 schrieb: »Es ist doch einerlei, ob jemand Jude oder Germane ist ... Das ist so einfach, dass man fast dumm ist, wenn man es sagt. Wie dumm muss man aber erst sein, wenn man das Gegenteil sagt.«109

Fortsetzung: Steiners Plädoyer für den übernationalen Geist


Anmerkungen

107) Karl Marx, Zur Judenfrage, Berlin 1919, herausgegeben und eingeleitet von Stefan Grossmann, ursprünglich erschienen in den deutsch-französischen Jahrbüchern Ruges im Jahr 1844.

108) Ebenda, S. 42-49.

109) Steiner, GA 31, Dornach 1989, S. 198/99.

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